COMPANY MEN

Inhalt: Bobby Walker (Ben Affleck) lebt den sprichwörtlichen amerikanischen Traum: guter Job, liebevolle Frau, zwei sympathische Kids, ein schönes großes Haus, zwei Autos in der Garage – aber dann plötzlich das Undenkbare: Sparmaßnahmen in der Firma, Entlassung von einem Tag auf den anderen. Genauso ergeht es seinen älteren Kollegen Phil Woodward (Chris Cooper) und Gene McClary (Tommy Lee Jones).

Zuerst wollen sie es nicht wirklich wahrhaben, aber dann müssen sie schmerzhaft lernen, mit Niederlagen umzugehen, sich selbst und anderen auch Schwäche und Unsicherheit einzugestehen, und letztlich ihr Leben als Männer, Ehegatten und Väter neu zu organisieren.

© Wild Bunch Germany

Ein fantastischer Cast, eine mächtige Produktionsfirma und ein Thema, das in diesem Jahrhundert bis auf weiteres extrem relevant bleiben wird. Obwohl bei „The Company Men“ von 2011 eigentlich alle Voraussetzungen passen, taucht der Film in so gut wie keinem Spitzen-Ranking auf. Zu Unrecht, wie wir in Teil 5 unserer Reihe „Verkannte Perlen“ klarstellen möchten. 

Ob es an Hauptdarsteller Ben Affleck lag? Der Mann wird ja Zeit seines Schaffens von einer großen Skeptiker-Gemeinde extrem kritisch beäugt. Hier und da machte man sich sogar über seine Schauspielkünste lustig. Nur ein möglicher Erklärungsansatz, warum „The Company Men“ mit 68 Prozent auf rottentomatoes und nur 8,1 Millionen US-Dollar Einspielergebnis bei 15 Millionen Budget nicht den Erfolg erzielte, der ihm eigentlich gebührt. 

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Den jung-dynamischen Salesmanager Bobby Walker gibt Affleck in „The Company Men“ nämlich durchaus überzeugend – wenn es auch eine Rolle ist, die ihm auf den Leib geschneidert scheint. Ein Typ, der morgens vor dem Büro noch eben neun Loch Golf spielt und vor den Kollegen gockelhaft den Abschlag noch einmal nachstellt, bevor er sich an den Meeting-Tisch setzt.

Ein Typ, der in Zeiten von Existenzängsten und Jobsuche lieber Schulden aufnehmen würde, als seinen schicken Sportwagen abzugeben. Für ihn ein völlig logischer Ansatz, denn er ist überzeugt, dass man in erster Linie erfolgreich aussehen muss, um dann auch erfolgreich zu sein. 

Chris Cooper in Company Men
Chris Cooper in Company Men © Wild Bunch Germany

Kapitalismus-Kritik angenehm subtil 

Damit sind wir schon beim Plot, denn das vermeintliche Industrie-Drama wird schon in seinen ersten Takten eher zum Arbeitslosigkeits-Drama. Strategische Winkelzüge in ledergarniturten Eckbüros stehen weniger im Vordergrund als die persönlichen Schicksale von Menschen, die nicht wissen, wie es weitergehen soll.  

Jeder, der selbst schonmal in einer solch ungewissen Situation war, kann mitfühlen mit den drei Hauptfiguren, gespielt von Affleck, Chris Cooper und Tommy Lee Jones. Sie verkörpern drei Manager, altersgerecht an drei unterschiedlichen Positionen in der Hierarchie des fiktiven Konzerns, in dem CEO James Salinger (Craig T. Nelson) unbedingt ein paar hundert Stellen reduzieren muss, um die Aktionäre zu befriedigen. 

Angenehm subtile Kritik äußert der Film sehr früh auf der Bilderebene. Dann nämlich, wenn man sieht, welch protzige Eigenheime an der pittoresken US-Ostküste sich die Betriebswirte gegönnt haben, obwohl sie dort keineswegs Großfamilien unterbringen müssen. Wie man weiß, ist es im El Dorado des Kapitalismus üblich, dass der komplette Lebensstandard sich stets parallel zum Aufstieg auf der sozialen und finanziellen Leiter weiterentwickeln muss.

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Der Kauf eines Hauses, das objektiv allen Bedürfnissen entspricht, ist jenseits des Atlantiks (und wohl in manchen Kreisen auch diesseits) kein Lebensprojekt mehr, sondern eher eine Art Leasing-Prozess. Nicht umsonst spricht man, wenn man junge Grundbesitzer meint, wie selbstverständlich von „First Home Buyers“ – was impliziert, dass da noch einiges kommen wird.  

Unsere drei Protagonisten bekommen jedenfalls der Reihe nach ihre Koffer vor die Tür gestellt. Im Falle von Gene McClary (Jones) führt dies in erster Linie zu einer persönlichen Sinnkrise. McClary ist eher im Herbst seiner Laufbahn, saß neben Salinger im Vorstand, doch hat sich zu oft kritisch gegenüber der aktionärsorientierten Firmenpolitik geäußert und wurde deshalb zum Problem.

Finanziell hat er ausgesorgt, zumal ihm seine Anteile auch noch vergoldet werden. Allerdings stellen sich Fragen nach einer Aufgabe im Leben und mit der neuen Freizeit wird zunehmend ersichtlich, dass seine Ehe eigentlich nur noch auf dem Papier existiert.  

Persönliche Schicksale und wirtschaftliche Existenzängste 

Deutlich handfester sind die Probleme bei Afflecks Bobby Walker. Er hatte erst noch vor, die Leiter nach oben zu klettern, hat noch Jahrzehnte bis zum Ruhestand vor sich und diverse Verbindlichkeiten zu bedienen. Kommt er anfangs noch mit einer gewissen Überheblichkeit ins verordnete Job-Coaching, so bröckelt sein Selbstbewusstsein zunehmend, je länger die Arbeitssuche andauert. Bobby und seine Frau Maggie (Rosemarie DeWitt) müssen gewaltig rechnen.

Gegen seinen Willen setzt sie sich durch und nimmt ihren Job als Krankenschwester wieder auf, damit wenigstens ein paar Dollars in die Kasse kommen. Für Bobbys Selbstverständnis ist eine erwerbstätige Ehefrau ebenso ein Stich ins Herz wie der Verlust von Statussymbolen. Golfspielen, Sportwagenfahren und der Ehefrau ein Leben zuhause zu ermöglichen, sind für ihn die Beweise, es im Leben zu etwas gebracht zu haben. Alles andere sind persönliche Niederlagen. Doch nachdem die Walkers mit den zwei Kindern schweren Herzens sogar wieder bei Bobbys Eltern eingezogen sind, ist die Talsohle immer noch nicht erreicht.

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Wenn Bobby für ein Bewerbungsgespräch extra von Boston nach Chicago fliegt, sich in aller Herrgottsfrühe den Wecker stellt, im eilig gebuchten Motel Zimmer sein Hemd bügelt und noch ein paar Situps macht – dann sollte auch der leidenschaftlichste Affleck-Hasser einen Kloß im Hals bekommen, als er beim potentiellen neuen Arbeitgeber freundlich hinauskomplimentiert wird mit der Entschuldigung, sein Ansprechpartner habe den Termin wohl vergessen und sei verreist.  

Auftritt Kevin Costner, der als Bobbys ungeliebter Schwager Jack Dolan für manche Zuschauer ein wenig over the top rüberkommen mag. Jack repräsentiert die Arbeiterklasse und schimpft von der ersten Sekunde seiner Screen Time an ununterbrochen über die Welt, in der sich Bobby bislang so wohl fühlte. Als Inhaber eines Handwerksbetriebs gibt er seinem Schwager schließlich vorübergehend eine Beschäftigung, obwohl dieser zwei linke Hände hat und sich lange dagegen gewehrt hat, sich diese Blöße zu geben.  

(L-R) Tommy Lee Jones und Ben Affleck
(L-R) Tommy Lee Jones und Ben Affleck in Company Men © Wild Bunch Germany

Was sollen die Nachbarn sagen? 

Hier ist zum einen schön zu sehen, wie es Bobby und auch seiner ganzen Familie wieder Auftrieb gibt, dass er endlich wieder eine Tätigkeit hat, bei der er abends auf das geleistete zurückblicken kann – auch wenn er keine Maßanzüge trägt und Millionen verschiebt. Zum anderen bekommen wir eine der tollsten Szenen des Films, wenn Jack Bobby ohne viel Aufhebens offenbart, dass er bei einigen Projekten Verlust macht und gelegentliche (eigene!) unbezahlte Überstunden für ihn normal sind, damit er sein Geschäft am Laufen halten und seine Angestellten bezahlen kann.

Es muss nicht ausgesprochen werden, welche Gedanken Bobby in diesem Moment durch den Kopf gehen und wie er diese Aussage ins Verhältnis zu seinem vorherigen Arbeitgeber setzt. Insgesamt bietet der Film also zwei unterschiedliche Perspektiven auf dasselbe Phänomen. Unternehmen wurden von Menschen aufgebaut, um diesen ein Leben zu ermöglichen. Im festen Entschluss, ihr bestes zu geben, machten diese Menschen ihr Unternehmen erfolgreich und sie expandierten.

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Die Globalisierung und die Öffnung des Kapitalmarktes schufen noch einmal ganz neue Möglichkeiten für die Expansion. Doch gab es irgendwann in dieser scheinbar wunderbaren Entwicklung den Punkt, an dem das Wachstum der Unternehmen zum Selbstzweck wurde und diese nicht länger sind, was sie waren: Die berufliche Heimat ihrer Angestellten. Stattdessen werden die Angestellten behandelt, wie Kapital: Bei Bedarf wahlweise transferiert oder abgestoßen.  

Während McClary dies mit der ureigenen Schwermütigkeit, die nur Tommy Lee Jones ausdrücken kann, aus der Meta-Ebene betrachtet und sich weigert, das scheinbar unabwendbare hinzunehmen, ist Walker unmittelbar betroffen und der Zuschauer leidet mit ihm und seiner Familie. Gleichzeitig hinterfragt Bobby Walker, der eigentlich fest entschlossen war, ein „Comapny Man“ zu sein, diesen Lebensentwurf und denkt darüber nach, worauf es im Leben wirklich ankommt.

Diese ganzheitliche Behandlung einer viel zu selten diskutierten sozialen und wirtschaftlichen Frage unserer Zeit – ohne allzu viel Exposition, ohne belehrenden Ton – ist ein großes Verdienst dieses Films.  

Craig T. Nelson in Company Men
Craig T. Nelson in Company Men © Wild Bunch Germany

Schließlich müssen wir noch über Chris Cooper sprechen. Obwohl er im Trio mit Affleck und Jones der wohl am wenigsten prominente ist, entpuppt er sich – wie schon bei seiner herausragenden Performance in „American Beauty“ – einmal mehr als Scenestealer. Sein Charakter Phil Woodward hat sich vom einfachen Schweißer in einer Werft über Jahrzehnte zu einer veritablen Führungsposition im mittleren Management hochgearbeitet.

Nach seiner Entlassung ächzt er vor allem unter dem sozialen Druck, wenn er auch nicht die finanziellen Nöte von Walker zu haben scheint. Diesen trifft er beim firmenfinanzierten Jobcoaching wieder. Dort werden ihm keine guten Aussichten auf dem Arbeitsmarkt vorhergesagt.

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Man empfiehlt ihm, das Rauchen aufzugeben und sich die grauen Haare zu färben. Diese Demütigung muss er ebenso ertragen wie jene seiner Ehefrau, die von ihm verlangt, jeden Morgen mit der Aktentasche aus dem Haus zu gehen und nicht vor dem Abend wieder zu kommen – was würden sonst die Nachbarn sagen?  

Regisseur John Wells hat sonst kaum noch einen nennenswerten Film vorzuweisen, doch hier hat er ein Meisterwerk abgeliefert. Mit 109 Minuten trotz der vielschichtigen Inhalte und der Menge an Klasse-Schauspielern noch angenehm knackig und zu keiner Zeit ermüdend. Höchste Zeit, dass noch mehr Menschen davon Kenntnis nehmen.