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OPPENHEIMER FIlm POSTER MIT CILLIAN MURPHY

Inhalt: Bei einem Verhör über angebliche kommunistische Verbindungen reflektiert J. Robert Oppenheimer (Cillian Murphy) seine Erfolge – und Fehler – als Architekt der Atombombe.

OPPENHEIMER TRAILER - Cillian Murphy als Oppenheimer
© Universal Pictures Germany

Film Kritik

Oppenheimer ist kein „einfacher“ Film. Es wäre eine Untertreibung zu behaupten, dass seine Thematik und sein Inhalt von Natur aus deprimierend sind. Er katapultiert den Zuschauer in eine sehr spezielle, unübersichtliche Welt und weigert sich, ihn an die Hand zu nehmen, wobei das Fehlen von Untertiteln mit Datums- oder Ortsangaben besonders auffällt.

Die Geschichte ist drei Stunden lang, vollgepackt mit vielen informationsgeladenen Dialogen und spielt, um es mit den Worten einer Figur zu sagen, in „schäbigen Räumen fernab des Rampenlichts„. Die Story entfaltet sich entlang zweier sich überschneidender Erzählstränge – einer mit dem Titel „Fission“ (Kernspaltung) in leuchtenden Farben, der andere mit dem Titel „Fusion“ (Kernfusion) in kontrastreichem Schwarz-Weiß – und man wechselt zwischen ihren Ereignissen und Entdeckungen hin und her, wie ein ungeduldiger Zuschauer bei seinen zwei TV Lieblings-Sendungen.

Schließlich handelt es sich um einen Christopher-Nolan-Film. Und obwohl der Film stark von Nolans Markenzeichen geprägt ist (antichronologisch, mit IMAX-Kameras gedreht, keine CGI), fühlt sich Oppenheimer dennoch an wie etwas völlig Neues aus der Feder des Autors und Regisseurs.

Cillian Murphy als J. Robert Oppenheimer in OPPENHEIMER © Universal Pictures. All Rights Reserved.

Oppenheimer basiert auf dem Buch „American Prometheus“

Während der Film eine gewisse Ähnlichkeit mit Nolans Lieblingsfilm „Jäger des verlorenen Schatzes“ aufweist (ein Mann mit Hut kämpft gegen die Nazis um die Kontrolle einer existenziell mächtigen Waffe), wirkt er eher wie Nolans „Schindlers Liste“. Ein Schritt in eine todernste, nachdenklich stimmende, sehr erwachsene Materie. Mit einem entscheidenden Unterschied: Diese schwierige historische Persönlichkeit verfolgt einen ganz anderen Weg als Oskar Schindler. Man könnte sogar sagen, einen genau entgegengesetzten.

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Oppenheimer basiert auf dem Buch „American Prometheus“, Kai Birds und Martin J. Sherwins breit angelegter Biografie über den theoretischen Physiker, der die Atombombe „entwickelte“. Es ist jedoch kein Biopic. Es wird keine Zeit auf J. Roberts Kindheit verwendet, und sein turbulentes akademisches Vorleben wird nur kurz angesprochen. Stattdessen bewegt sich der Film flott von der Etablierung der Quantentheorie in die US-Lehrpläne bis zu seiner Rekrutierung als Leiter des Manhattan-Projekts (durch den uneitlen Generalleutnant Leslie Groves, der von Matt Damon mit onkelhaftem Charme gespielt wird).

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Bemerkenswert ist, dass Nolan den Liebesgeschichten Oppenheimers etwas Zeit widmet und es Florence Pugh erlaubt, ihre wenigen Szenen als kommunistische Aktivistin Jean Tatlock, der ersten Geliebten des Physikers, stilvoll zu dominieren (die auch eine Nolan-Premiere beinhalten: längere Sexszenen und nackte Oberkörper).

Gleichzeitig bricht Emily Blunt als alkoholkranke, aber intelligente Kitty Oppenheimer glücklicherweise aus dem Archetyp der „den Mann unterstützenden“ bzw. leidenden Ehefrau aus. Dabei liefert sie sich im Rahmen eines intensiven verbalen Duells mit dem ruppigen Anwalt Roger Robb (Jason Clarke) eine der mitreißenden Szenen des Films.

Robert Downey Jr als Lewis Strauss in OPPENHEIMER © Universal Pictures. All Rights Reserved.

Cillian Murphy glänzt als geplagter Wissenschaftler

Ohne Übertreibung kann man sagen, dass Oppenheimer mit Nolans bisher wohl eindrucksvollster Besetzung daherkommt, angesichts des enormen Aufgebots an handelnden Personen. Robert Downey Jr. führt den „Fusion“-Strang als überheblicher US-Atomenergiebeauftragter Lewis Strauss an, der im Laufe des Films versucht, als Handelsminister in Eisenhowers Kabinett aufgenommen zu werden, was im Laufe des Films immer mehr an Bedeutung gewinnt.

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Und dann haben wir auch noch eine unvergleichliche Nebenrollenbesetzung: Benny Safdie als Edward Teller (Kubricks Inspiration für Dr. Seltsam, oder wie ich lernte, die Bombe zu lieben), Kenneth Branagh als Oppenheimers dänischer Mentor Niels Bohr, Josh Hartnett als sein Vertrauter Ernest Lawrence – sowie Olivia Thirlby, Rami Malek, Jack Quaid, Macon Blair, Casey Affleck, David Krumholtz und Alden Ehrenreich, die in den unterschiedlichsten Rollen auftauchen. Ganz zu schweigen von Gary Oldmans bissigen Cameo als Präsident Truman, der Oppenheimer bekanntlich als „weinerlichen Wissenschaftler“ bezeichnete.

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Der zentrale Kern des Films ist jedoch die überzeugende Darbietung von Murphy als Oppenheimer. Bei der enormen Bedeutung des Films hätte man erwarten können, dass er alles aus sich herausholt, was er schauspielerisch drauf hat. Und das merkt man ihm in jedem Moment auf der Leinwand auch an – denn oft ist das IMAX-Objektiv von Kameramann Hoyte Van Hoytema schonungslos auf sein Gesicht gerichtet, wenn er die konfliktreichen Emotionen zum Ausdruck bringt, die unter der menschlichen Oberfläche Oppenheimers wüten.

Cillian Murphy als J. Robert Oppenheimer in OPPENHEIMER, © Universal Pictures. All Rights Reserved.

Eine meisterhaft konstruierte Charakterstudie

Wir haben es hier schließlich mit einem äußerst komplexen Herrn zu tun: Als Held gepriesen, weil er den Krieg beendet hat, von Schuldgefühlen angesichts der Ereignisse von Hiroshima und Nagasaki geplagt und möglicherweise auch verzweifelt genug, um seine Seele durch einen Märtyrertod zu erlösen.

Nolan rundet diese hervorragend getroffene Darstellung dadurch ab, dass er die Erinnerungen und Visionen seiner Hauptfigur als eine Art visuelles Ausrufezeichen verwendet. Das reicht von Regentropfen, die wie Bombenexplosionen bedrohlich in Pfützen prasseln, bis hin zu einer erschreckend kurzen Darstellung der „atmosphärischen Entzündung“, einem möglichen (befürchteten) Ergebnis des ersten Atombombentestes, welches die Welt vernichten könnte.

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Besonders schockierend ist die Trinity-Sequenz, in der Nolans SFX-Team eine CGI-freie Simulation einer Nuklearexplosion erzeugt, mit der vielleicht intensivsten Countdown-Szene der Filmgeschichte. Jedoch ist der Film visuell gesehen nie stärker als in den Momenten, wenn er sich in Oppenheimers Kopf abspielt. Aber der Film ist visuell nie überzeugender als in der Vorstellung Oppenheimers. Das gilt besonders für den langen Schlussakt, wenn die Visionen der lebensvernichtenden Wirkungen seiner Schöpfung mit solch alptraumhafter Wucht in sein Alltagsleben dringen, dass er sie tagelang nicht loswird.

Fazit: Die meisterhaft konstruierte Charakterstudie eines hervorragenden Regisseurs bewegt sich auf einem ganz neuen Niveau. Ein Film, den man nicht nur sehen, sondern mit dem man sich auseinandersetzen muss.

Film Bewertung 9 / 10

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