Inhalt: Als ein Priester unter mysteriösen Umständen ums Leben kommt, ist es wieder ein Fall für Benoit Blanc (Daniel Craig), der das rätselhafte Verbrechen aufklären muss.
Ein makabres Spiel aus Glauben, Moral und moderner Paranoia
Agatha Christie schrieb Dutzende von Poirot-Romanen. Arthur Conan Doyle verfasste über 60 Abenteuer für Sherlock Holmes. Rian Johnson hat mit Wake Up Dead Man gerade erst seinen dritten Benoit-Blanc-Fall realisiert. Doch schon jetzt fühlt sich die inoffizielle Trilogie, die er gemeinsam mit Daniel Craig entwickelt hat, wie eine der stimmigsten und fesselndsten Krimi-Trilogien der Gegenwart an. Jeder Film hat seine eigene Grundstimmung, seinen Stil, seinen eigenen Anstrich und immer steht der sprachgewandte Detektiv, der sich selbst gerne als „bloßen passiven Beobachter der Wahrheit“ bezeichnet, im Mittelpunkt.
Nach dem winterlichen Whodunit Knives Out und der glamourösen, sonnengetränkten Satire Glass Onion schlägt Wake Up Dead Man eine deutlich düsterere, morbide, makabre Richtung ein. Der Film spielt in der Kleinstadt Chimney Rock im Bundesstaat New York. Das gothic- artige Titelbild lässt bereits einen Film vermuten, der sich intensiv mit Moral, Glauben und den aktuellen kulturellen Konflikten auseinandersetzt. Johnson nutzt diese Kulisse, um eine spannende Kriminalgeschichte mit pointierten sozialen Kommentaren zu verbinden, und zwar nicht auf belehrende Weise, sondern mit viel Rhythmus, Humor und Präzision.
Wie gewohnt ist Daniel Craig das einzige zurückkehrende Ensemble-Mitglied. Um ihn herum baut Johnson eine neue, hochkarätige Figuren-Gruppe auf, die alle ihre eigenen Motive und Schattenseiten haben. Im Mittelpunkt steht Josh O’Connor als junger Priester Jud Duplenticy, der sich selbst als „jung, dumm und erfüllt von Christus“ beschreibt. Zwar ist seine Vergangenheit von Gewalt geprägt, doch sein weiches Herz und sein Idealismus machen ihn verletzlich.
Das Mordopfer ist sein älterer Priesterkollege und moralisches Gegenstück: Monsignore Jefferson Wicks, gespielt von Josh Brolin. Wicks ist konservativ, temperamentvoll, ein strenger Mann und mit seiner Doppelmoral auch ein schwieriger Mensch. Genau diese Anspannung zwischen Glauben, Macht und menschlichen Widersprüchen ist der Dreh- und Angelpunkt des aktuellen Falls.

Ein Ensemble voller Geheimnisse, ein Kriminalfall voller Wendungen und ein Detektiv in Hochform
Die Dorfgemeinschaft rund um Jud und Wicks besteht aus einem bunten Mix von Charakteren: Glenn Close als gläubige Frau, Kerry Washington als erfahrene Anwältin, Andrew Scott als gescheiterter Schriftsteller, Cailee Spaeny als gehbehinderte Cellistin, Daryl McCormack als opportunistischer Politiker und Jeremy Renner als trinkfreudiger Dorfarzt. Johnson nutzt diese Charaktere mit Bedacht. In Geständnissen, Gesprächen und flüchtigen Beobachtungen entfaltet er ein Puzzle aus persönlichen Konflikten, persönlichen Schicksalsschlägen und moralischen Grauzonen.
Ein Grossteil der Besetzung agiert zwar auf einer eher überschaubaren Ebene, was einige Fans sicherlich überraschen wird. Doch der Fokus auf Jud als emotionale Hauptfigur ist eine kluge Entscheidung. O’Connor gelingt es eindrucksvoll den Spagat zwischen innerer Zerrissenheit, Verunsicherung und echter Herzlichkeit zu meistern. Eine Szene, die mit humoristischer Leichtigkeit beginnt und dann eine rührende Wendung nimmt, gehört zu den stärksten Momenten des Films.
Rian Johnson bringt seine Erfahrungen als ehemaliger Kirchgänger sichtbar in den Film ein. Seine Darstellung religiöser Praktiken ist durchaus kritisch, aber auch respektvoll. Er stellt Glaubensformen dar, die von extremen politischen Strömungen ausgenutzt werden, und kontrastiert sie mit spirituellen Gepflogenheiten wie Vergebung, Gemeinschaft und Mitgefühl. Das Gleiche gilt für seinen Humor, der immer wieder auf religiöse Rituale, Bilder und Symbole zurückgreift, ohne sie jedoch ins Lächerliche zu ziehen.

Gothic-Elemente, gesellschaftskritisch und voller erzählerischer Feinheiten
Benoit Blanc selbst durchläuft eine subtile Persönlichkeitsentwicklung. Er bleibt ein Heretiker im besten Sinne des Wortes: rational, höflich, neugierig und niemals bereit, sich von irgendwelchen Mystifizierungen blenden zu lassen. Craig wächst immer mehr in diese Rolle hinein. Mit seinem Südstaatenakzent, seiner eleganten Ausdrucksweise und seinem charmanten Humor ist und bleibt Blanc eine unverkennbare Figur. Was die Ermittlungen angeht, bleibt Johnson verspielt und präzise.
Die Struktur ist weniger meta als in Glass Onion, aber klar konstruiert und höchst überzeugend. Blanc stützt seine Ermittlungen explizit auf John Dickson Carrs legendären Krimi The Hollow Man, was nicht nur eine Anspielung für Genre-Kenner ist, sondern auch ein dramaturgisch cleverer Baustein. Und wieder einmal lässt Johnson Raum für Komik, ohne die Ernsthaftigkeit der Themen aus den Augen zu verlieren. Die Mischung aus schwarzem Humor, makabrer Ästhetik und politischem Scharfsinn ergibt einen originellen, zeitgemäßen Beitrag zur Krimi-Tradition.
Fazit: Wake Up Dead Man ist ein weiterer starker Benoit-Blanc-Krimi. Intelligent, makaber, stilvoll und mit einem Ensemble voller Nuancen. O’Connor brilliert als junger Priester, Craig festigt seinen Status als ikonischer Filmdetektiv, und Johnson kombiniert Humor, Glaube, Moral und gesellschaftliche Paranoia zu einem fesselnden Puzzle. Ein Krimi, der Spaß am Genre vermittelt. Benny B. darf gern weitermachen.
Film Bewertung 8 / 10





