Berlinale: Wettbewerb – Weltpremiere
Inhalt: Bill Furlong arbeitet als Kohlehändler in einem irischen Dorf im Jahre 1985. Eines Tages sieht er beim örtlichen Kloster etwas, das ihn in einen tiefen Zwiespalt bringt. Während seine Frau und seine fünf Kinder zu Hause auf ihn angewiesen sind, stellt der immer stiller werdende Bill sich einer schmerzenden Vergangenheit und einer schweigenden Dorfgemeinschaft. Beides scheint ihn darin zu bestärken, dass es die kleinen Dinge sind, die zählen mögen.
Film Kritik
Ein langsam erzähltes Drama mit einem starken Thema von Peaky Blinders-Regisseur Tim Mielants eröffnet die 74. Berlinale in Berlin. Die Eröffnungsfilme der Berlinale sind meist die schwächeren Werke. Auch Mielants kann hier nicht ganz überzeugen. Aber der Film macht vieles richtig.
Gerade in der Lichtsetzung und im Sounddesign sticht der Film heraus. Das gelbliche, düstere Licht in Kombination mit dem regnerischen Wetter trägt stark zur allgemeinen beängstigenden Grundstimmung bei.
Zwar bleibt der Film vorwiegend ein Drama, in dem alles sehr langsam vonstattengeht. Jedoch verleiht das Schauspiel und die Inszenierung des Geschehens dem Film eine beklemmende Atmosphäre. Auch das Sounddesign ist spannend gestaltet.
Der Sound erschafft erschreckende Bilder
Der Film zeigt nur das Wesentliche und lässt Details aus. Der Sound vermittelt manchmal ein deutlicheres Bild von dem, was hinter verschlossenen Türen passiert, als das Bild selbst. Eine Szene bleibt besonders im Gedächtnis: Cillian Murphy, der sich nach einem langen Arbeitstag die Hände schrubbt und in Erinnerungen schwelgt.
Das Geräusch des immer heftiger werdenen Handschrubbens lässt erahnen, wie sehr die Erinnerungen schmerzen müssen, und macht es fast unmöglich, der Geräuschkulisse weiter zu lauschen. Während der Film in vielerlei Hinsicht gut durchdacht ist, fällt vor allem die langsame Darbietung auf.
Die Gespräche werden viel zu sehr in die Länge gezogen und ausgekostet, als dass die Spannung aufrechterhalten werden könnte. In einigen Szenen hingegen trifft die Inszenierung den „Kern der Sache“ und lässt die Szenen eindrucksvoll nachklingen. Hier wird das beklemmende Grundgefühl bis hin zum Unbehagen gesteigert.
Zum Beispiel, wenn man das Kloster betritt. Man rechnet sogar damit, wie in einem Horrorfilm, dass man jeden Moment von jemandem in die Tiefen der Mauern gezogen wird, die kalt und trostlos wirken. Und hier, hinter diesen Klostermauern, spielt Emily Watson in einem sehr kurzen Auftritt die Oberin so großartig, dass sie und Murphy eine Szene schaffen, die das Herzstück des Films ausmacht.
Ein fantastischer Cillian Murphy in einer außerordentlich interessanten Rolle
Der ganze Film spielt in einer sehr kurzen Zeitspanne, um Weihnachten herum. Das ist erfrischend angenehm, sind wir doch eher an Filme gewöhnt, die im Jahresrhythmus vorwärts springen. Obwohl der Film es schafft, ganz im Thema zu bleiben, driftet er jedoch immer wieder in Bill Furlongs Vergangenheit ab.
Dieser Erzählstrang ist zunächst sinnvoll, um Bills Gefühlswelt und die Ereignisse zu beleuchten, die ihn zu dem Menschen gemacht haben, der er als Erwachsener ist. Aber gleichzeitig gibt Mielants dieser Vergangenheit eine zu starke Gewichtung. Am Ende stellt sich dem Zuschauer die Frage: Wieso mussten wir Bills Kindheit, über seinen Schicksalsschlag hinaus, noch betrachten?
Der Film findet auch großartige narrative Muster in seinen Bildern. Wenn Murphys Figur auf einem Bett sitzend gezeigt wird, ist der Bildausschnitt so gewählt, dass er vom Türrahmen umschlossen wird. Dies mag wiederum seinen inneren Konflikt symbolisieren. Andererseits wird dadurch ein Vergleich zu seiner Kindheit hergestellt, mit einem großen Haus. Das neue Haus scheint ihm gegenwärtig vielleicht weniger Freiheit zu bieten.
Murphys Figur wirkt auf den ersten Blick mürrisch und wortkarg, aber das täuscht. Als Bill Furlong spielt er fantastisch und mit viel Liebe. Besonders bemerkenswert ist sein stiller Ausbruch am Ende.
Schlussendlich zählen die kleinen Dinge
Auch wenn sich der Zuschauer den einen oder anderen befreienden Schrei gewünscht hätte, vermeidet der Film durch Augenkontakt und Mimik zu viele unnötige Worte. Denn Bill hat viel zu verdauen, was er schweigend erledigt. Das wiederum macht ihn zu einer außerordentlich interessanten Figur in diesem Drama.
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Mielants wählt hier einen erfrischend anderen Ansatz. Vielleicht manchmal zu träge, zu bedächtig mit jedem gesprochenen Wort und doch mit einer Detailgenauigkeit, die wirklich bewundernswert ist. Man versucht, in Murphy einen Helden zu finden und bekommt keine befriedigende Antwort. Das Ende lässt einen nämlich etwas ratlos zurück.
Fazit: Wie der Filmtitel schon sagt: Es sind die kleinen Dinge, die wichtig werden können und die Menschen dazu bringen, zu handeln und hinter die Mauern und Verbote zu schauen und dann bereit zu sein, anderen zu helfen. So wie Murphy am Ende mit seinen Taten seine Nichtstuer-Haltung und seine sparsamen Reaktionen durchbricht.
Film Bewertung 7 /10