Genre: Historienfilm / Komödie / Drama | Produktion: USA 2022 | Laufzeit: ca. 188 Minuten
Regie: Damien Chazelle | Mit: Brad Pitt, Margot Robbie, Diego Calva, Lukas Haas, Jovan Adepo, Li Jun Li, Jean Smart, Flea, Eric Roberts, Tobey Maguire u.a
Inhalt: Der Filmassistent Manny Torres (Diego Calva) wird unter der Obhut des verblassenden Filmstars Jack Conrad (Brad Pitt) in den Wandel Hollywoods vom Stummfilm zum Tonfilm in den 1920er Jahren eingebunden. Währenddessen kämpft die widerspenstige Nellie LaRoy (Robbie) mit den Schattenseiten des Ruhmes.
Selten ist ein Film so gleichermaßen hochromantisch und so abstoßend wie Babylon. Damien Chazelles spürbar leidenschaftliche, gelegentlich geradezu überwältigende Ode an die epische Filmmagie der bahnbrechenden Studio-Ära zeigt mindestens vier Körperflüssigkeiten – von denen drei während der ambitionierten ersten 45 Minuten des Films schwungvoll über die Leinwand schwappen. Und wirft dabei mit grotesk gerahmten Sex-Akten um sich wie mit Süßigkeiten.
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Für jede Aufnahme einer einzelnen Träne, die über Margot Robbies stoisches Gesicht kullert, gibt es eine, die das explodierende Rektum eines Elefanten zeigt. Es ist ein viszeraler, hypnotisierender Balanceakt, der sich während der etwas mehr als dreistündigen Laufzeit des Films immer weiter zuspitzt.
Chazelle verschwendet keine Zeit, um das Tempo vorzugeben, und stürzt sich in einen ca. 35-minütigen Rundgang durch eine rauschende Hollywood-Party mit Tanzeinlagen, Live-Jazz und einer wahren Fundgrube an harten Drogen.
Babylon ist hypnotisch, rasant und schwindelerregend
Die aufstrebende Schauspielerin Nellie (Robbie) wurde von Branchenneuling Manny (Diego Calva) eingeschleust. Und der frischgebackene Single und Star-Schauspieler Jack (Brad Pitt) ist der Mann der Stunde. Es ist ein triumphales Bühnenstück, ein unerbittlich dynamisches Feuerwerk mit Robbie im Epizentrum, wie ein roter Brummkreisel mit unberechenbar, zappelnden Gliedmaßen. Man wird sich nicht mehr losreißen können.
Doch kaum hat sich der Staub gelegt, wirbelt er auch schon wieder auf, denn am nächsten Tag machen sich die drei auf den Weg zu einem riesigen, turbulenten Filmset in der Wüste: Nellie gibt ihr Debüt in einer Tanzszene, Jack holt Manny dazu, um bei einer großen Liebesszene am Rande eines Schlachtfelds zu helfen.
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Hier ist der Film am unterhaltsamsten, da Chazelle mit Freude jeden Winkel der Produktion erkundet, angefangen bei den verschwitzten und pulsierenden Schläfen der Regisseure, die an verschiedenen Teilen des Films arbeiten, bis hin zu den ausgedehnten Sandlandschaften, die mit ausgelaugten Statisten vollgepackt sind.
In der Rolle der Nellie ist Robbie beeindruckend und mit vollem Körpereinsatz dabei, egal ob sie mit einer (Gummi-) Klapperschlange konfrontiert wird oder auf einer Party der Oberschicht einen nonchalanten Rückzug antritt. Allerdings ist ihr Spektrum eindeutig auf Harley Quinn im Hollywood der 20er Jahre ausgerichtet – irre und überschwänglich -, so dass Nellies emotional anspruchsvollere Momente etwas zu kurz kommen.
Ein verwegenes Loblied über die Strahlkraft des Kinos
Unbeholfene Dialoge verstärken dieses Problem noch an anderer Stelle: Ein verbaler Zweikampf mit der brillanten Jean Smart als gestandene Klatschjournalistin und einem aus der Zeit gefallenen Jack verkommt zu einem kitschigen Gerede über Geister und Engel, sowie über die anhaltende Strahlkraft des Kinos.
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Chazelle geht davon aus, dass sein Publikum seine Besessenheit von der Bedeutung des Kinos teilt, aber es wird nie ganz klar, was das überhaupt sein soll. Als Manny mit dem zwielichtigen Verbrecherboss James (Tobey Maguire, in bester, gruseliger Form) auf die schiefe Bahn gerät, stellt der Film Randfiguren als abnormale Freaks dar, ohne den dazugehörigen festlichen oder komödiantischen Subtext.
Außerdem werden die Handlungen von Li-Jun Lis queerer Darstellerin und Jovan Adepos Studiomusiker, der zum Leinwandstar wird, von den eindringlichen Botschaften des Films über die Macht des Mediums „Film“ in den Schatten gestellt.
Hat Chazelle einen bemerkenswerten Film gemacht? Auf jeden Fall hat er einen unvergesslichen Film gedreht. Die Kulissen sind meisterhaft, der Humor bissig und dreist, das Ensemble selbst im Chaos souverän, und sein Filmschnitt stellenweise meisterhaft. Damien Chazelles Ehrgeiz ist unbestreitbar. Doch bei all dem Flair geht das, was der Film über das Kino sagen will, im Getöse unter.
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Fazit: Ein mutiges, formell verwegenes und doch chaotisches Loblied auf das Kino von einem der kreativsten Filmemacher der Gegenwart. Bravourös, schwindelerregend und verblüffend gleichermaßen. Achtung, Anschnallen!
Film Bewertung 7 / 10
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