Genre: Liebesfilm / Drama | Produktion: Frankreich 2021 | Laufzeit: ca: 105 Minuten| Regie: Jacques Audiard | Mit: Lucie Zhang, Makita Samba, Noémie Merlant, Jehnny Beth | FSK: Ab 16 Jahren
Inhalt: Drei junge Menschen – die Callcenter-Mitarbeiterin Émilie (Zhang), der Lehrer Camille (Samba) und die Studentin Nora (Merlant) – lernen sich in einer klaren, schwarz-weißen Perspektive von Paris durch die Umstände des Lebens, der Liebe und der Arbeit kennen. Während sich ihre Sexualleben verflechten, lernen sie, ihre Beziehungen zueinander, zu ihren Familien und zu sich selbst zu meistern.
Bei einem der vielen lockeren Gespräche über Sex und Begierde in Wo in Paris die Sonne aufgeht sagt der charismatische, selbstbewusste Lehrer Camille (Makita Samba) lapidar: „Wenn ich nicht heftig erregt bin, vergiss es. Anziehungskraft vergeht, also fang mit der höchsten Anziehungsstufe an“.
Ein Ansatz, der bei der immer noch verliebten Ex-Geliebten Émilie (Lucie Zhang) nicht besonders gut ankommt, trotz ihrer eigenen entspannten Einstellung zum Dating („Erst ficken, dann sehen“). Und ein Ansatz, den Regisseur Jacques Audiard in einem Film zu dekonstruieren scheint, der den Beginn der Beziehungen seiner Figuren weitgehend ausspart und sich mehr darauf konzentriert, wie sie anschließend miteinander umgehen.
Gehen wir, wie der Film es macht, zurück zu „Wie es begann“ – Émilie und Camille begegnen sich zum ersten Mal, als Camille ein Zimmer bei Émilie mietet, und aus der ersten Begegnung wird schnell Gelegenheitssex, der wiederum schnell zu unerwiderter Liebe wird.
Der Fokus liegt auf Atmosphäre anstatt Erzählung
An einem anderen Ort der Stadt kehrt Nora (Noémie Merlant) an die Universität zurück, um Jura zu studieren. Sie hat sich aus den Fängen einer mysteriösen früheren Beziehung befreit, ist aber immer noch in einer Art schüchterner sozialer Naivität gefangen, die es ihr schwer macht, Freunde zu finden und sich in die Gruppe der jüngeren Kommilitonen einzufügen.
Schließlich kollidieren diese drei Leben miteinander. Herzen werden gewonnen, gebrochen und wieder zusammengeführt. Auch wenn jede Figur ihre eigenen Handlungsstränge hat, mit denen sie sich auseinandersetzen muss – was manchmal ablenkend wirkt – ist Wo in Paris die Sonne aufgeht größtenteils mehr auf die Atmosphäre als auf die Erzählung ausgerichtet. Er springt in der Zeit umher, wobei jede Szene Schlüsselmomente in den Beziehungen von Nora, Camille und Émilie herausgreift.
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Diese Struktur macht Sinn, da der Film auf einer Reihe von Kurzgeschichten basiert. Allerdings ist nicht immer klar, wie viele Tage oder Wochen vergangen sind und wie sehr sich die Beziehungen der drei entwickelt haben, wodurch der Film etwas verwirrend wirken kann.
An „Wo in Paris die Sonne aufgeht“ gibt es viel zu entdecken
Die Aufnahmen von Nacktheit und Sex sind ziemlich ungezwungen und doch liebevoll, wobei Audiard von greifbaren Nahaufnahmen von Haut auf Haut bis hin zur Nacktheit in der Küche springt, bei der man den Blick nicht abwenden kann.
Dieser klassische Charakter des monotonen Bildmaterials steht in schönem Kontrast zu der sehr aktuellen Sensibilität des Drehbuchs, welches manchmal ein deprimierend genaues Bild des modernen Dating zeichnet und so präzise ist, wie man es von einem Autorenteam erwarten würde, zu dem auch Céline Sciamma von Porträt einer jungen Frau in Flammen gehört.
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Die Darsteller sind rundum solide: Samba beherrscht Camilles Angeberei, und Zhang hat genau das richtige Maß an Irritationen und Temperament, wobei die Geschichte um ihre Großmutter mit rührender Glaubwürdigkeit erzählt wird.
Insbesondere Merlant ist beeindruckend, indem sie Noras Mut und Unsicherheit perfekt ausbalanciert und sie zur komplettesten der drei Hauptfiguren macht.
An Wo in Paris die Sonne aufgeht gibt es viel zu entdecken: die natürliche Chemie, der Splitscreen und die surrealen Spielereien, der überraschende und doch befriedigende Schlag ins Gesicht. 105 Minuten lang mit diesen drei Menschen zusammen zu sein, ist eine ansprechende, erfreuliche Erfahrung.
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Aber die Versuche des Films, tiefere, dunklere Themen anzusprechen, bleiben größtenteils unerforscht. Wie auch Camilles anfänglicher Standpunkt zur Partnersuche kommt er nie ganz über die Oberfläche hinaus.
Fazit: Wo in Paris die Sonne aufgeht ist ein unterhaltsamer, wenn auch Vergessens werter Schnappschuss moderner Liebe und Beziehungen, der zwar pointiert geschrieben und wunderschön gefilmt ist, aber ein konfuses Tempo an den Tag legt. Film Bewertung 7 / 10