The card Counter Poster zum Film

Produktion: USA 2021 | Genre: Drama / Thriller | Laufzeit: ca. 112 Minuten | Regie: Paul Schrader | Mit: Oscar Issac, Tiffany Haddish, Tye Sheridan, Willem Dafoe u.a | FSK: ab 16 Jahren | Kinostart: 03. März 2021


Inhalt: William Tell hat Schuld auf sich geladen. Zehn Jahre saß der Soldat einer Spezialeinheit dafür im Gefängnis, während sein Vorgesetzter ungeschoren davonkam. In seiner Zelle perfektionierte William die Kunst des Kartenzählens. Wieder in Freiheit beginnt er von Casino zu Casino zu ziehen. Um kein Aufsehen zu erregen, hält er die Einsätze niedrig – mit Erfolg – bis der junge Cirk seinen Weg kreuzt.

© Weltkino Filmverleih

Treffenderweise ist „The Card Counter“ ein Film, der sich nicht in die Karten schauen lässt. Um was geht es in dieser langatmigen Studie über einen Soldaten, der zum Spieler wird, wirklich?

Im Mittelpunkt des Films von Paul Schrader steht natürlich ein männlicher Einzelgänger, der von einem einsamen Zimmer aus Tagebuch über sein Leben führt: Oscar Isaacs rätselhafter Protagonist reiht sich hier in eine Tradition ein, die vom gestörten Pastor Ernst Toller in First Reformed (2017) bis zu Travis Bickle in Taxi Driver reicht.

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Auf dem ersten Blick sieht es aus wie ein neuer Eintrag in das vergessene Genre der Glücksspiel-Dramen: Es gibt Anklänge an Robert Altmans California „Split“, bei dem Isaac eine Jacke trägt, die direkt von den Schultern von Steve McQueen in „The Cincinnati Kid“ stammen könnte.

Doch der Aufbau von „The Card Counter“ entpuppt sich als raffinierter Taschenspielertrick. Umso näher das Filmende rückt, desto deutlicher wird, dass es in dem Streifen weniger darum geht, wie man alles auf eine Karte setzt, sondern vielmehr um das tiefschwarze moralische Herz von Amerikas Kriegsmaschinerie.

Willem Dafoe in The card Counter © Focus Feature 2021
Willem Dafoe in „The Card Counter“ © Focus Feature 2021

Die Last der Vergangenheit

Als ehemaliger Armeeoffizier, der in „fortgeschrittenen Verhören“ (auch bekannt als Folter) ausgebildet wurde, überzeugt Isaac in der Hauptrolle. Wir treffen ihn, als er dieses Leben scheinbar längst hinter sich hat: Im Verlauf des Films erfahren wir, dass er im Gefängnis saß, weil er für ein Foto posierte, während er einen Gefangenen in einer Guantanamo ähnlichen Einrichtung demütigte, während er auf der anderen Seite als professioneller Pokerspieler wieder auftauchte.

Doch bald tauchen Hinweise auf einen Mann auf, der von Reue und schwelender Rachsucht gekennzeichnet ist. Ein Privatauftragnehmer namens John Gordo (Willem Dafoe) hat ihn auf den Pfad der Gewalt gebracht, blieb aber zu Tells Leidwesen selbst unbestraft.

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Als Tell eines Tages einen jungen Studienabbrecher namens Cirk Baufort trifft, gespielt von Tye Sheridan (Ready Player One), macht er sich auf zu einer Mission. Cirk Baufort möchte Gordo entführen und bittet Tell um Hilfe. Doch Tell versucht, den jungen Mann auf den rechten Weg zu bringen, und nimmt ihn mit auf die Reise.

Daraus ergibt sich ein spannender Plot, gespickt mit erschütternden Rückblenden zu Tells Militärzeit. Die Regie führt Schrader mit dem gleichen Selbstvertrauen wie der ausführende Produzent von Card Counter, nämlich Martin Scorsese. Er streut suggestive Bilder ein, beispielsweise wenn Tell alle Gegenstände in seinen Motelzimmern mit weißem Stoff abdeckt (eine Eigenart, die nie erklärt wird).

William Tell (Oscar Isaac) und Baufort (Tye Sheridan)  im Gespräch in "The Card Counter" © Focus Feature 2021
William Tell (Oscar Isaac) und Baufort (Tye Sheridan) im Gespräch in „The Card Counter“ © Focus Feature 2021

Ergreifende Leidensgeschichte

Außerdem baut er geschickt einen Subtext ein: Einer von Tells Poker-Rivalen ist ein mit Sternen und Streifen ausgestatteter Patriot, dessen „USA! USA!“-Sprechchöre häufig im Hintergrund der Szenen ertönen und diese Geschichte als eine Abhandlung über amerikanische Niedertracht unterstreichen.

Der Film hat ein paar mehr Schönheitsfehler als der fast makellose „First Reformed“. So hat Tiffany Haddish eine etwas schwache Rolle als Tells Love Interest, da die Chemie zwischen den beiden nie richtig auf Touren kommt. Aber als anspruchsvolle Untersuchung darüber, inwieweit wir uns von unseren vergangenen Sünden freisprechen können, bestätigt er Schrader als Meister der Erzählungen über moralisch zweideutige Männer, die ein zum Ausbruch bereites Seelenleben verbergen.

Im Jahre 2002 veröffentlichte Spike Lee den Film 25th Hour, der seither als einer der wichtigsten Filme nach den Anschlägen vom 11. September gilt, auch wenn er vordergründig von etwas ganz anderem handelt. The Card Counter könnte das entsprechende Gegenstück zum Irakkrieg sein. Er fängt die Schuld und die Abscheulichkeit dieses Konflikts ein, wenn auch nicht die Ereignisse selbst.

Fazit: „The Card Counter“ ist die Trumpfkarte eines Filmemachers, der selbst keine Angst vor dem Risiko hat. Das Tempo von „The Card Counter“ wird nicht jedermanns Sache sein, aber Schrader-Fans werden von diesem ergreifenden Porträt der Leidensgeschichte begeistert sein. Film Bewertung 8 / 10