Berlinale: Sektion Berlinale Special – Weltpremiere
Inhalt: Aleppo: Mitten im Bürgerkrieg versucht die Ärztin, Amira, Leben zu retten, auch wenn es die Leben des Feindes sind und sie dafür von den Ortsansässigen Soldaten mit Bedrohungen gestraft wird. Zwischen Explosionen und Schüssen versuchen sie und ihre Familie zu überleben, bis eine Bombe ihr Haus trifft.
Auf der Flucht begegnet Amira verschiedenen Menschen. Einem hilfsbereiten Soldaten, einem Schmuggler, der nur an das Geld denkt, einem Dichter, der das Boot nach Griechenland steuern will und einem Kapitän. Und doch geht es Amira nur darum sich und ihre Tochter zu retten.
Film Kritik
Brandt Andersen widmet sich in seinem Debütfilm einem hochaktuellen Thema, das ihm sehr am Herzen liegt. Er selbst engagiert sich auf vielfältige Weise in der Flüchtlingshilfe. Das spürt man auch beim Betrachten des Films, der die tragische und drastische Fluchtgeschichte und die Sichtweise von Außenstehenden auf Flüchtlinge erzählt.
Berlinale 2024 „Love Lies Bleeding“
Der Film versucht, den Aspekt „warum Menschen machen, was sie machen“ zu beleuchten, um dem Zuschauer deutlich zu vermitteln, dass nicht immer alles so ist, wie es scheint. Der Film ist in Kapitel gegliedert, die alle miteinander verwoben sind, wobei jedes Kapitel einen Teil der Reise erzählt. Als Zuschauer treffen wir auf eine Vielzahl von Charakteren. Alle sind auf ihre Art und Weise darauf bedacht, sich selbst und ihre Lieben zu retten.
Yasmine Al Massari als Amira, die in den Trümmern ihres Hauses nach überlebenden Familienmitgliedern sucht. Yahya Mahayni, der als Soldat Mustafa mit seinem eigenen Gewissen zu kämpfen hat. Und natürlich der Kapitän des Schiffes, der nur die Flüchtlinge zählt, die er nicht retten konnte. Anderson versteht es, die Dramatik zu schüren.
Andersen weiß wie er jeden Zuschauer für sich gewinnen kann
Omar Sy als Schmuggler, der mit dem Leid anderer Menschen Geld verdient, was zunächst verwerflich erscheint, solange man nicht weiß, warum er es tut, entspricht der Idee des Films ebenso wie alle anderen auch. Andersen nutzt die Gesichter weinender Kinder im Boot auf der Fahrt ins Ungewisse ebenso wie die Bilder von niedlichen Welpen, die im Flüchtlingslager zurückgelassen werden müssen.
Er weiß, wie er jeden Zuschauer für sich gewinnen kann. Ob das bei einem Thema wie diesem der richtige Ansatz ist, darüber lässt sich streiten. Der Film verlässt sich stark auf die actionlastigen Ereignisse im Erzählstrang. Das mag auf den ersten Blick etwas makaber wirken, aber Andersen versucht, die Aufmerksamkeit des Zuschauers noch mehr zu wecken.
Berlinale 2024 „My New Friends“
Leider versucht er auch, einige seiner Figuren zu sehr als Helden darzustellen und schrammt damit vielleicht ein wenig an der Realität vorbei. Seiner anfänglichen Unbarmherzigkeit, mit der der Film beginnt, bleibt er jedoch treu. Das liegt an der Schärfe, die der Film besitzt und daran, dass nicht alles einen positiven Ausgang hat.
Zur gleichen Zeit kommt das fast dokumentarische Drama „Green Border“ von Agnieszka Holland in die Kinos. Auch Holland erzählt die Geschichte einer Flucht in Episoden, welche ebenso ein tragisches Ausmaß annimmt. Wie Andersen wirft Holland nicht nur ein Licht auf die Personen, die helfen wollen, sondern auch auf die Grenzsoldaten, die einfach nur ihren Pflichten nachkommen möchten. Dieser Konflikt spitzt sich in Green Border zu.
Der Film versucht eindrücklich den Schrecken im Kriegsgebiet nahbar zu machen
„The Strangers Case“ arbeitet mit Sound und großformatigen Bildern. Zwischen lautstarken Explosionen, die den Betrachter zusammenzucken lassen, versucht Andersen, dass Grauen des Kriegsgebietes greifbar zu machen und damit auch den Grund der Flucht zu verdeutlichen. Er geht aber auch auf die Ansichten der Flüchtlinge ein.
Eine seiner Figuren behauptet sogar, dass sie alle nur Terroristen sind und warum sie die lange, beschwerliche und manchmal tödliche Reise auf sich nehmen, wenn sie sowieso nur auf der Straße enden werden. Einer der stärksten Momente des Films spielt sich auf einem Boot in der Nähe der griechischen Küste ab.
Berlinale 2024 „A Different Man“
Ein Kapitän versucht wieder einmal, Menschenleben zu bewahren, bis einer der Flüchtlinge ihn unterbricht und ihn bittet, nicht länger zu versuchen, das Leben eines Jungen zu retten. „Es ist nicht deine Schuld“, sagt der Mann und Vater des ertrinkenden Kindes. Dieser Satz und die Blicke, die darauf folgen, werden einem noch lange Zeit wie ein Kloß im Hals hängen bleiben.
Grandios gespielt, lebt der Film von seinem bekanntesten Darsteller Omar Sy. Doch auch der Rest der Besetzung muss sich keineswegs hinter dem bekannten Gesicht verstecken. Alle Figuren im Film haben mit so vielen Problemen zu kämpfen, dass Charaktere mit solch großem Ballast richtig Spaß machen, sofern sie gut gespielt sind. Und zum Glück ist das der Fall. Die Besetzung trägt den Film und zeigt eindrucksvoll, wie wichtig ein gutes Ensemble ist.
Berlinale 2024 „My Summer With Iréne“
Fazit: Ein intensives Drama, das sich mehr auf seinen Spielfilm-Look und seine Erzählweise verlässt, in der Hoffnung, ein breiteres Publikum anzusprechen als es Green Border möglicherweise schafft. Nichtsdestotrotz hinterlässt Andersens Film beeindruckende Bilder und Geschichten, die einen noch eine Weile begleiten werden.
Film Bewertung 7 / 10