Curveball erzählt die Geschichte, des Informanten des BND, der zur deuscthen Beteiligung im Irak Krieg resultierte

Regie/Drehbuch: Johannes Naber | Genre: Politsatire / Drama | Laufzeit: ca. 108 Minuten | Kinostart: 9. September 2021

Die Aufarbeitung der Ursachen des zweiten Irakkriegs scheint einen (absolut berechtigten) filmischen Trend zu unterlaufen. Vor zwei Jahren sah man das satirische Biopic Dick Cheneys „Vice“, letztes Jahr „Official Secrets“ und nun als deutscher Vertreter auch „Curveball“.

Diese Form der Kondolenz ist bitter nötig, in Anbetracht der bis zu 600.000 Toten (größtenteils Zivilisten) und umso erschreckender, welcher fadenscheinigen Argumentation der Kriegsbeginn folgte. Dass ein elementarer Begründungsbaustein auf einer Lüge gedieh, ist mehr als nur erschreckend; eigentlich kaum in Worte zu fassen. Dieses „Missverständnis“ thematisiert Johannes Nabers „Curveball – Wir machen die Wahrheit“.


Filmwelt Verleih Curveball Filmszene
©Filmwelt – Szenebild „Curveball“

Story: Dr. Wolf (Sebastian Blomberg) arbeitet in der Abteilung „Biowaffen“ für den Bundesnachrichtendienst (deutscher Geheimdienst, pendant zur CIA, MI6 etc.). Sein place to be ist der Irak, dort verbrachte er auch im Dienst einige Jahre seines Lebens plus einer romantischen Beziehung zur CIA Agentin Leslie (Virginia Kull). Wieder in Deutschland wird ihm der Auftrag erteilt, Informationen aus dem desertierten irakischen Asylbewerber und chemischen Ingenieur Rafid Alwan (Dar Salim) herauszubekommen.

Dieser hat impliziert, für Saddam Hussein an biologischen Waffen gearbeitet zu haben. Auf explizite Hinweise diesbezüglich zu stoßen wäre Gold Wert für die internationale Reputation des BND, weswegen Schatz (Thorsten Merten), Vorgesetzter Wolfs, großes Interesse an diesen Informationen hegt. Es gelingt schließlich auch herauszufinden, dass die Entwicklungsmechanismen für die Waffen portabel per LKW durch das ganze Land geführt werden.

Rafid wird dabei als Kronzeuge für die (angebliche) chemische Waffenführung Husseins sogar mit dem Aktentitel „Curveball“ betitelt. Doch wie sich herausstellt, war seine nicht die ganze Wahrheit, was weitreichende Konsequenzen nach sich zieht.


©Filmwelt – Szenebild „Curveball“

Film Kritik:
von Georg Reinke

Erschreckende Realität

Die Wahrheit löst sich auf und alle finden es normal“. Mit diesem Satz endet der Film und man mag eigentlich nicht glauben, dass er auf wahren Begebenheiten beruht. „Curveball“ wäre recht witzig, wenn die Groteske nicht so erschüttern würde.

Dass Menschenleben, Kriege und vor Allem die Wahrheit politischen Interessen, Wirtschaft und Macht unterstehen, sollte eigentlich den meisten kritischen Menschen bewusst sein. Doch dass die Lüge eines einzelnen Mannes und das mangelnde Eingestehen behördlicher Fehler eine Kriegserklärung stimulieren können, ist unglaublich.

Regierungen gestehen sich grundsätzlich selten bis nie Fehler ein, deswegen ist es umso wichtiger, dass es Menschen gab, die Insiderinformationen teilten, wie in diesem Fall Rafid Alwan (dessen Lüge gleichzeitig das Geschehen ins Rollen brachte).


©Filmwelt – Szenebild „Curveball“

Entzerrung des Guten

Filme wie „Curveball“ sind wichtig, damit kein verzerrtes Bild entsteht, wie man es in der Schule lernt, dass die Deutschen die „Guten“ während des Irakkriegs waren.

Besonders eindringlich und beängstigend ist es, dass kurz vor Abspann noch der Satz zu lesen ist „Der damalige Leiter des Kanzleramts ist heute Bundespräsident„, also einer der vielen, der die Vertuschung der Wahrheit befahl. Auch wird im Kontext des 11. Septembers von „Gerechtigkeit“ gesprochen, ironischerweise von George Bush jr., doch welche Gerechtigkeit widerfuhr jenen, die nicht aus Gerechtigkeit, sondern aus pathetischem Narzissmus handelten?


Curveball Filmszene
©Filmwelt – Szenebild „Curveball“

Zwischen Doku und Drama

„Curveball“ fängt die faktische Datenlage systematischer Konspirationen enorm gut ein. Gespickt mit realem Fernsehmaterial unterbricht der Film immer wieder das natürliche Distanzierungsangebot, welches Filme oft innehaben.

Man wird immer wieder daran erinnert, dass man historischen Fußspuren folgt. Die dramaturgischen Unterbrechungen wiederum sind leider auch die Schwachstellen des Films. Das Familienleben Wolfs möchte sich so gar nicht in die Narrative des Films einbetten, weder die Beziehung zu seiner Tochter noch die Liebschaft zu Leslie gestalten sich als notwendig oder sonderlich interessant.

Dabei spielt Blomberg seine Rolle als verklemmten, emotional verkrüppelten Wissenschaftler wahnsinnig unterhaltsam, sein gebrochenes Englisch trägt zur Auflockerung der morbiden Rahmenhandlung bei. Dar Salim, den man eventuell noch aus „Game of Thrones“ wiedererkennt, ist ebenfalls herausragend, seine Darbietungen im Wechsel zwischen lustig und dramatisch funktioniert wahnsinnig gut.


Das Film Team hinter „Curveball“ ©Filmwelt

Manchmal zu simpel

Visuell wird ein klaustrophobisch trostloses Ambiente durch kahle Räume und kalte Farben erzeugt. Die Musik nährt mit minimalistischen und trockenen Streicherklängen das generelle omnipräsente Unbehagen während der Sichtung. Man fühlt sich wie in einem Horrorfilm, was er irgendwie ja auch ist.

Der Spannungsbogen fällt zudem auch positiv ins Gesamtbild, es gibt trotz der zweistündigen Laufzeit so gut wie keine Längen. Hilfreich ist natürlich, wenn man die Materie noch nicht kennt. Allerdings hat etwas Biss gefehlt. So zynisch, rasant und gehässig Adam McKay bei „Vice“ inszeniert, so träge wirkt manchmal „Curveball“.

Hin und wieder schleicht sich eine gewisse Oberflächlichkeit ein, wünschenswert wäre mehr Mut hin zu weniger Simplizität gewesen. In seiner Gesamtheit mag das den Film linearer gemacht haben, doch dadurch macht sich er sich auch kleiner, als er eigentlich ist.


Filmszene aus Curveball
©Filmwelt

Fazit: Schonungslos entlarvend verlangt „Curveball“ von der ersten Minute an Vergeltung für politisch motivierte Intriganz und holt dabei in alle Richtungen aus. Keiner ist wirklich unschuldig, wenn er Systeme nicht kritisch hinterfragt. Dass jegliche objektive und wertfrei kontrollierende Instanz gegenüber global relevanten Entscheidungen fehlt, weiß der Film gut und vor Allem auch spannend zu beschreiben.

Den ein oder anderen dramaturgischen Fehlgriff kann man entschuldigen, wenn kurz vor dem Abspann noch ein letztes Mal abgerechnet wird. Etwas ausgeprägtere dokumentarischere Anteile hätten dem Film gut getan, dennoch wird der Zynismus und der Schrecken dadurch nicht geschmälert. Besonders aktuell wirkt der Film auch in Anbetracht von Fake News und fragwürdigen Entscheidungen und Aussagen in der globalen Politik. Hängen blieb vor allem die Aussage Leslies von der CIA: „We make the facts“. Wertung: 8/10