Inhalt: Oklahoma, in den 1920ern. Als amerikanische Ureinwohner vom Stamm der Osage systematisch ermordet werden, müssen Bundesermittler die Ermittlungen in die Hand nehmen.
FILM KRITIK
Martin Scorsese beklagte kürzlich in einem ergreifenden Interview sein zunehmendes Alter. Er zitierte dabei Akira Kurosawa und sagte: „Ich beginne erst jetzt, die Möglichkeiten zu sehen, die das Kino bietet – und es ist eigentlich zu spät.“
Dank den Kino-Göttern hat er also noch Zeit gefunden um Killers Of The Flower Moon zu drehen: ein so starkes, intensives und eindringliches Werk wie kein Anderes in seiner bemerkenswerten Karriere, das er möglicherweise erst jetzt realisieren konnte. Wie viele 80-Jährige können von sich behaupten, immer noch auf dem Höhepunkt ihrer Schaffenskraft zu sein, so wie er es ganz offensichtlich noch ist?
Sein 26. Spielfilm scheint auf den ersten Blick nicht zu seinem gewohnten Metier zu passen: Er spielt weit jenseits der Grenzen seiner geliebten Heimat New York und ist tatsächlich auch sein erster Western, wenn auch ein zutiefst historischer. Die Geschichte handelt von Völkermord und Blutvergiessen im letzten Winkel des amerikanischen Grenzlandes.
Scorsese schafft es, das Western und Mafia Filmgenre miteinander zu verbinden
Gleichzeitig ist der Film aber auch zutiefst typisch Scorsese, wenn man das so sagen kann. Seine Lebensfragen – kriminelle Verschwörungen, Gewalt und ihre Ursprünge, die Gründungsmythen Amerikas, verhängnisvolle männliche Eigenschaften – sind hier präsent.
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Es blitzt immer wieder ein Hauch seiner gesamten Filmografie auf, von Hexenkessel über GoodFellas bis zu The Irishman. Im dritten Akt gibt es tatsächlich das 1930er Pendant zu den Hubschraubern, die in GoodFellas über Henry Hills Haus kreisen. Robert De Niro spielt hier brutal wirkungsvoll, indem er mit einem einzigen Augenbrauen-Zucken über ein Menschenleben bestimmt. Und es ist ein wahrer Genuss den beiden Scorsese-Musen dabei zuzusehen, wie sie sich gegenseitig antreiben.
Die vielleicht überzeugendste Vorstellung liefert jedoch Lily Gladstone als Ernests Geliebte Mollie, eine Osage-Frau, deren Familie unter immer mysteriöseren Umständen umkommt. Gladstone, die in Kelly Reichardts Certain Women so eindrucksvoll auftrat, liefert eine erstaunlich zurückhaltende und oft geradezu erschütternde Leistung ab.
Während Mollie von Anfang an Ernests Bemühungen als „geldgieriger Kojote“ durchschaut, entwickelt sich daraus schon bald trotz seiner schrecklichen Anmachsprüche (Sie haben eine schöne Hautfarbe!) eine ernsthafte Romanze.
KiIlers of the Flower Moon ist eine ebenso umfangreiche wie intime Geschichte über Amerikas Todsünden während der Kolonialzeit
Ungeachtet des langatmigen Spektakels rund um die kriminellen Machenschaften – und dem Film sieht man sein angebliches 200-Millionen-Dollar-Budget auch an, dank der großartigen Arbeit des Barbie-Kameramanns Rodrigo Prieto – ist es gerade diese intensive Beziehung mit all ihren seltsamen Widersprüchen und Zweideutigkeiten, die den Kern des Films bildet.
8 Fakten über „Killers of the Flower Moon“
Selbst wenn Mollie durch eine mysteriöse Krankheit wie paralysiert erscheint, ist ihre Präsenz unübersehbar. Gladstones vielsagendes Lächeln und ihre quälende Angst sind immer präsent. Nach einer stundenlangen, ausufernden Erzählung beendet Scorsese die Geschichte ziemlich überraschend, indem er einen Epilog einfügt, der fast schon als leichtfertig bezeichnet werden könnte.
Allerdings verlagert er den Fokus damit auf seine eigene Person bzw. seine Rolle in der Geschichte. Er würdigt den Charakter der „True-Crime“-Tradition und überlässt das letzte Wort respektvoll den Menschen, die diese Morde noch immer heimsuchen. Es ist ein Moment ehrlicher Ehrerbietung, von einem Filmemacher, der, wie er selbst findet, endlich die künstlerische Reife dafür erreicht hat.
Fazit: Eine ebenso umfangreiche wie intime Geschichte über Amerikas Todsünden während der Kolonialzeit. Außergewöhnliche Filmkunst, von einem noch außergewöhnlicheren Filmemacher, in einem etwas zu lang geratenen Meisterwerk.
Film Bewertung 9 / 10