Inhalt: Eine amerikanische Familie möchte ein erholsames Wochenende im Landhaus ihrer britischen Freunde verbringen, die sie kurz zuvor im Urlaub kennengelernt hat. Doch was als traumhafter Kurztrip geplant war, gerät schon bald in Schieflage und wird zu einem verstörenden Albtraum.
„Speak No Evil“ von Christian Tafdrup (2022) schockierte das Publikum mit seiner unheimlichen Darstellung einer dänischen Familie, die arglos ein Wochenende mit einer niederländischen Familie verbringt – ein Trip, der sich als Alb traumhafter Psycho-Horror entpuppt.
Nun kommt das englischsprachige Remake von James Watkins. Während es sich eine Zeit lang nah an der Abfolge des Originalfilms hält, entwickelt es schließlich seinen ganz eigenen, verstörenden Charakter. Watkins’ Version beginnt wie das Original, mit subtilen Schikanen, die langsam eskalieren.
Doch etwa zur Mitte des Films, als das Kind auf der Suche nach dem verlorenen Stoffkaninchen ist, trennen sich die Wege der beiden Filme und „Speak No Evil“ (2024) gewinnt eine eigene Identität. Während das Original für seine verstörende, psychologische Dichte und Düsternis bekannt ist, bietet das Remake kleinere Änderungen, die dem Film eine eigenständige Tonalität verleihen.
James McAvoy – eine charismatische Bedrohung
James McAvoy, mit Bart und durchtrainiertem Erscheinungsbild, tobt sich in der Rolle des charismatischen, aber einschüchternden Gastgebers aus. Er meistert dabei die Balance zwischen charmantem Auftreten und latent bedrohlichem Verhalten, indem er seinen Gästen kleine Fehler vorwirft, sie dann zurücknimmt und um Mitleid bettelt – nur um seine Manipulation später weiterzuspinnen.
James Watkins hat in früheren Filmen wie „Eden Lake“ und „Die Frau in Schwarz“ gezeigt, dass er keine Angst davor hat, Genre-Erwartungen zu brechen und vermeintlich sichere Charaktere rücksichtslos dem Tod zu überlassen. Auch hier bringt er seine Handschrift ein, indem er die unaufhaltsame Eskalation der Ereignisse ansprechend inszeniert.
Der Kern der Story in „Speak No Evil“ dreht sich um soziale Dynamiken, die auf den Wunsch basieren, Konflikte zu vermeiden und niemanden vor den Kopf zu stoßen. Die amerikanische Familie im Film ist von einer tiefen Unsicherheit geprägt: Sie wollen höflich und rücksichtsvoll sein, selbst wenn sie sich unwohl fühlen und mit der aufgestauten Wut im Bauch lieber eigene, verborgene Kämpfe ausfechten.
Die Gefahr übertriebener Höflichkeit: „Speak No Evil“ und das Vermeiden von Konflikten
Die Geschichte zeigt, wie gefährlich es sein kann, sich zu sehr an gesellschaftliche Höflichkeitsnormen zu klammern und nicht rechtzeitig klare Grenzen zu setzen. Letztlich demonstriert der Film, dass das Streben nach sozialer Anerkennung auf Kosten der eigenen Integrität zu tragischen Konsequenzen führen kann.
Das hält der Film von Watkins auch weiterhin aufrecht, aber der neuen Version fehlt der Mut, die düstere Erkenntnis, den Schlag in die Magengrube, den das Original so unerwartet präsentierte, auch hier wieder zu zeigen.
So erinnern die Szenen auf einem Bauernhof an „Straw Dogs-Wer Gewalt Sät“ und erreichen ihren Höhepunkt in einem Home-Invasion Showdown, wobei die Tschechow’schen „Etabliere Elemente für den späteren Gebrauch“- Momente gekonnt eingesetzt werden.
Fazit: „Speak No Evil“ (2024) ist eine eigenständige Suspense-Erfahrung, die das Original ergänzt, ohne es zu komplett zu kopieren. Mit nuancierten Veränderungen und McAvoy in Bestform entwickelt sich das Remake zu einem Psychothriller, der sein Publikum durchaus zu fesseln weiß – falls man den Originalfilm noch nicht gesehen hat.
Film Bewertung 5 / 10