NOSFERATU FILMPLAKAT

Inhalt: Robert Eggers NOSFERATU – DER UNTOTE ist eine Geschichte von Obsession, deren alles verzehrende Leidenschaft unvorstellbares Grauen entfacht.

© Universal Studios

Eggers‘ Rückkehr zu einem Mythos

„Komm zu mir, erhöre meinen Ruf“, murmelt Ellen Hutter (Lily-Rose Depp) in Robert Eggers‘ beeindruckendem Gothic-Melodrama Nosferatu. Diese Worte richten sich nicht an ihren Ehemann Thomas (Nicholas Hoult), einen jungen Immobilienmakler, der geschäftlich in die zerklüfteten, unwirtlichen Karpaten reist. Stattdessen ruft Ellen den untoten Graf Orlok (Bill Skarsgård) herbei, dessen düstere Kräfte ihre Seele tief berührt haben – genauso wie seine Unterschrift die Verträge für ein neues Anwesen in Wisborg, Norddeutschland, besiegelt.

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Eggers folgt hier einem inneren Ruf, der ihn seit seiner Kindheit nicht losgelassen hat. Schon als Neunjähriger war er fasziniert von F.W. Murnaus Stummfilm-Meisterwerk Nosferatu: Eine Symphonie des Grauens (1922). Später adaptierte er den Stoff für ein Theaterstück und träumte ab 2015 von einer Neuinterpretation auf der großen Leinwand. Mit Nosferatu gelingt ihm nun eine Hommage, die die düsteren Schatten des Originals würdigt und dabei seine eigene unverkennbare Handschrift trägt.

Nicholas Hoult in NOSFERATU - DER UNTOTE
Nicholas Hoult in NOSFERATU – DER UNTOTE © Universal Pictures Germany

Ein moderner Klassiker mit historischen Wurzeln

Eggers’ Affinität für verschnörkelte, archaische Sprache ist auch hier präsent, was der Geschichte eine fast theatralische Tiefe verleiht. Die Figuren sprechen in akzentuiertem Englisch, das sich als eine düstere Kammerspiel-Version entpuppt. Gleichzeitig zeugt Eggers‘ Regie von einem beeindruckenden Sinn für das Unheimliche, den er in früheren Werken wie The Witch und The Lighthouse perfektioniert hat.

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Die Kameraführung von Jarin Blaschke fängt gespenstische Bilder ein, die im Mondlicht fast monochrom wirken. Die Nacherzählung bleibt der Vorlage treu: eine Geschichte von Verfall, Versuchung und Verderben, abgeleitet aus Bram Stokers Dracula. Doch Eggers vermeidet platte Kopien der ikonischen Szenen des Originals. Stattdessen setzt er auf subtile Schattenspiele und klaustrophobische Ästhetik, um eine eigene Vision zu schaffen.

In der Rolle des Grafen brilliert Bill Skarsgård mit einer Performance, die sowohl körperlich verstörend als auch emotional fesselnd ist. Seine Transformation in den bleichen, gebeugten Vampir ist nahezu vollständig. Mit einem verstörenden Schnurrbart und einer Stimme, die um eine Oktave abgesenkt wurde, erinnert er an Max Schrecks ikonische Darstellung, ohne sie zu imitieren. Skarsgård bringt eine rohe, beängstigende Energie auf die Leinwand, die Orlok zu einer glaubwürdigen Bedrohung macht.

Nicholas Hoult in Nosferatu (2024)
Foto von Aidan Monaghan – © 2023 FOCUS FEATURES LLC. ALL RIGHTS RESERVED.

Folkloristische Wurzeln und moderne Perspektiven

Eggers verankert seinen Film fest in den folkloristischen Ursprüngen des Vampirmythos. Nosferatu wird hier weniger als verführerischer Romantiker dargestellt, sondern als monströse, fast tierhafte Figur. Das Werk beleuchtet Themen wie Korruption, Verfall und die Angst vor einer unbekannten Seuche – eine Parallele, die in Zeiten nach der COVID-Pandemie beunruhigend aktuell wirkt. Eggers’ „Hammer-Studios-Horror“-Ansatz könnte das Publikum spalten.

Das sorgfältig gewählte Tempo, die dialogreichen Szenen und die romantisch inspirierte Optik sind bewusst kunstvoll, könnten jedoch manchen Zuschauer auf Distanz halten. Zudem erzählt Nosferatu eine Geschichte, die bereits oft adaptiert wurde, was ein gewisses Déjà-vu hervorruft. Doch Eggers bringt eine Überzeugung und Präzision mit, die jeder Szene (neues) Leben einhaucht. Wie man es von einer modernen Verfilmung erwarten würde (auch wenn sie den Schauplatz der 1830er Jahre beibehält), wird Ellen (Lily Rose Depp) in den Vordergrund gestellt. Werner Herzog hat das auch für Lucy in seiner beklemmenden Version von 1979 (Nosferatu – Phantom der Nacht) getan, aber Ellen wird hier mehr psychologische Tiefe verliehen.

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Neben ihrem Gatten Thomas in der traditionellen Rolle der „Jungfrau in Nöten“ und den Vampirjäger-Kollegen Friedrich Harding (Aaron Taylor-Johnson) und der Van Helsing-Figur Professor Albin Eberhart von Franz (Willem Dafoe), die sich als erfolglos erweisen, ist es Ellen, die um die Kontrolle des Geschehens kämpft. „Kontrolle“ ist das Stichwort: Orloks Besessenheit ist toxisch, und obwohl er Jahrhunderte überdauert haben dürfte, um Ellen zu finden, gibt es kaum etwas von der romantischen Stimmung, die zwischen Gary Oldmans Dracula und Winona Ryders Mina in Francis Ford Coppolas Film Bram Stoker’s Dracula von 1992 herrschte.

Willem Dafoe in Nosferatu (2024)
Foto von Aidan Monaghan – © 2023 FOCUS FEATURES LLC. ALL RIGHTS RESERVED.

Ein zeitloser Vampirfilm?

Wie schon Murnau gelingt Eggers ein zeitgemäßes Werk, das über die bloße Neuauflage hinausgeht. Nosferatu fühlt sich an wie eine Hommage und Weiterentwicklung zugleich – ein Film, der die Ästhetik des Originals ehrt und dennoch eine eigene, unverwechselbare Identität hat. Es scheint, dass die zentrale Idee von Nosferatu darin besteht, den Vampir aus seiner Glitzer-Teenie-Ära zu befreien und ihn zu seinen Folklore-Wurzeln zurückzubringen. Ob der Film den derzeitigen Boom des Horrorgenres an den Kinokassen fortführen kann, steht auf einem ganz anderen Blatt.

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Fazit: Trotz der altbekannten Handlungsstränge ist Eggers‘ Nacherzählung ein atmosphärisch gelungenes Werk, das durch seine schaurige Kammerspiel-Ästhetik und seine kraftvollen Darsteller glänzt. Mit Lily-Rose Depps intensiver Darstellung und Bill Skarsgårds furchteinflößender Energie gelingt eine fesselnde Neuinterpretation des klassischen Horrors.

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