BERLINALE 2025

Inhalt: Jennifer (Jessica Chastain) wird zu Hause von ihrem jüngeren Liebhaber aus Mexiko überrascht, der für sie extra den Weg über die Grenze genommen hat, um bei ihr in San Francisco zu sein. Doch während sie sich in den Nächten lieben, muss Fernando (Isaac Hernández) am Tag untertauchen.

Er ist ohne Papiere und ohne jemanden, den er in einer für ihn fremden Stadt kennt. Während Jennifer die Liebe zu ihm auch vor ihrer eigenen Familie verheimlicht, in dem Wissen, dass diese es nicht gutheißen würden, wünscht sich Fernando mehr. Und so geht der junge, talentierte Balletttänzer seinen eigenen Träumen nach, während ihre vor ihren Augen zu zerplatzen scheinen.

DREAMS
© Teorema

Großartige Performance eines jungen Künstlers

Die Geschichte in „Dreams“ beginnt, wo andere aufhören – mit einem Happy End. Die Liebe von Jennifer und Fernando ist schon am Höhepunkt, als man die beiden kennenlernt. Ohne Vorwissen über die Figuren oder auch über sie als Paar geht Regisseur Michel Franco einen mutigen Weg. Er schmeißt den Zuschauer förmlich in das Geschehen, und so braucht es einen Augenblick, bis man sich zurechtfindet in der Handlung.

Doch dann entwickelt der Film recht schnell einen ungewöhnlich starken Sog. Und das allein über das Erzählen einer Bindung zwischen zwei Menschen. Und dabei ist diese Bindung alles andere als wunderschön. Tragisch, toxisch und doch leidenschaftlich. Zwischen unglaublich intensiven Sexszenen und hingebungsvollen Blicken schafft es der Film wahrlich, mehr Begehren darzustellen als „Fifty Shades of Grey“ oder so manch ähnliche Geschichte.

Dabei fehlt dann doch ab und an etwas Hintergrund Wissen, um ein Verständnis dafür zu haben, wieso Fernando sich so hingezogen fühlt zu Jennifer. Doch der Film hat eine interessante Art und Weise, die Beziehung der beiden nach und nach aufzufächern. Während Jennifers glatte, oberflächliche Art abstoßend wirkt, sind es die intimeren Momente, Augenblicke, in denen dann doch ein Funke in ihr aufzuglühen scheint.

Nach und nach wird dem Zuschauer bewusst, dass ihre Beweggründe vielseitig sind, am Ende jedoch dreht sich alles in ihrer Beziehung zu Fernando nur um sich selbst, ihre eigene Befriedigung und gleichzeitig das Wissen, dass niemand sie verurteilen kann, weil sie selbst das Zepter in der Hand hält.

Fesselnde, explosive Momente

Sie besitzt Fernando und nicht umgekehrt. Fernando hingegen ist keinesfalls naiv. Weshalb man als Zuschauer immer wieder aufstöhnt, wenn er doch wieder stumm bleibt, keine Regung zeigt und stillschweigend hinnimmt, wie sie mit ihm umgeht. Nur der kurze Ausbruch in eine Art Eigenständigkeit und der Weg dahin, seinem Traum zu folgen, zeigen, dass er doch nicht nur eine Marionette ist, deren Fäden Jennifer in den Händen hält.

Wobei der kurze Ausbruch seinerseits in die Selbstständigkeit zu schnell von ihr zunichte gemacht wird. Und obwohl er immer wieder zu verstehen gibt, dass er sie nicht des Geldes wegen, nicht der Unterkunft wegen oder einer Greencard wegen braucht, ist er doch irgendwo käuflich. Großartige Performance vor allem von dem jungen Isaac Hernández, der mit einer Leichtigkeit dahinschwebt in seinen Tanzdarbietungen, aber es ebenso schafft, extreme Emotionen zu bewerkstelligen – zwischen feuriger Leidenschaft und tiefem Hass.

Michel Franco bringt einen Film auf die Leinwand, der es schafft, einem den Atem zu rauben. Dafür sorgen Augenblicke, die man zum einen noch nicht in der Form gesehen hat, zum anderen nicht erwartet hätte. Und damit sind weniger dramatische Wendungen gemeint, sondern vielmehr einfache Handlungsstränge in fesselnden, schauspielerischen, explosiven Momenten.

Dennoch wünscht man sich einen Augenblick, in dem die Figuren die Chance bekommen, mehr Tiefgang zu entwickeln, einen Moment, um Beweggründe zu verstehen und andere Figuren näher kennenzulernen. Vor allem die Rolle der Jennifer wirkt durch wenig charakterliche Fülle oberflächlich und bedeutungslos in ihrem Handeln. Während Fernando Eigenschaften zugutekommen, die ihn liebevoll, temperamentvoll, charmant, voller Leben und Lust zeigen. Genau das, was ihr fehlt.

Fazit: Ein Beziehungsdrama, das über 90 Minuten fast ausschließlich zwischen zwei Figuren stattfindet. Während alle anderen Personen nichtig erscheinen, da das Paar kaum Raum für mehr Menschen bietet. Und trotzdem schafft der Film eine Spannung, die einen nicht loslässt. Das Ende lässt einen ähnlich erschlagen zurück, als hätte man eine deftige Ohrfeige bekommen. Ein wahnsinnig gelungenes Meisterwerk, das weder aufwändige Bilder noch aufwändige Dialoge benötigt, um zu überzeugen. Film Bewertung 9 / 10

JESSICA CHASTAIN IN DREAMS
© Teorema