Die Fabelmans - Filmposter

Genre: Drama | Produktion: USA 2022 | Laufzeit: ca. 151 Minuten | Regie: Steven Spielberg

Mit: Paul Dano, Michelle Williams, Gabriel LaBelle, Mateo Zoryon Francis-DeFord, Seth Rogen, Judd Hirsch, Keeley Karsten, David Lynch u.a


Inhalt: Steven Spielbergs Erzählung über seine eigenen Jugendjahre beginnt mit Sammy Fabelman (Gabriel LaBelle) und seiner Familie, die ein scheinbar idyllisches Leben in New Jersey führen, bevor die Arbeit von Vater Burt (Paul Dano) sie quer durch Amerika führt. Als Sammy beginnt, sich für das Filmemachen zu begeistern, muss er feststellen, dass nicht alles so ist, wie es scheint.

© Universal Pictures International Germany

Der junge Steven Spielberg – oder zumindest sein Avatar Sammy Fabelman (Gabriel LaBelle) – lernt in diesem Film eine Menge. Und zwar über seine Eltern, über sich selbst, über Geheimnisse, über Lügen, über den Tod, über Kunst, über Antisemitismus, über lüsterne Teenie-Mädchen, über wilde Affen und natürlich über das Filmemachen.

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Nach einem prägenden Kinobesuch beginnt Sammy, zu Hause Filme zu drehen, und entdeckt schon bald, wie die Kamera Trost spenden, Spannung erzeugen und schockieren kann. Er lernt auch, was das Kino über die Menschen aussagt, wie es sie beflügeln, reflektieren oder zerstören kann. Vor allem aber lernt er, wie es uns die Realität vermitteln kann. Und wie es die Wahrheit beerdigen kann. „Du siehst mich wirklich“, sagt ihm seine Mutter Mitzi (Michelle Williams) in der wohl erschütterndsten Sequenz des Films.

Die Wahrheit und die Perspektive ist entscheidend in The Fabelmans, in dem uns der größte Künstler der Welt endlich hinter den Vorhang führt. Während er als junger Filmemacher heranwächst, kritisiert der junge Sammy (mit einer angemessen selbstsicheren und doch sensiblen Darstellung von LaBelle) sich selbst für einige nicht überzeugende Aufnahmen. „Fake“, sagt er. „Völlig unecht.“

Gabriel LaBelle als Sammy Fabelman in The Fabelmans
Gabriel LaBelle als Sammy Fabelman in The Fabelmans © Storyteller Distribution Co., LLC. All Rights Reserved.

Nichts in The Fabelmans fühlt sich unecht an, auch wenn der Regisseur (und Co-Autor, zusammen mit Tony Kushner) die Ereignisse hier und da vielleicht etwas ausschmückt. Mit diesem Film öffnet sich Spielberg wie nie zuvor und erzählt eine Geschichte, auf die er schon lange gewartet hat und für die er emotional endlich reif ist.

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Und er macht es mit Zärtlichkeit, mit einer achtsamen Kamera, mit langsamen Zooms, die uns immer stärker an die Menschen heranführt, sie immer näher bringt. Das Gesamtgefühl – und das sollte nicht schockieren, bei Spielberg – ist Empathie. Der Film ist eine sehr feinfühlige und sympathische Hommage an seine Eltern, und Spielberg macht seinen Frieden mit dem, was passiert ist, mit den Geschehnissen, die aus einem Jungen einen Mann gemacht haben.

Man hat das Gefühl, dass er seine Mutter und seinen Vater in Schutz nimmt und sie als zwei geplagte Menschen mit Ängsten, Wünschen, Hoffnungen und Träumen versteht, die einfach zu viel um die Ohren haben. Im Umkehrschluss hat man das Gefühl, dass die Darsteller den immer noch angeschlagenen Spielberg schützen, indem sie seine Familie (und ihn) mit spürbarer Menschlichkeit spielen.

(L-R) Burt Fabelman (Paul Dano), Mitzi Fabelman (Michelle Williams) and Bennie Loewy (Seth Rogen, mit dem Rücken zur Kamera) in The Fabelmans
(L-R) Burt Fabelman (Paul Dano), Mitzi Fabelman (Michelle Williams) and Bennie Loewy (Seth Rogen, mit dem Rücken zur Kamera) in The Fabelmans © Storyteller Distribution Co., LLC. All Rights Reserved.

Volle Punktzahl für Michelle Williams

In der Rolle von Sammys Vater Burt, einem Computeringenieur, hat Paul Dano das wohl traurigste Lächeln. Burts bester Freund Bennie, von der Familie geliebt, wird von Seth Rogen perfekt gespielt und strahlt vor Herzlichkeit. Judd Hirschs „Onkel Boris“, ein ehemaliger Löwenbändiger im Zirkus, der wie eine Ein-Mann-Wahrheits-Bombe in den Film einschlägt, strotzt nur so vor Charisma, ehe er sich ebenso kraftvoll verabschiedet.

Und dann ist da noch Michelle Williams, die, wie soll man es ausdrücken- die volle Punktzahl erhält. Mitzi – die einem Tornado hinterherjagt, die zufälligerweise einen Affen kauft – ist feinfühlig und hat dabei alles im Griff. Die Rolle – die sowohl alten Hollywood-Glamour als auch umwerfende Natürlichkeit ausstrahlt – ist mit Williams einfach perfekt besetzt.

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Bei ihrer Darstellung ist eine absichtliche Theatralik zu erkennen (Googelt mal nach Fotos von Spielbergs Mutter Leah Adler, dann seht ihr das selbe Funkeln in den Augen, den selben Enthusiasmus), aber Williams ist so ziemlich die Beste, wenn es darum geht, verlorene Seelen zu spielen. Und das ist hier eindeutig der Fall. Als klassische Konzertpianistin hat Mitzi ihre Karriere größtenteils aufgegeben, um ihre Kinder großzuziehen, und im Laufe des Films werden Risse sichtbar.

In einer frühen Nachtszene während eines Campingtrips mit der Familie tanzt sie in einem durchsichtigen Kleid im Licht der Scheinwerfer herum. Es ist ein magischer Moment, wunderschön vertont von John Williams, welcher Mitzi das gleiche erschütternde Gefühl der Ehrfurcht und des Entzückens gibt, das auch E.T. auszeichnete. Ihre Familie ist verunsichert, aber absolut verzaubert – und Spielberg lässt uns genau das Gleiche fühlen.

(L-R) Monica Sherwood (Chloe East) und Sammy Fabelman (Gabriel LaBelle) in The Fabelmans
(L-R) Monica Sherwood (Chloe East) und Sammy Fabelman (Gabriel LaBelle) in The Fabelmans © Storyteller Distribution Co., LLC. All Rights Reserved.

Es ist ein bittersüßes Meisterwerk an Lebensfreude

Trotz der oft aufwühlenden Episoden des Films ist eine verspielte und schelmische Leichtigkeit nie zu übersehen. Dies ist eindeutig kein Dokumentarfilm. Obwohl er fast komplett auf wahren Begebenheiten beruht, fühlt er sich oft ein wenig von der tatsächlichen Lebensgeschichte entfernt an.

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Nicht umsonst hat Spielberg seine Familie in Fabelmans umbenannt, und das Ganze hat einen gewissen Zauber. Aber so ist die Liebe eben. Sie ist charmant und witzig, wobei die sonnige Laune die Traurigkeit ausgleicht. Sie ist wie ein großes gebrochenes Herz, aber sie hat auch etwas sehr Schönes an sich. Lebensfreude.

Wenn man zuvor alles in ein Genre verpackt betrachtet hat, fühlt es sich leicht schockierend an, zu entdecken, woher einige der thematischen Elemente in Spielbergs Arbeiten stammen. Das gilt insbesondere für die zerrissenen Familiengeschichten, die sich durch „Unheimliche Begegnung“ und „E.T.“ ziehen, und deren Suche nach Verbundenheit von außerhalb.

(L-R) Sammy Fabelman (Gabriel LaBelle) and Uncle Boris (Judd Hirsch) in The Fabelmans
(L-R) Sammy Fabelman (Gabriel LaBelle) and Uncle Boris (Judd Hirsch) in The Fabelmans, © Storyteller Distribution Co., LLC. All Rights Reserved.

Gleichzeitig ist der Film aber auch das Ergebnis des gesamten Filmemachens, 50 Jahre Handwerk, die in der Geschichte seines Lebens gipfeln. Die letzte Einstellung macht es deutlich: Es geht nur um die Perspektive und die Sichtweise der Geschehnisse.

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In der Tat war er erst jetzt, da er auf die 80 zugeht, bereit, diesen Film zu realisieren und ihn auch noch so hervorragend zu gestalten. Es ist eine brillante, überwältigende Hommage an seine Mutter, seinen Vater, und an die Kino-Magie selbst. Das Ende ist großartig, und der Zuschauer wird begeistert sein.

Fazit: In zweieinhalb Stunden vergeht ein Jahrzehnt von Spielbergs eigenem Leben wie im Fluge. Eine Obduktion einer Ehe und eine Hommage an den Einfallsreichtum. Es ist ein bittersüßes Meisterwerk an Lebensfreude.

Film Bewertung: 10 / 10