Inhalt: Miles Morales (Moore) ist auf Erde 1610 der einzige Spider-Man. Als der durch Portale geschützte Multiversum-Bösewicht The Spot (Schwartzman) auftaucht, tritt Gwen (Steinfeld) wieder in Miles‘ Leben ein – und entdeckt ein elitäres Spider-Team, das von Miguel O’Hara (Isaac) gegründet wurde.
Film Kritik
Vor fünf Jahren änderte Spider-Man: Into The Spider-Verse… so ziemlich alles. Der Kinostart des aus Brooklyn stammenden Spider-Man Miles Morales mischte nicht nur die so oft erzählte Herkunftsgeschichte des Spinnen-Helden aufregend auf, sondern definierte mit seinem ausdrucksstarken visuellen Stil auch völlig überraschend neu, wie Mainstream-Animationsfilme aussehen können.
Es war ein regelrechter Paukenschlag. Ein einzelner Film, der ein ganzes Medium – und ein Genre – mit einem Schlag grundlegend veränderte. Und was folgt nun? Wie es die Fortsetzungslogik vorschreibt, geht man noch einen Schritt weiter, noch gewagter, noch düsterer. Und das ist bei Across The Spider-Verse (auf den 2024 Beyond The Spider-Verse folgen wird) definitiv der Fall.
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Handelte es sich beim letzten Film noch um ein punkiges, knallhartes Debüt, so werden die beiden Fortsetzungen zu einem psychedelischen Rockopern-Doppelalbum. Und keine Angst: Disc 1 bietet einen weiteren Instant-Klassiker.
Beim letzten Mal sind mehrere Spider-Wesen in Miles‘ Universum eingedrungen- und jetzt macht sich Miles auf den Weg in eine Handvoll anderer Universen, in denen der Wurmloch spuckende Bösewicht The Spot (ein brillant schräger Jason Schwartzman) und einige andere die Realität destabilisierende Anomalien einen Zusammenbruch des Multiversums ankündigen.
Klare Abläufe und überzeugende Charakterbögen
Der Misanthrop Miguel O’Hara, alias Spider-Man 2099 (der am Ende von Into The Spider-Verse bereits angekündigt wurde), stellt ein Spider-Eliteteam zusammen, um dies zu verhindern. Erzählerisch ist Across The Spider-Verse genauso überzeugend strukturiert wie sein Vorgänger und spinnt seine ausufernde Geschichte in klaren Abläufen und überzeugenden Charakterbögen.
Das ist keine leichte Aufgabe, denn sie nimmt uns mit in Gwens Universum, in Miles‘ Universum, ins indisch inspirierte Mumbattan, in Miguels Nueva York und noch weit darüber hinaus. Und stellt dabei auch Issa Raes hochschwangere, Motorrad fahrende Jessica Drew vor, den charismatischen Pavitr Prabhakar (Karan Soni), und Hobie Brown, alias Spider-Punk (Daniel Kaluuya, der fast den ganzen Film dominiert).
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Außerdem gibt es immer verrücktere Spider-Varianten. Diese Klarheit ist den Drehbuchautoren und Produzenten Phil Lord und Chris Miller zu verdanken, die zusammen mit Dave Callaham (Shang-Chi) das Drehbuch verfasst haben. Ihre außergewöhnliche Fähigkeit, emotionale Ansprache und kreatives Potenzial an unwahrscheinlichen Stellen (21 Jump Street, LEGO-Steinchen) zu finden, ist nach wie vor bemerkenswert.
Die Mechanismen unter der Oberfläche greifen also nahtlos ineinander – aber die überragende Stärke von Across The Spider-Verse bleibt die schier atemberaubende Brillanz der Animationen und die daraus resultierende mitreißende Energie.
Der Film ist unendlich kreativ in der Verwendung von Farbe, Zusammensetzung und Beschaffenheit
Das Spektakel, das hier geboten wird, ist unvergleichlich – mit Nachspannszenen im Stil von Gaspar Noé, Anspielungen auf indische Comics aus den 70er Jahren, Scrapbook-Collagen mit unterschiedlichen Techniken und monochromen Zeichnungen im Stil von Stanley Donwood.
Der Film ist unendlich kreativ in der Verwendung von Farbe, Zusammensetzung und Beschaffenheit, um Stimmung und Atmosphäre zu vermitteln. Nirgendwo kommt dies deutlicher zum Ausdruck als in Gwens Erde-65, deren verwaschene Aquarelle sich reibungslos in die Erzählung einfügen und ihre Emotionen zu einer Symphonie herumwirbelnder Farbtöne aufblühen lassen – pure filmische Ästhetik.
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Und als der Film mit einer erweiterten Sequenz in ihrer Welt beginnt (dies ist Gwens Film ebenso wie der von Miles), wird man zehnmal um den Verstand gebracht, noch bevor der Vorspann läuft. Es ist schlichtweg atemberaubend. Doch inmitten all des Chaos schaffen es Lord und Miller – und die neuen Regisseure Kemp Powers, Joaquim Dos Santos und Justin K. Thompson – jede einzelne Beziehung zu vertiefen.
Die Romanze zwischen Miles und Gwen ist eine Sache (sie weist darauf hin, dass es für Gwen fatale Folgen hat, sich mit einem Spider-Man zu verabreden), aber das Spannungsverhältnis zwischen den Eltern wird am meisten beleuchtet: Gwens Bindung zu ihrem leiblichen Vater, die bald zu zerbrechen droht, und Miles‘ liebevollen Eltern, die Angst vor einer Welt haben, die ihn wahrscheinlich nicht so freundlich aufnehmen wird, wie sie es gewohnt sind.
Across The Spider-Verse dreht alle Regler auf Anschlag
Und es ist auch unglaublich lustig. Eine Schlägerei zwischen Miles und The Spot (der verzweifelt versucht, mehr als nur der „Bösewicht der Woche“ zu sein) wird von einer widerspenstigen Gans unterbrochen; ein Geier im Da-Vinci-Stil wird mit Jeff-Koons-Skulpturen konfrontiert; die berühmt-berüchtigte, mit F-Bomben angereicherte Tatort-Ermittlung von The Wire erhält eine passende Hommage.
Machen wir uns nichts vor, Across The Spider-Verse ist meisterhaft. Es ist Pop-Art, die nicht einfach nur knallt – sie dröhnt, zischt und kracht. Kunst, die nicht nur um des Betrachtens willen existiert, sondern alles nutzt, was ihr zur Verfügung steht, um den Zuschauer tief zu berühren. Es ist ein Blockbuster-Schlagzeugsolo – an einer Stelle im wahrsten Sinne des Wortes -, das auf so vielen Ebenen brilliert und dabei nie den Rhythmus verliert-ein Loblied auf das, was möglich ist, wenn man die Regeln auf den Kopf stellt.
Er ist so gut, wie Fortsetzungen nur sein können – er stellt seine eigene Mythologie in Frage, hinterfragt die Vorstellung, dass „jeder die Maske tragen kann“, und untersucht die Grundsätze des Begriffs „Spider-Man“. Wenn Beyond The Spider-Verse ein Erfolg wird, steht uns eine neue Trilogie der Extraklasse bevor.
Fazit: Across The Spider-Verse dreht alle Regler auf 11 und fällt trotzdem nicht in sich zusammen. Es ist visuell eindrucksvoll, emotional intensiv, erzählerisch treibend – und mit minimalen Abstrichen, ein weiteres Meisterwerk.
Film Bewertung: 9 / 10