SPRINGSTEEN: DELIVER ME FROM NOWHERE

Inhalt: Im Jahr 1982 arbeitet Bruce Springsteen-im Film verkörpert von Jeremy Allen White – an seinem wohl radikalsten Album: „Nebraska“. In einer Phase innerer Zerrissenheit, in der ihn der eigene Ruhm zunehmend zu erdrücken droht, entscheidet er sich bewusst gegen das Tonstudio. Stattdessen zieht er sich in die Abgeschiedenheit seines Schlafzimmers zurück. Dort entstehen keine mitreißenden Rockhymnen, sondern düstere, zerbrechliche Songs-Geschichten von Schuld, Verlorenheit und Gewalt, aufgenommen auf einem einfachen Vierspurgerät. SPRINGSTEEN: DELIVER ME FROM NOWHERE zeichnet ein intimes Porträt eines zerrissenen Künstlers, der mit inneren Dämonen ringt und dabei unbeabsichtigt ein Meisterwerk der Musikgeschichte schafft.

© 20th Century Studios

Zwischen Dunkelheit und Wiedergeburt

Mit Nebraska veröffentlichte Bruce Springsteen 1982 eines der ungewöhnlichsten Alben seiner Karriere. Es ist ein düsteres, introspektives Werk voller Schmerz, Selbstzweifeln und existenzieller Leere. Springsteen: Deliver Me From Nowhere rekonstruiert diese entscheidende Lebensphase des Musikers und zeichnet ein intimes Porträt des Künstlers, das ihn nicht nur als Kultfigur, sondern auch als Menschen präsentiert.

Regisseur Scott Cooper (Crazy Heart, Hostiles) inszeniert die Geschichte hinter Nebraska als eine Reise zwischen Trauer, Schuld und Erlösung. Das Ergebnis ist eine ruhige, melancholische Filmbiografie, die sich weniger auf Rock ‚n‘ Roll-Pathos als vielmehr auf die inneren Konflikte des Mannes hinter dem Mythos konzentriert. Cooper beginnt sein Drama mit einer eindrucksvollen Schwarz-Weiß-Rückblende in die 1950er Jahre. Der junge Bruce (Matthew Anthony Pellicano) erlebt die destruktive Alkoholabhängigkeit seines Vaters Dutch (Stephen Graham). Ein Trauma, das sein Leben und sein Schaffen prägen wird.

Von dort springt der Film zur letzten Nacht der „The River“-Tournee im Jahr 1981. Der erwachsene Bruce (Jeremy Allen White) steht auf der Bühne, feiert einen Triumph, den er selbst kaum ertragen und begreifen kann, und flüchtet sich dann in die Einsamkeit eines Hauses in Colts Neck, New Jersey. Dort läuft Terrence Malicks „Badlands“ in Dauerschleife, während sich Depressionen und Selbsthass ausbreiten.

Jeremy Strong als Jon Landau in 20th Century Studios' SPRINGSTEEN: DELIVER ME FROM NOWHERE.
Jeremy Strong als Jon Landau in SPRINGSTEEN: DELIVER ME FROM NOWHERE. Foto courtesy of 20th Century Studios. © 2025 20th Century Studios. All Rights Reserved.

Wenn Musik zur Therapie wird

Cooper gelingt es hier ein überzeugendes psychologisches Porträt eines Künstlers zu zeichnen, der zwischen ekstatischer Bühnen-Energie und erdrückender Stille gefangen ist. Doch genau wie sein Protagonist braucht auch der Film seine Zeit, um den richtigen Rhythmus zu finden. Im ersten Drittel wiederholen sich einige Motive: Produzent Jon Landau (Jeremy Strong) verweist wiederholt auf Bruces „zutiefst persönliches Projekt“, während wir längst erkannt haben, dass hier mehr als nur Musik entsteht: es ist eine seelische Beichte.

Aber erst als das berühmte TEAC 144 Vierspur- „Portastudio“ und der „Echoplex“ ins Spiel kommen, findet der Film seinen eigentlichen Takt. Der Moment, in dem Springsteen beginnt, allein in seinem Schlafzimmer aufzuzeichnen, markiert einen Wendepunkt. Und zwar für den Film und für den Mann, der seinen Schmerz in Akkorde übersetzt. Jeremy Allen White (The Bear) liefert die bisher beste Leistung seiner Karriere. Sein Bruce ist kein Idol, kein Entertainer, sondern ein rastloser Mensch, der versucht, sich selbst zu verstehen. Er hat zwar kaum Ähnlichkeit mit dem echten Springsteen, aber er fängt seinen Charakter ein: verletzlich, introvertiert, wachsam.

Wenn er dann die ersten Töne von „Atlantic City“ anstimmt, fühlt es sich nicht wie ein Proberaum-Moment an, sondern wie ein Stoßgebet. White singt nicht, um zu beeindrucken, er singt, um zu überleben. So bleiben die Nebenfiguren bewusst im Hintergrund: Odessa Young als Faye ist weniger eine Liebesbeziehung als vielmehr ein Symbol für Springsteens Unfähigkeit, Nähe zuzulassen. Als moralischer Anker bleibt noch Landau. Alles andere tritt hinter Whites unbändiger Intensität deutlich in den Hintergrund.

Jeremy Allen White als Bruce Springsteen in SPRINGSTEEN: DELIVER ME FROM NOWHERE
(L-R) Jeremy Allen White als Bruce Springsteen in SPRINGSTEEN: DELIVER ME FROM NOWHERE. Foto von Macall Polay. © 2025 20th Century Studios. All Rights Reserved

Der Klang von Nebraska

Visuell ist der Film sehr gut umgesetzt. Kameramann Masanaobu Takayanagi (Silver Linings) taucht die Szenen in gedämpftes, anfangs gräuliches Licht, das jede Farbe zu absorbieren scheint , so wie eine Depression selbst. Die Szenerie wirkt dadurch verlassen, aber niemals leblos.

Und auch die Musik klingt immer wieder nach, so wie Springsteens Originalaufnahmen, die ursprünglich nur als Demos vorgesehen waren, dann aber dank ihrer emotionalen Wucht unverfälscht veröffentlicht wurden. Damit fängt Cooper den wahren Kern von Nebraska perfekt ein: den Mut, die Wahrheit im Stillen ausfindig zu machen. Springsteen: Deliver Me From Nowhere ist keine typische Musik-Biografie. Es ist eine Auseinandersetzung mit dem Versuch, in einer hektischen Welt Frieden zu finden.

Fazit: Scott Cooper verneigt sich nicht vor der Musikikone, sondern enthüllt den Menschen unter der Oberfläche. Jeremy Allen White spielt ihn mit einer Verletzlichkeit, die man nicht ignorieren kann. Wie das Album erfordert auch der Film Geduld. Aber sobald er in Schwung kommt, erreicht er eine emotionale Authentizität, die in modernen Musikfilmen nur noch selten zu finden ist.

Film Bewertung 7 / 10