BETTER MAN DIE ROBBIE WILLIAMS STORY FILMPOSTER

Inhalt: Mit nur 15 Jahren wird der junge Robbie Williams ein Teil von Take That und katapultiert sich aus einfachsten Verhältnissen direkt in den Pop-Olymp. Doch seine einzigartige Weltkarriere wird zu einer emotionalen Achterbahnfahrt zwischen Erfolg, Selbstzweifeln, persönlichen Krisen und dem Kampf gegen die Drogensucht. Auf seinem kommerziellen Höhepunkt und kurz vor dem endgültigen Absturz steht Robbie vor der Entscheidung, ob er sich selbst zerstören oder sich seinen Dämonen stellen will …

© Tobis Film

Schimpanse als Spiegel seiner Selbst

Schon in den ersten Minuten von Better Man erleben wir den achtjährigen Robert Williams, dargestellt als CG-Schimpanse, wie er von seinem Vater verlassen wird. Dieser schmerzhafte Moment leitet eine berührende Szene ein: Auf den Straßen von Stoke-on-Trent (Partnerstadt von Erlangen) singt der junge Williams „Feel“, einen Song, der später zu einem seiner größten Hits werden sollte. Die Szene mag surreal klingen, doch sie trifft ins Herz. Seine hängenden Schultern und die glasigen Augen, begleitet von Streichinstrumenten, spiegeln eine tief sitzende Traurigkeit wider.

Michael Gracey inszeniert mit einer mutigen Mischung aus Fantasie und emotionaler Tiefe die prägenden Jahre des späteren Popstars. Die schwierige Beziehung zu seinem Vater, einem egoistischen Mann, der seine Familie für den Ruhm verließ, zieht sich wie ein roter Faden durch Williams‘ Leben. Dieses Verlassenwerden prägt ihn und nährt seine unermüdliche Suche nach Bestätigung. Mit gerade einmal 16 Jahren wird er selbst zum Idol, doch die plötzliche Berühmtheit stürzt ihn in eine Phase des emotionalen Stillstands.

Gracey gelingt es, Williams‘ Lebensgeschichte mit einer außergewöhnlichen Sensibilität darzustellen. Die universellen Themen – der Wunsch nach Liebe, Sicherheit und Anerkennung – lassen uns tief mitfühlen. Während wir Williams als verletzlichen Schimpansen sehen, spiegelt er die Ängste und Hoffnungen wider, die wir alle in uns tragen. Der Film stellt eine zentrale Frage: Kann das unsichere Kind in uns jemals wirklich erwachsen werden?

Robbie (Jonno Davies) tanzt mit Nicole Appleton (Raechelle Banno) in BETTER MAN – DIE ROBBIE WILLIAMS STORY
Robbie (Jonno Davies) tanzt mit Nicole Appleton (Raechelle Banno) in BETTER MAN – DIE ROBBIE WILLIAMS STORY © Tobis Film GmbH

Karneval der Selbsterkenntnis: Williams‘ Perspektive

Die Geschichte wird vollständig aus der Sicht von Robbie Williams erzählt und gibt einen faszinierenden Einblick in sein von Selbsthass und Selbsterkenntnis geprägtes Leben. Zu Beginn beschreibt er sich selbst mit Worten wie „narzisstischer, nach Prügel schreiender, Scheiße fressender Trottel“. Diese schonungslose Selbstdarstellung bildet das Fundament des Films, der uns zeigt, wie er sich selbst sieht – nicht wie andere ihn wahrnehmen.

Inspiriert von Williams‘ Aussage, er habe sich während seiner Zeit bei Take That oft wie ein getriebener Bühnenaffe gefühlt, greift Regisseur Michael Gracey dieses Bild auf und verleiht ihm visuelle Aussagekraft. Dieses riskante kreative Element – eine Mischung aus „ Was zum Teufel?“ und brillanter Fantasie – verstärkt die emotionale Wirkung der Szenen und hebt die Erzählung auf ein neues Level.

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Das Drehbuch basiert auf Interviews, die Williams und Gracey über anderthalb Jahre führten, bevor die Idee zum Film überhaupt entstand. Viele der Tonaufnahmen aus diesen Gesprächen finden ihren Weg in den Film, was den Eindruck von Authentizität und Eindringlichkeit noch verstärkt. Trotz der mitreißenden Größe, die man von dem Regisseur von The Greatest Showman erwarten würde, bleibt der Kern des Films authentisch und intim – ein seltenes Merkmal innerhalb des Genres der Musik-Biopics.

Robbie auf der Bühne
Jonno Davies als “Robbie Williams“ in Better Man © Tobis Film GmbH

Einzigartig und von Herzen

In einer Welt voller glattgebügelter Musikfilme (das Elton John Biopic „Rocketman“ einmal ausgenommen) sticht Better Man durch seine rohe Ehrlichkeit und emotionale Tiefe hervor. Es gibt kein vergleichbares Werk, das die Widersprüche eines Superstars so ehrlich und nachvollziehbar präsentiert. Der junge Robbie, dargestellt als CG-Schimpanse ohne weitere Erklärung – er ist einfach ein Affe – wächst in einer teils liebevollen, teils dysfunktionalen Umgebung auf.

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Während seine Mutter (Kate Mulvany) und Großmutter (Alison Steadman) ihm Zuneigung und Stabilität bieten, hinterlässt sein distanzierter, narzisstischer Vater (Steve Pemberton) tiefe Spuren. Robbie wird früh mit dem Glauben geprägt, dass das Schlimmste, was ein Mensch sein kann, ein „Niemand“ ist – ein Entertainer zu sein, ist laut seinem Vater der einzige Weg zur Anerkennung.

Der Durchbruch mit Hindernissen

Durch einen Zufall und eine gute Portion Überheblichkeit landet Robbie bei einem Vorsingen für Take That. Dort wird er nicht nur von dem ambitionierten Gary Barlow (Jake Simmance, der dessen arroganten Ehrgeiz brillant einfängt) überstrahlt, sondern auch von Manager Nigel Martin-Smith. Gespielt von Damon Herriman, der mit seiner bedrohlichen Präsenz schon Charles Manson in Once Upon A Time In Hollywood und Mindhunter verkörperte, wird Martin-Smith zum unerbittlichen Antagonisten. Er verleiht Robert Peter Williams den Spitznamen „Robbie“ und torpediert sein Selbstbewusstsein, als wäre es ein bewusst gewähltes Manöver.

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Neben den äußeren Konflikten hat Robbie auch mit seinen inneren Dämonen zu kämpfen. Gracey zeigt auf kraftvolle Weise, wie diese ihn verfolgen – mit einer Kakophonie negativer Stimmen, die ihn als nutzlos und unzulänglich bezeichnen. Dieses innere Drama wird durch Robbies früh verinnerlichte Angst, unbedeutend zu sein, noch verstärkt. Es entsteht ein Teufelskreis, in dem er sowohl die Anerkennung als Entertainer sucht, als auch daran zweifelt, jemals gut genug zu sein.

Gracey verwebt die äußeren Herausforderungen und die inneren Konflikte zu einem faszinierenden Porträt einer Persönlichkeit, die zwischen Selbstzweifeln und dem Drang nach Bestätigung gefangen ist.

BETTER MAN
© Tobis Film GmbH

Die affenartige Hauptfigur

Mit zunehmendem Ruhm wird Robbie Williams‘ Leben von seinen inneren Dämonen immer stärker beherrscht. Regisseur Michael Gracey fängt diesen destruktiven Kreislauf mit einer überwältigenden Montage ein, die Williams‘ Höchstphase zeigt. Die Szenen wirken wie ein Angriff auf die Sinne: Der Schnitt ist hektisch, fast „verkokst“, und die Zuschauer werden in die chaotische Wahrnehmung von Williams hineingezogen. Diese Intensität zeigt die Schattenseiten des Ruhms und bringt die klaustrophobische Natur des Erfolgs ungeschönt auf die Leinwand.

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Mit dem Fortschreiten der Handlung nehmen diese surrealen Manifestationen zu. Der Film schreckt nicht davor zurück, die düsteren Aspekte von Williams‘ Konflikten realistisch darzustellen. Es ist mutig, dass Gracey die scharfen Kanten der Erzählung nicht abrundet, um ein breiteres Zielpublikum anzusprechen, sondern den Film ganz bewusst bei einer höheren Altersfreigabe belässt.

Take That! performance in Better Man
Take That! performance in Better Man © Tobis Film GmbH

Ein genialer Kniff

Zentral für die Wirkung dieser Sequenzen ist die Darstellung der Schimpansen Figur. Schauspieler Jonno Davies bringt mit seiner Performance-Capture-Arbeit Williams‘ Manierismen perfekt zum Ausdruck. Unterstützt von Wētā FX wird die Affengestalt zum Leben erweckt, wobei die Mischung aus Williams‘ markanten Bewegungen und animalischen Akzenten eine faszinierende Präsenz erzeugt. Robbie Williams selbst liefert den Gesang, während Davies für die Sprechstimme verantwortlich ist.

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Die Figur wirkt durch die animalische Darstellung sowohl verletzlich als auch instinktiv getrieben – ein verwirrter, gefühlsmäßig roher Charakter, der das Publikum erreicht. Dieser Einfall verleiht dem Film eine emotionale Dimension, die es leichter macht, mit der Figur mitzufühlen, als es ein menschliches Ebenbild je könnte. Der Schimpanse ist jedoch so effektiv, dass einige Nebenfiguren im Vergleich dazu leiden. Ein Handlungsstrang, in dem es um Williams‘ besten Freund geht, wirkt, als hätte er den Schnittraum gerade so überstanden.

Alison Steadman als Betty mit ihrem Enkel Robbie Williams in BETTER MAN – DIE ROBBIE WILLIAMS STORY
Alison Steadman als Betty mit ihrem Enkel Robbie Williams in BETTER MAN – DIE ROBBIE WILLIAMS STORY © Tobis Film GmbH

Musik als narrative Kraft

Besonders auffällig ist die Darstellung von Williams‘ Vater, Peter. Steve Pemberton bringt dessen Selbstdarstellung hervorragend auf den Punkt, aber der Charakter bleibt skizzenhaft. Er wirkt weniger lebendig – und weniger menschlich – als der digital animierte Schimpanse, obwohl die Beziehung zwischen Vater und Sohn eigentlich den emotionalen Kern der Geschichte bilden sollte. Dies ist ein leichter Dämpfer in einer ansonsten mitreißenden Erzählung.

Michael Gracey setzt Robbie Williams‘ Songs meisterhaft ein, um die Gefühlsebene der Handlung zu unterstreichen. Lieder wie „Feel“ und „Angels“ erhalten einen neuen Kontext, der sie fast wie für den Film geschaffen wirken lässt. Besonders eindrucksvoll ist der Einsatz von „Angels“ bei einer Beerdigung, bei der eine Traube schwarzer Regenschirme subtil mit Genreklischees spielt. „Let Me Entertain You“ erlebt eine explosive Neuinterpretation: Was als authentische Erinnerung an Williams’ legendären Knebworth-Auftritt 2003 beginnt, verwandelt sich in eine apokalyptische Vision.

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Die Szene zu „Rock DJ“ ist ein besonderes Highlight des Films. Hunderte von Tänzern füllen die Londoner Regent Street, während der Song als Ausdruck für Take That’s Durchbruch dient. Die Sequenz ist nicht nur überraschend und strotzt nur so vor Energie, sondern ist auch ein Überraschungselement, das den Zuschauer mit seiner Energie buchstäblich überrollt.

Jonno Davies als “Robbie Williams", Jesse Hyde als “Mark Owen”, Liam Head als “Howard Donald”, Chase Vollenweider als “Jason Orange" and Jake Simmance als “Gary Barlow" in Better Man
Jonno Davies als “Robbie Williams“, Jesse Hyde als “Mark Owen”, Liam Head als “Howard Donald”, Chase Vollenweider als “Jason Orange“ and Jake Simmance als “Gary Barlow“ in Better Man © TOBIS Film GmbH

Das große Herz des Films

Obwohl der Film mit düsteren Themen wie Abhängigkeiten und dem Abstieg vom Ruhm arbeitet, bleibt er humorvoll und nimmt sich selbst nie zu ernst. Er untergräbt typische Genre-Konventionen und spielt mit Absurdität, wie einer Streitsequenz, die durch einen Neoprenanzug an bizarrer Komik gewinnt. Abgerundet wird dies durch die urkomischen Nebenrollen der Schauspieler, die Liam und Noel Gallagher darstellen – zweifellos eine der lustigsten Darbietungen des Jahres.

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Regisseur Gracey sorgt dafür, dass der verletzliche Protagonist trotz all seiner Fehler unterstützt wird. Kameramann Erik Wilson, bekannt für seine Arbeit an den Paddington-Filmen, unterstreicht diese Sensibilität visuell. Abschließend bietet der Film eine unvergessliche Mischung aus Humor, Emotionen und einem Schimpansen im roten Adidas-Trainingsanzug – ein irres, berauschendes Kinoerlebnis.

Fazit: Trotz kleinerer Schwächen in der Figurenzeichnung bleibt Better Man ein beeindruckendes Werk. Die emotionale Wucht, gepaart mit der kreativen Nutzung von Musik und surrealen Bildern, sorgt dafür, dass die Botschaften und Gefühle des Films nachhaltig wirken. Mit dem originellen, mutigen und abgefahrensten Musik-Biopic seit Todd Haynes‘ „Superstar: The Karen Carpenter Story“-Verfilmung mit Barbie-Puppen ist Michael Gracey die vielleicht größte filmische Überraschung des (kommenden-) Jahres gelungen.

Film Bewertung 9 / 10