Inhalt: DER PHÖNIZISCHE MEISTERSTREICH. Die Geschichte einer Familie und eines Familienunternehmens. In den Hauptrollen: Benicio del Toro als Zsa-zsa Korda, einer der reichsten Männer Europas; Mia Threapleton als Schwester Liesl, seine Tochter/ eine Nonne; Michael Cera als Bjorn Lund, der Familien-Tutor. Mit Tom Hanks, Bryan Cranston, Riz Ahmed, Mathieu Amalric, Jeffrey Wright, Scarlett Johansson, Richard Ayoade, Rupert Friend, Hope Davis und Benedict Cumberbatch.

© © Universal Pictures Germany

Zwischen Flugzeugabsturz und Familienkonflikt

Mit jedem neuen Film von Wes Anderson flammt eine bekannte Sorge auf: Wird der gefeierte Regisseur zum Gefangenen seiner eigenen Handschrift? Der Phönizische Meisterstreich , sein neuester Film, liefert eine klare Antwort: Nein – zumindest nicht, solange Anderson seine charakteristische Ästhetik mit frischen Ideen und mutigen Figuren weiterentwickelt. Auch wenn der Film in vielerlei Hinsicht „typisch Anderson“ ist, gelingt ihm der Spagat zwischen gewohnter Bildsprache und erzählerischem Wagnis.

Im Zentrum der Handlung steht Zsa-zsa Korda, ein exzentrischer, milliardenschwerer Unternehmer – grandios verkörpert von Benicio Del Toro –, der nach seinem sechsten Flugzeugabsturz zur Einsicht gelangt: Jemand will ihn endgültig aus dem Weg räumen. In weiser Voraussicht ruft er seine Tochter Liesl (gespielt von einer toll aufspielenden Mia Threapleton) an seine Seite. Als Nonne bringt Liesl nicht nur eine klare moralische Haltung mit, sondern steht auch sinnbildlich für den inneren Konflikt des Films: der Zusammenprall von Ethik und Macht, von Glauben und Gier.

Diese Vater-Tochter-Beziehung ist das emotionale Zentrum des Films. Während sich die beiden auf eine aberwitzige Reise durch ein fiktives, detailverliebt inszeniertes Phönizien begeben, treffen sie auf Revoluzzer, Könige und undurchsichtige Konsortien. Die familiäre Spannung bleibt dabei stets greifbar – ein dynamisches Gegengewicht zu Andersons oft kunstvoll abstrahierter Bildwelt.

Ein Universum aus Perspektiven, Farben und Absurditäten

Auch in diesem Film bleibt Andersons visuelle Sprache unverkennbar. Kamerafahrten in Millimeterpräzision, symmetrische Bildkompositionen und makellos abgestimmte Farbpaletten erzeugen eine visuelle Dichte, die ihresgleichen sucht. Dabei bringt der Regisseur neue Blickwinkel ins Spiel – darunter sogar einen ungewöhnlich niederländischen Winkel, der deutlich macht: Anderson wagt Experimente, und untergräbt seinen Stil innerhalb seiner eigenen Regeln. Der Weltenbau gehört zu den beeindruckendsten Elementen des Films: Die industrielle Architektur, die höhlenartigen Tunnelsysteme und die wie Miniaturkulissen wirkenden Außenwelten strahlen den kindlichen Reiz eines Dioramas aus – gleichzeitig lebendig und konstruiert.

Anderson stattet sein Phönizien mit so viel Dynamik und Detailfülle aus, dass man fast den Überblick verlieren könnte. Doch gerade diese Reizüberflutung macht den Reiz aus – es ist ein Film, der mehr als eine Sichtung verdient. Zu den herausragenden Figuren gehört zweifellos Bjorn, gespielt von Michael Cera. In der Rolle eines skurrilen Insektenforschers mit dickem skandinavischem Akzent läuft Cera zu Hochform auf – komisch, berührend und herrlich absurd. Seine Performance erinnert an Tony Revolori als Zero in The Grand Budapest Hotel und zeigt einmal mehr, wie gut Anderson absurde Nebenfiguren ins Zentrum rücken kann.

Bjorn entwickelt sich von der kuriosen Randnotiz zum heimlichen Star des Films. Erwähnenswert ist außerdem der kurze und schmissige Auftritt des deutschen Schauspielers Volker Zack, der in einer der zahlreichen skurrilen Film-Szenen (hier im Fahrstuhl) so herrlich hinfällt, dass die Stars der Stummfilmzeit Beifall klatschen würden.

(L - R) Benicio Del Toro als Zsa-Zsa Korda and Mia Threapleton als Liesl in Wes Anderson's THE PHOENIZISCHE MEISTERSTREICH
(L – R) Benicio Del Toro als Zsa-Zsa Korda and Mia Threapleton als Liesl in Wes Anderson’s THE PHOENIZISCHE MEISTERSTREICH, Credit: Courtesy of TPS Productions/Focus Features © 2025 All Rights Reserved.

Verspielt, eigenwillig – und zutiefst menschlich

Wes Anderson hat in den letzten Jahren einige Kritik einstecken müssen: The French Dispatch galt vielen als überladen, Asteroid City als zu meta. Der Phönizische Meisterstreich hingegen wirkt fokussierter, erzählerisch klarer und emotional zugänglicher. Es ist ein Film, der beweist, dass Anderson seine Ästhetik nicht nur zelebriert, sondern sie weiterentwickelt. Wer genau hinschaut, entdeckt unter der Oberfläche aus Pastellfarben, Retrodesign und ironischer Distanziertheit eine echte Gefühlswelt.

Fazit: Der Phönizische Meisterstreich ist vielleicht Wes Anderson in seiner reinsten Form – aber auch ein Werk, das gekonnt mit seiner Formel bricht. Zwischen bizarren Versatzstücken, großartigen Schauspielern und visueller Überfrachtung findet sich eine bewegende Geschichte über Familie, Schuld und die Frage nach dem richtigen Leben im „falschen“. Wer bereit ist, sich auf diese Welt einzulassen, wird reichlich belohnt. Anderson bleibt sich nicht nur selbst treu – er erfindet sich immer wieder neu. Film Bewertung 8 / 10