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Beau Is Afraid - Joaquin Phoenix im Film von Ari Aster

Inhalt: Beau geht es nicht gut – seine Paranoia macht ihm das Leben schwer und die Medikamente, die ihm sein Therapeut verschreibt sind auch keine Lösung. Als Beau aufbricht, um seine Mutter zu besuchen, beginnt eine epische Odyssee, auf der er mit seiner Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft konfrontiert wird. Am Ende muss Beau erkennen, dass er seine dunkelsten Abgründe überwinden muss, um seine Träume zu erfüllen….

Die immer wilder werdende Filmografie von Ari Aster scheint sich um ein einfaches, einheitliches Thema zu drehen: verkorkste Familien. In seinem Kopfkino-Horror Hereditary teilt Toni Collette ihrem Sohn unverblümt mit, dass sie „versucht hat, eine Fehlgeburt zu haben“. In dem sonnigen Folk-Horror Midsommar stirbt Florence Pughs Familie innerhalb der ersten fünf Minuten durch einen Mord/Selbstmord.

Bei Beau Is Afraid bildet die dysfunktionale Beziehung zwischen dem paranoiden Verlierer Beau (Joaquin Phoenix, der natürlich eine Ausnahmeerscheinung ist) und seiner distanzierten, kontrollsüchtigen, geheimnisvollen Mutter (Patti Lupone und Zoe Lister-Jones teilen sich diese Rolle) das Grundgerüst der trügerisch simplen Geschichte. Im Grunde lautet die Handlung: „Ein Mann kehrt zu seiner Mutter nach Hause zurück“.

Die Reise zwischen diesen beiden Punkten verläuft jedoch wie „Murphy’s Law: Der Film“: Alles, was für Beau schiefgehen kann, wird es wahrscheinlich auch, und zwar mit umwerfendem Galgenhumor und einigen erstaunlich gut inszenierten Set-Pieces, bei denen Asters Kamera sich in rasantem Tempo so schnell bewegt, dass sie die innere Unruhe seines Protagonisten widerspiegelt.

Beau (Joaquin Phoenix) © Leonine Studios

Beau Is Afraid handelt von metaphorisch-mythischen Mutterproblemen

Seit Darren Aronofskys Mutter! – einem Film, der übrigens auch mit metaphorisch-mythischen Mutterproblemen handelt – wurden Ängste nicht so eindringlich dargestellt, und die freudsche Unzulänglichkeit auf die Spitze getrieben. In dieser permanent übersteigerten Realität sind Beaus irrationale Ängste in Wirklichkeit völlig rational, und all seine schlimmsten Befürchtungen werden scheinbar auf einmal wahr.

Vor allem in der ersten Hälfte des Films ist es ein morbides Vergnügen, dem Chaos zuzusehen, das sich ausbreitet. Beau wohnt in einem grässlichen, mit Graffiti beschmierten Wohnhaus, über einem Pornokino namens Erectus Ejectus. Er muss zu seiner Haustür sprinten, um den Landstreichern, Taugenichtsen und einem nackten Mann mit Hang zu Messerstechereien auszuweichen. Der erste Teil ist wie eine Mischung aus The Warriors und einem Gemälde von Hieronymus Bosch, ein Abstieg in eine bizarre, verwirrende (Tony) Ballard-artige Hölle.

In der zweiten Hälfte des Films – nachdem er sich mit einem scheinbar wohlgesinnten Paar (gespielt von Amy Ryan und Nathan Lane) angefreundet hat, das Beau voller Freude eine elektronische Fußfessel anlegt – begibt sich unser unglücklicher Held in den Wald. Der Film verliert sich auch dort ein wenig; in einer Geschichte, die ohnehin nur noch wenig mit der Realität zu tun hat, eröffnet sich eine Parallelgeschichte, eine Scheinphantasie, die mit Theaterelementen und Animationen erzählt wird.

Beau als alter Mann (Joaquin Phoenix) © Leonine Studios

Realität scheint ein völlig relativer Begriff zu sein

Als der letzte Akt einsetzt – mit einer ausgeklügelten ödipalen Verschwörungstheorie, einigen Anspielungen auf das Metaphysische und dem vielleicht abartigsten Schwanzwitz der Kinogeschichte – scheint die Realität ein völlig relativer Begriff zu sein. Was wie eine komisch übertriebene paranoide Farce begann, endet als ein waghalsiges Stück surrealer, Charlie-Kaufman-esker Fegefeuer-Kunst, das sowohl Bewunderung als auch ein Gefühl der Befremdung hervorrufen dürfte.

Film Kritik: 20.000 Arten von Bienen ist eine ehrliche und prägende Erzählung

Nachdem die Erzählung zu Beginn einen gewissen Sinn ergeben hat, nimmt Aster den Zuschauer den restlichen Weg nicht mehr wirklich mit. Doch das scheint der springende Punkt zu sein, wenn es denn einen gibt: Ein Albtraum sollte nicht zufriedenstellend oder angenehm enden. Er sollte nur verwirrend und abrupt enden, so dass man im Morgengrauen blinzelnd und mit offenem Mund daliegt und sich fragt, was um Himmels willen da gerade abgelaufen ist.

Fazit: Die Bandbreite dieser avantgardistischen Comic-artigen Kernschmelze schießt manchmal sogar über das Ziel hinaus, ist aber dennoch eine durchweg aufsehenerregende, kafkaeske Spritztour durch eine üble, verdammt schlechte, absolut beschissene Woche eines Mannes.

Film Bewertung: 7 / 10

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