Regie: David Lowery | Mit: Dev Patel, Alicia Vikander, Joel Edgerton, Sean Harris u.v.m.
USA / Irland 2020 | Länge: 125 Min. Kinostart: Seit 29.07.2021 im Kino | Im Verleih von TELEPOOL und im Vertrieb von 24 Bilder Film GmbH
Inhalt: Basierend auf der zeitlosen Artuslegende erzählt David Lowery (A GHOST STORY) in THE GREEN KNIGHT die abenteuerliche Geschichte des tollkühnen Sir Gawain (Dev Patel), Ritter der Tafelrunde.
Um sich vor seiner Familie, seinem Volk und letztlich auch sich selbst zu beweisen, begibt sich der Neffe König Artus‘ auf die Reise seines Lebens mit dem Ziel, sich der ultimativen Herausforderung zu stellen: dem sagenhaften Grünen Ritter, einem gigantischen, smaragdgrünhäutigen Fremden und Prüfer der Menschen.
THE GREEN KNIGHT ist eine fantastische Geschichte über Ehre, Liebe, Schicksal und die Suche nach sich selbst, bildgewaltig und poetisch inszeniert von Visionär David Lowery.
Film Kritik
Von Ilija Glavas
Es braucht nicht immer ein Schlachtenepos um eine Heldenreise zu erzählen
Regisseur David Lowery („A Ghost Story“) hat einen ungewöhnlichen Ansatz gewählt, um das Gedicht „Sir Gawain and the Green Knight“ aus dem 14. Jahrhundert zu adaptieren.
Seine magische (Anti-) Heldenreise fühlt sich so surreal und langsam an, als würde sie unter Wasser stattfinden – was sie an einer Stelle tatsächlich macht.
In einigen Passagen, ist das Erzählte dermaßen Entschleunigt, dass man befürchten muss, der Film würde jeden Augenblick rückwärts laufen.
Man muss sich einfach treiben lassen und geduldig sein, denn in den letzten etwa fünfzehn Minuten des Films wird alles in einem großen Finale Furioso zusammengeführt.
Wer blutige Schlachten, coole, schwertschwingende Kerle, Onliner und eine weitere Excalibur Story sucht – ist hier falsch.
Es ist (fast-) perfektes Indie – Arthouse Kino für Cineasten: ein spirituell-mystisches Erlebnis, dass man auf der großen Leinwand sehen sollte.
Der Film gewinnt an Format, wenn man seine Andeutungen im Nachhinein verarbeitet
„The Green Knight“ ist die Art von Film, die an Format gewinnt, wenn man ihn im Nachhinein im Kopf durchgeht und seine diffusen Andeutungen einen in ein tieferes Verständnis wickeln. Den absoluten Schauwert bietet die visuelle Vielfalt, die der Regisseur auf die Leinwand bringt.
Passend zu seinem mittelalterlichen Schauplatz verwendet Lowery den sich drehenden, jahreszeitlichen Hintergrund eines Puppenspiels, um den Ablauf eines Jahres zu veranschaulichen. Später werden 360-Grad-Kamerabewegungen, die diese Drehung widerspiegeln, dasselbe bedeuten.
Auch Kameramann Andrew Droz Palermo („A Ghost Story“) verwendet die Hell-Dunkel-Beleuchtung, wobei die Innenräume dunkel sind und die Außenaufnahmen die düsteren Grün- und Grautöne einer Dezemberlandschaft zeigen. Kleine Öffnungen hoch oben in den Steinwänden sorgen für gebündelte Lichtstrahlen, die später ( mit Camera Obscura Effekt-) Gawains Konterfei einfängt, und dabei auf magische Weise ins Spiel kommen.
Lowerys Adaption ändert einige Details (Morgan Le Fay war im Originalgedicht beispielsweise Gawains Tante, nicht seine Mutter) und fügt viele hinzu.
Mythos und Bildgewalt statt Blut
Alles ist ein Mythos. Alles ist ein Test mit einer Lektion. Es ist, als ob wir die Ursprünge der Metapher beobachten, eine Zeit, in der alles wirklich etwas anderes war.
Es ist eine raue Welt mit den Skeletten der toten Reisenden am Straßenrand. Doch allmählich, und zwar nicht, indem er sie schönredet, sondern indem er sie in ihrer ganzen Härte darstellt, zeigt Lowery den seltsamen Reiz dieser Zeit. Auf seiner Suche nach der grünen Kapelle und der Erfüllung seiner Pflicht erlebt Gawain Prüfungen und Halluzinationen und ist den Elementen ausgeliefert.
Doch die Idee dahinter ist, dass er nach diesen Strapazen ein veränderter Mensch sein wird und als solcher anerkannt.
Dies ist also eine Welt, die eine Abkürzung zur Erfüllung und Verwirklichung bietet. In den 1960er Jahren nahmen die Menschen LSD aus ähnlichen Gründen.
Die Mittel ändern sich, aber der menschliche Wunsch, die eigenen Grenzen zu überschreiten, scheint ewig zu bestehen. „The Green Knight“ macht sich Patels Fähigkeit zunutze, Bedrohungen zu erkennen und im richtigen Moment zu reagieren. Hier ist er von wenig anderem umgeben.
Alles, was er sieht, jeder, dem er begegnet, ist wie eine Kiste, die sich immer wieder öffnet, um neue Fallen und Herausforderungen zu enthüllen.
Oh, und die letzte halbe Stunde von „The Green Knight“ ist fast ein Stummfilm. Die Freiheit, die Lowery sich nimmt, ist umwerfend – und ermutigend. „The Green Knight“ ist künstlerisch gesehen vom Jupiter, nur dass seine wahre Quelle tief in der menschlichen Seele liegt.
Fazit: In „The Green Knight“ ist Sir Gawain zunächst ein junger Mann, der seinen Rausch ausschläft, gerne feiert und keine Geschichten zu erzählen hat. Der Ritter, den wir verlassen hat eine, die es wert ist, mehrmals erzählt zu werden. Und das trotz seines Erzähl Tempos, dessen Begriffsdefinition er nicht verdient hat.
Wertung 8 / 10
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