Genre: Mystery/Krimi | Produktion: USA 2021 | Laufzeit: ca. 134 Minuten | Regie: Kenneth Branagh
Mit: Kenneth Branagh, Gal Gadot, Anette Bening, Emma Mackey, Armie Hammer, Russel Brand, Ali Fazal u.s
Inhalt: Ägypten, 1937. Der berühmte Detektiv Hercule Poirot (Branagh) ist zu einer Hochzeitsfeier auf dem Nil eingeladen, die durch die ehemalige Geliebte (Mackey) des Bräutigams (Hammer) gestört wird. Als dann ein Mörder zuschlägt, ist es an Poirot, das Mysterium zu lösen.
Hollywood ist so besessen von Ursprungsgeschichten, dass selbst Geschichten, die ursprünglich keine waren, zu Ursprungsgeschichten werden.
Das ist zumindest bei Tod auf dem Nil der Fall, der von Regisseur Kenneth Branagh und Drehbuchautor Michael Green überarbeiteten Fortsetzung ihrer hochglanzpolierten, aber leblosen Agatha-Christie-Verfilmung Mord im Orient-Express von 2017. Doch bevor der Film in London startet, sehen wir einen Schwarz-Weiß-Prolog, der in den Schützengräben des Ersten Weltkriegs im belgischen Osten spielt.
Hier treffen wir den jungen Poirot (Branagh, ganz in CGI-Optik) und seine große Liebe (Susannah Fielding, auch bekannt als Jennie, um zu erfahren, warum und wie er sich seine prächtige Gesichtsbehaarung zugelegt hat. Richtig gelesen, wir bekommen die Ursprungsgeschichte des Schnurrbartes zu sehen.
Ecken und Kanten werden durch schlechte Effekte ersetzt
Bei einem ortsabhängigen Mordfall, bei dem es 30 Minuten dauert, bis man auf dem Nil ist, und eine Stunde, bis der erste Todesfall eintritt, wirkt das ein klein wenig erzählerisch übertrieben.
Doch Green und Branagh haben einen guten Grund: Sie wollen uns Poirot etwas näher bringen und unter der eitlen, pingeligen, an Zwangsstörungen leidenden Oberfläche buddeln. Das Ergebnis ist, dass Tod auf dem Nil sich viel persönlicher anfühlt als Orient Express und dabei mehr auf dem Spiel steht. Das macht sich bezahlt und macht diesen Beitrag zum PCU (Poirot Cinematic Universe) wesentlich zufriedenstellender und einnehmender als seinen Vorgänger.
Und Branagh scheint sich in der Rolle auch wohler zu fühlen. Es ist durchaus verständlich, dass er der Beste im Starensemble ist. Unabhängig davon, ob er mit seinen schroffen Fragen French, Saunders oder Annette Bening auf die Palme bringt oder ihnen auf liebenswerte Weise seine unerwartete, neu entdeckte Vorliebe für „bluesige“ Musik gesteht. Die Ecken und Kanten, die er in Orient Express gezeigt hat, sind mittlerweile abgeflacht, was eine willkommene Entwicklung der Figur ist.
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Es ist jedoch enttäuschend, dass die Kulisse nicht die Glaubwürdigkeit und Anziehungskraft unseres Spürhundes besitzt. Zu keinem Zeitpunkt hat man das Gefühl, wirklich in Ägypten zu sein, schon gar nicht an so ikonischen Touristenspots wie den Pyramiden von Gizeh und dem antiken Tempel von Abu Simbel. Die virtuelle Kamera von Branagh gleitet zu oft über digitale Landschaften, die unter einer Patina von zu knackigem, zu hellem, goldfarbenem Glanz leiden.
Das gesamte Ensemble ist ein buntes Sammelsurium an unpassenden (sofern man den Film in der Original Version anschaut) Akzenten: Rose Leslie als Französin, Bening als Britin, Jennifer Saunders als Amerikanerin und Russell Brand gibt sich vornehm.
„Tod auf dem Nil“ ist ein Opfer seiner Umstände
Gal Gadot darf als Hauptdarstellerin Linnet Ridgeway zwar ihren eigenen Akzent beibehalten, aber in einer Rolle, die mehr auf Glamour als auf Tiefe setzt, geht sie kaum aus sich heraus.
Beeindruckenden Schauspielern wie Letitia Wright und Sophie Okonedo fehlt es an Leinwandzeit, um wirklich zu glänzen. Die unglückliche Besetzung von Armie Hammer in der Schlüsselrolle des Simon Doyle – einem Drittel einer brisanten Dreiecksbeziehung – stellt sich als unangenehme und störende Erscheinung heraus. Das gilt vor allem für die Eröffnungsszene, wo er eine feurige Tanzszene mit Emma Mackey, seiner Geliebten Jacqueline de Bellefort, hinlegt.
In gewisser Weise ist „Tod auf dem Nil“ ein Opfer seiner Umstände: Die Produktion wurde von Diskussionen heimgesucht, von Covid verzögert und kam natürlich erst heraus, nachdem Knives Out die Messlatte für den klassischen Krimi sehr hoch gelegt hatte. Aber seine Stärken liegen nach wie vor in der erstklassigen Vorlage und Branaghs amüsanter Darstellung seines Detektiv-Helden.
Fazit: Tod auf dem Nil ist eine Steigerung im Vergleich zu Mord im Orient-Express. Der verstärkte Fokus auf Branaghs Poirot (sogar mit seiner seltsamen Schnurrbart-Besessenheit) bietet genug Ablenkung angesichts der Probleme mit einem Teil des Ensembles und der zu offensichtlichen Abhängigkeit von visuellen Effekten. Film Bewertung 6 / 10
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