HELDIN

Inhalt: Floria (Leonie Benesch) arbeitet als Pflegefachkraft in einem Schweizer Krankenhaus. In der Spätschicht, die sie in jener Nacht antritt, ist das Team unterbesetzt. So verbringt sie ihre Schicht damit, zwischen den Patienten mit ihren Sorgen und Ängsten hin und her zu wechseln, während ihr Telefon ständig klingelt und sich die Notfälle aneinanderreihen. In dem Sturm, der über sie hereinbricht, versucht sie, die Kontrolle zu behalten und trotz allem ein offenes Ohr für jeden ihrer Patienten zu haben.

© Tobis

FILM KRITIK

Die Momentaufnahme einer Krankenhausschicht in Petra Volpes Film zeigt einen Ausschnitt aus dem möglichen Alltag des Pflegepersonals in der Schweiz. Sorgfältig wählt sie nur eine Schicht, zwei Krankenschwestern und nur wenige Stunden, die wir sie begleiten, um zu zeigen, wie anspruchsvoll dieser Beruf ist, aber auch, welchen immensen Druck er mit sich bringt. Man kann Florias Stress praktisch durch die Leinwand hindurch spüren. Der Film hält keinen Moment inne, er verwendet nicht einmal schnelle Schnitte, nur den Wahnsinn, dem das Personal während dieser einen Schicht ausgesetzt ist.

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Diese Anspannung überträgt sich auch auf den Zuschauer, das Herz rast, es raubt einem den Atem und am Ende der 90 Minuten merkt man, wie angespannt man eigentlich war. Man spürt aber auch deutlich die Hilflosigkeit und Überforderung des Personals und dessen Versuch, sich das nicht anmerken zu lassen, sondern zu lächeln und nicht vorschnell etwas am Patienten zu tun, obwohl die Gedanken schon beim nächsten sind. Dadurch ist „Heldin“ spannender als mancher Thriller und lässt einen am Ende aufgewühlt zurück.

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Benesch spielt mit großartiger Hingabe

Der Film verlässt das Krankenhaus keine Sekunde lang. Dennoch nimmt sich Volpe in ihrem Film die Zeit, auch den einzelnen Patienten kurz Raum zu geben, so dass man am Ende das Gefühl hat, jeden auf der Station zu kennen, mit den Sorgen und Ängsten, die die verschiedenen Figuren beschäftigen. So wie Floria, die sich in Sekundenschnelle merken kann, wer vor ihr sitzt, wie die Person heißt, wie alt sie ist und warum sie bei ihnen als Patientin liegt. Auch wenn man sich am Ende wünscht, der Film hätte sich einen Moment Zeit genommen, um die Figur der Floria besser kennen zu lernen.

Man fängt an, die Faszination für diesen Beruf zu verstehen, aber man spürt auch den Ärger darüber, dass er so wenig Beachtung findet und dass die Pflegerinnen und Pfleger am Ende nicht einmal ein Gehalt bekommen, das den Druck dieser Arbeit rechtfertigt. Selbst bei den Szenen im Aufwachraum des Krankenhauses hat man nicht das Gefühl, dass die Patienten dem Krankenhaus etwas bedeuten, sondern eher eine Durchgangsstation sind, die Zeit ist begrenzt und jeder ist nur eine Nummer im System. Umso besser, dass Beneschs Figur versucht, dem Ganzen zu entkommen.

Leonie Benesch verkörpert die Floria mit so einer großartigen Hingabe, dass man ihr jedes Zittern ihrer gestressten Hände, jedes Zucken ihrer Mimik, wenn wieder jemand etwas von ihr will, und jeden Ausbruch von Wut glaubt. Volpe findet immer wieder schöne Bilder, die Florias Gefühlswelt noch stärker zum Ausdruck bringen, sei es ein kochender Wasserkocher oder eine teure Armbanduhr, die aus dem Fenster fliegt, oder das unbändige Lachen, das nach dem Chaos der Nacht aus ihr herausbricht. Beneschs Figur wirkt wie ein Pulverfass, das kurz vor der Explosion steht, was den Ausbruch ihrer aufgestauten Gefühle umso erfrischender macht.

Das Festivalplakat der 75. Berlinale
Das Festivalplakat der 75. Berlinale © Internationale Filmfestspiele Berlin / Claudia Schramke, Berlin

Anerkennung für die Helden des Alltags

Aber auch andere Momente sind einfühlsam erzählt: Das Kinderschlaflied, das Beneschs Figur singt, um eine ältere Dame zu beruhigen, die an Demenz leidet. Diese kurzen Momente, in denen der Film innehält, vermitteln weder das Gefühl von Stress noch die wirklich engagierte Arbeit von Floria. Sie versucht auch, das System aufzurütteln, indem sie sich die Zeit nimmt, die jungen Leute auszubilden, die sich entschieden haben, den Job zu übernehmen.

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Aber auch Floria sind die Hände gebunden und ihre Möglichkeiten sind begrenzt. Und auch wenn die Schicht mit neuen Turnschuhen und einem kurzen Gespräch mit einer Kollegin beginnt, wird schnell klar, dass solche Momente rar sind. Auch hier findet Volpe ein symbolisches Bild, um dies zu verdeutlichen: Floria greift zum ersten und einzigen Mal während der gesamten Schicht nach ihrer Wasserflasche, die sie zu Beginn aufgefüllt hat.

Fazit: Zwischen Tränen und schallendem Gelächter schafft es der Film, uns die Leidenschaft für einen Beruf, der Leid schafft, näher zu bringen. Man kann nur hoffen, dass der Film aufrütteln wird, vor allem dort, wo etwas getan werden kann und muss. Und am Ende muss man zugeben, dass man nichts als Dankbarkeit und Anerkennung für diese Helden empfindet, die im Alltag so oft nicht beachtet werden und doch ganz selbstverständlich ihren Job machen. Film Bewertung 9 / 10