Genre: Tragikkomödie | Produktion: Deutschland 2023 | Laufzeit: ca. 116 Minuten | Regie: Sonja Heiss
Mit: Devid Striesow, Laura Tonke, Arsseni Bultmann, Camille Loup Moltzen, Merlin Rose, Casper von Bülow, Pola Geiger, Claude Heinrich, Andreas Merker und als Gast Axel Milberg u.a.
Weltpremiere im Bereich Sektion Generation auf der Berlinale 2023 (17.02.)
Inhalt: Auf dem Gelände der größten psychiatrischen Klinik Schleswig-Holsteins aufzuwachsen ist irgendwie – anders. Für Joachim, den jüngsten Sohn von Direktor Meyerhoff (Devid Striesow), gehören die Patient*innen quasi zur Familie. Sie sind auch viel netter zu ihm als seine beiden älteren Brüder, die ihn in rasende Wutanfälle treiben. Seine Mutter (Laura Tonke) sehnt sich Aquarelle malend nach römischen Sommernächten statt norddeutschem Dauerregen, während der Vater heimlich, aber doch nicht diskret genug, seine eigenen Wege geht.
Und während Joachim erwachsen wird, findet er unter den Patientinnen seines Vaters seine erste große Liebe, verliert seinen Bruder, lebt in Amerika und kehrt schließlich zu seiner wundervoll außergewöhnlichen Familie zurück. Irrsinnig komisch und tief berührend erzählt der auf dem autobiografischen Roman von Joachim Meyerhoff basierende Film davon, wie schwierig es ist, eine Familie zu sein.
Joachim, oder auch liebevoll Josse genannt, wächst zusammen mit seinen zwei Brüdern auf dem Gelände einer Kinder- und Jugendpsychiatrie auf. Das bedeutet von vornerein, dass seine Kindheit nicht denen anderer Kinder in seinem Alter gleicht.
Nicht selten schleicht er über das Gelände und ist mit Patienten per du. Aber auch Josse selbst leidet unter einem Problem: seinen immer wiederkehrenden und heftigen Wutausbrüchen. Diese scheinen zumindest auf kurze Zeit besänftigt, als Marlene, ein schwer trauriges Mädchen, bei ihnen einzieht. Erste Gefühle flammen in Josse auf, die jedoch keine Entwicklung finden können, als Marlene sie wieder verlässt. Doch Josse hat auch noch andere Sorgen, denn das Familienidyll droht, auseinander zu brechen.
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Mit solch einem recht erwachsenen Kinderfilm überrascht Sonja Heiss die Zuschauer bei der Weltpremiere. Ihr Film ist ein erfrischendes Werk, welches eine Familie und vor allem einen Jungen beim Erwachsenenwerden begleitet, bei der Weiterentwicklung, bei der Entdeckung, dass das Leben manchmal bittersüße Momente bereithält, auf der anderen Seite aber auch strahlenden Sonnenschein zeigen kann.
Von tieftraurigen Momenten hin zu den humoristischen Augenblicken und den wunderschönen Szenen, welche wie im wahren Leben manchmal viel zu kurz sind, findet der Film eine Balance, das Leben eines Jungen zu erzählen, der viele Facetten zu bieten hat.
Ein überraschend erwachsener Kinderfilm
Und dieser Junge ist wirklich brillant gecastet und das vor allem in den ersten zwei Phasen des Filmes: Kindheit und Jugend. Die beiden Darsteller ergänzen sich in jeder Hinsicht und der Übergang fällt kaum auf, da sie den Charakter nicht nur bildlich darstellen, sondern Josse verkörpern bis ins kleinste Detail.
Berlinale 2023: „Sonne und Beton“ – Film Kritik
Vor allem im Alter von sieben Jahren einen Darsteller zu finden, der furchtlos an eine Rolle herangeht, welche schüchtern, liebevoll und aufbrausend zugleich ist und das chaotische Innenleben dem Publikum zu präsentieren, ohne dies immer verbal zeigen zu müssen, zeigt wahre Kunst.
Aber auch Devid Striesow und Laura Tonke ergänzen sich in der Rolle der Eltern, welche in ihren Charakteren unterschiedlicher nicht sein könnten. Einzig der erwachsene Josse, gespielt von Merlin Rose, fällt aus dem Raster, vielleicht weil Roses Gesicht zu sehr mit anderen tragischen Rollen assoziiert wird, welche er schon spielte. Vielleicht auch weil der letzte Abschnitt des Filmes von Sonja Heiss zu kurz kommt.
Leider wird man durch die Längen im Film, immer wieder rauskatapultiert
Doch so lang, wie der Titel von Heiss‘ Werk ist, so lang fühlt sich auch der Film zwischendurch immer wieder an. Das merkt man vor allem in Szenen, die recht willkürlich wirken und die der Handlung nichts neues hinzufügen oder von den Charakteren preisgeben. Eine straffere Handlung an einigen Stellen hätte dem Film an anderen Stellen mehr Spielraum gelassen, um vor allem dem letzten Kapitel mehr Fläche bieten zu können.
Auch verliert sich der Film im letzten Teil und kommt weg von seiner eigentlichen Hauptfigur und stellt statt Josse den Vater zu sehr in den Vordergrund. Aber auch in den anderen Kapiteln hätte sich eine klarere Struktur gelohnt. So hat der Film Zeit, diverse Spaziergänge über das Klinikgelände zu zeigen und die einzelnen Bewohner kurz abzulichten, spart es sich jedoch, Josse in noch mehr Momenten seines Lebens zu zeigen und ihn noch greifbarer zu machen.
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Die Bühne für Themen wie Depression ist gegeben, diese werden aber nicht weiter vertieft. Man kann sich in Heiss‘ Werk verlieren, zumindest für einen Augenblick, um dann durch seine Längen immer wieder rauskatapultiert zu werden.
Fazit: Bittersüß, denn die Geschichte ist da und die liebevollen Figuren, gespielt von einem fantastischen Cast, ebenfalls. Vielleicht hätte hier etwas mehr Einfluss des Autors der Buchvorlage gutgetan. So ist Heiss, Romanverfilmung am Ende trotzdem ein wunderbar erwachsenes Werk, was auch wieder einmal beweist, dass gewisse Themen bei Kindern ruhig schon aufgegriffen werden können.
Film Bewertung: 7 / 10
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