Genre: Drama / Liebesfilm | Produktion: | Laufzeit: ca. 104 Minuten | Regie: Nicolette Krebitz
Mit: Sophie Rois, Udo Kier, Milan Herms, Nicolas Bridet
Weltpremiere bei der Berlinale (13.02.22 | Im Kino ab: 5. Mai
Inhalt: Die glanzvollen Tage als Schauspielerin sind für die 60-jährige Anna vorbei. Widerwillig nimmt sie einen Auftrag als Sprachcoach für einen 17-jährigen Außenseiter an, der eine Sprachstörung hat. Ausgerechnet er hat ihr neulich die Handtasche geklaut.
Es geht um die 60-jährige Anna, welche den 17-jährigen Adrian kennen lernt. Das erste Mal als er ihre Handtasche stiehlt, das zweite Mal als ihr Hausarzt ihr vorschlägt, ihm zu helfen. Denn Adrian hat einen Sprachfehler und Anna ist Schauspielerin und Sprecherin und kennt sich mit Sprache sehr gut aus.
Sie nimmt Adrian unter ihre Fittiche, doch bald verbindet die beiden mehr als nur die wöchentlichen Sprachstunden. Anna will nicht zu ihren Gefühlen stehen, immerhin trauert etwas in ihr noch ihrem verstorbenen Ehemann hinterher, der sich das Leben nahm. Doch Adrian erweckt ihre Wohnung zu neuem Leben und in ihr ganz neue Gefühle, die sie so bisher noch nicht kannte, oder lange nicht mehr verspürt hat. Wohin soll das noch führen, immerhin ist Adrian erst 17 Jahre alt und zudem auch ein Dieb.
Nicolette Krebitz´ Wettbewerbsbeitrag „AEIOU – das schnelle Alphabet einer Liebe“ ist eine recht klassische Romeo und Julia Geschichte, die allerdings wie der Titel einige Längen hat. Ähnliche Erzählstränge gab es schon häufig in der Filmgeschichte. Einer der liebenswertesten war der französische Liebesfilm „It Boy“ mit Pierre Niney. Der funktionierte vor allem weil man beiden Schauspielern die Liebe zueinander abkaufte.
Authentisch und Intim
Doch Sophie Rois, deren verbissenes Gesicht und ihre innere Einstellung zwar zu Anna passen, überzeugt leider nicht. Man hat das Gefühl, eine zweite Kirsten Stewart aus „Twilight“ vor sich zu haben, welche genau einen Gesichtsausdruck draufhat.
Das weckt nicht gerade positive Emotionen. Durch Rois zusammengepresste Lippen, welche ihr Gesicht versteinert wirken lassen, fast als hätte sie sich Botox spritzen lassen, hat sie auch nicht grade viel Anmut. Adrian scheint das alles aber nicht zu stören.
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Newcomer Milan Herms spielt nämlich im Gegensatz zu seiner Filmpartnerin ganz herrlich. Die Sprachstörung setzt er gekonnt ein. Er kann diese aber auch auf eine sehr charmante Art und Weise erzählen, so dass man seinen Charakter, trotz aller widersprüchlichen Gefühle, welche er erweckt, einfach gern hat. Er ist ein Dieb, ob von Gegenständen oder Emotionen.
So wickelt er nicht nur Anna sondern auch den Zuschauer um den Finger. Zumindest an dieser Stelle kann der Film überzeugen. Die Liebesszenen zwischen den beiden sind recht authentisch gelungen. Dies mag aber auch an der sehr nahen Kamera liegen, die eine gewisse Intimität erzeugt. Die Liebe der beiden zueinander ist dadurch fast schon durch die Leinwand hindurch spürbar.
Der Film leidet unter seiner Laufzeit
Die Länge des Films macht aber auch solche Momente wieder schwierig. Lange, stille Einstellungen, die nur erzählen, dass Anna einfach schon in die Jahre gekommen ist und nicht mehr viel geschieht in ihrem Leben. Dies hätte der Film aber auch in einer Szene erzählen können, statt über die ganze Spielzeit hinweg immer wieder darauf zu sprechen zu kommen.
Dafür werden andere spannende Handlungsstränge ausgespart, wie die Beziehung von Anna zu ihrem Nachbarn. Die vorgetragenen Passagen, welche sich durch den Film ziehen und in denen Annas Gefühle oder Handlungen beschrieben werden, klingen wie vorgelesene Drehbuchseiten. Diese unterstreichen zwar das Gesehene, fügen aber nichts Neues hinzu.
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Ein weiterer Schwachpunkt von „AEIOU“ sind die Dialoge, klingen sie doch oft zu poetisch. Das ist ein häufiges Problem beim deutschen Film. Mehr Alltagssprache, mehr Realität auch in den Worten zueinander hätte der Liebesgeschichte der beiden, außerhalb der intimen Szenen, zu mehr Authentizität verholfen.
Szenen, in denen Adrian wie ein Herr der Diebe mit einer Leichtigkeit sich immer wieder verwandelt und in andere Rollen schlüpft, um zu bekommen, was er begehrt, sind die spannendsten Augenblicke, die der Film parat hat. Diese Szenen werden so grazil mit der Kamera begleitet, dass die Leichtigkeit des Stehlens sich auch auf die Bilder überträgt. Man bekommt das Gefühl, dass nichts leichter sei, als anderen Leuten ihre Brieftaschen zu entwenden. Fast wie ein Tanz wird das Ganze inszeniert.
Fazit: Mit dem Ende macht es sich Nicolette Krebitz wieder zu einfach und schließt damit einen Film, der viele Schwächen in sich aufweist, angefangen bei der Besetzung, welche markant für sein Scheitern ist. Eine Liebe, die leider nicht durchweg überzeugt und der mehr Klarheit hätte helfen können statt verschlüsselter Poesie. Film Bewertung 6 / 10