Inhalt: Die Geschichte von Napoleon Bonaparte (Joaquin Phoenix): der Kaiser, der nach der französischen Revolution an die Macht kam und halb Europa eroberte.
Film Kritik
Ridley Scotts Darstellung des Höhenflugs und Niedergangs des französischen Monarchen wird im Marketing-Rahmen zum Film als ein gewaltiges und schweres Thema angepriesen. Allerdings entspricht das nicht ganz dem Inhalt des Films: Es handelt sich hierbei vielmehr um ein Historien-Epos, das stets nach Wegen sucht, andere Historien-Epen gekonnt zu unterlaufen.
Und so wird gezeigt, wie sich Napoleon den Sand von den Lippen wischen muss. Kurz nachdem er feierlich einen Strand in seinem geliebten Frankreich betreten hat, kniet er nieder und küsst als Zeichen des Patriotismus den Boden. Neben Vaterlandsliebe und Geltungssucht bieten das Drehbuch von David Scarpa, die Regie und der Schnitt auch die ein oder andere komödiantische Einlage.
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Wir treffen Bonaparte auf dem Höhepunkt der Terrorherrschaft während der französischen Revolution: Allenthalben werden aristokratische Köpfe abgehackt. Robespierre (Sam Troughton), der sozusagen als Richter, Geschworener und Henker der Nation fungiert, macht es sich in seiner Rolle ein wenig zu bequem.
Als er schließlich am eigenen Schopf gepackt wird, droht ein regelrechtes Macht-Vakuum, das es zu füllen gilt. Auftritt Napoleon.
Wenn du willst, dass etwas erledigt wird, erledige es selbst
Er wird als ein Mann dargestellt, der seinen Kick aus zwei Dingen zieht: Krieg und Sex. Die Kriege führt er im Grunde mit jedem – eine regelrechte Kriegsschlampe. Dagegen konzentriert sich die Sexualität auf eine bestimmte Person: die schöne Joséphine de Beauharnais (eine hervorragende Vanessa Kirby), auf die er geradezu erotisch fixiert ist. Sie wiederum nutzt die erste sich bietende Gelegenheit, um ihn zu hintergehen.
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So wird der große Kriegsstratege Napoleon Bonaparte als mieser Liebhaber porträtiert, wenn er sich wie ein wildgewordenes Karnickel in Sekundenschnelle an Joséphine vergeht. Und die – dank Joaquin Phoenix – staubtrockene Performance entlockt dem Zuschauer unweigerlich ein Schmunzeln.
Natürlich wird er dabei auch nicht als fehlerfreies militärisches Genie dargestellt: Scott zeigt zwar, wie die Dinge aus dem Ruder laufen, doch ist es nicht die bekannte Typisierung des „verrückten Tyrannen“, mit der solche Handlungsbögen in der Regel enden.
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Obwohl Scotts Napoleon sich auf den Spuren von Julius Cäsar sieht, ist es der bekannte Wunsch von Caligula, das römische Volk möge nur einen einzigen Hals haben (das hätte die Massenexekutionen vereinfacht), der in Napoleons Ärger, nicht jede einzelne Kanone persönlich auf dem Feld von Waterloo justieren zu können, zum Ausdruck kommt.
Der vierstündige Director`s Cut wird auf Apple TV+ erscheinen
Diese Haltung verkörpert er durchgehend, während er auf die durch ABBA vertonte Entscheidungsschlacht hinarbeitet. Und ob er jemals wirklich gesagt hat, „Wenn du willst, dass etwas erledigt wird, erledige es selbst“, sei jetzt einmal dahingestellt.
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Trotz seiner stolzen Laufzeit von knapp 150 Minuten wirkt der Film etwas gehetzt und springt von einem historischen Meilenstein zum nächsten. Dies macht allerdings insofern Sinn, weil auf Apple TV der bereits bestätigte vierstündige Director´s Cut zu erwarten ist.
Fazit: Ridley Scotts Blick auf Napoleon ist eine bemerkenswert nüchterne, eigenwillige und amüsante Nahaufnahme eines Mannes und keine ausführliche, allumfassende, akribische Abhandlung historischer Fakten.
Film Bewertung 7 / 10