BALLAD OF A SMALL PLAYER

Inhalt: Colin Farrell spielt Lord Doyle, einen abgetauchten Aristokraten, der seine Tage und Nächte an den Spieltischen verbringt, sich volllaufen lässt und die wenigen verbliebenen Chips ohne Plan in den Umlauf wirft. Wenn die Vergangenheit an die Tür klopft, erscheint eine mögliche Rettung in Gestalt der undurchschaubaren Dao Ming (Fala Chen), einer Casinokraft mit eigenen Geheimnissen. Gleichzeitig sitzt ihm die Privatdetektivin Cynthia Blithe (Tilda Swinton) im Nacken, die Doyle mit dem konfrontieren will, wovor er seit Jahren wegläuft. Je tiefer er sich in die Neon-Nacht stürzt, desto mehr beginnen die Grenzen der Realität zu verschwimmen.

© Netflix 2025

Colin Farrell als Spieler ohne Seele

Nach dem oscargekrönten Erfolg von Im Westen nichts Neues und dem gefeierten Politthriller Conclave wagt sich Edward Berger an ganz anderes Terrain. Ballad of a Small Player führt den Regisseur in die glitzernde Casino-Metropole Macau, wo Verzweiflung, Gier und Selbsttäuschung in grellem Licht baden. Hier soll die emotionale Wucht seines Kriegsdramas auf den subversiven Humor seines Vorgängers treffen – doch die Balance gelingt nicht.

Berger erschafft ein faszinierendes Setting, doch sein Film verliert sich in Bildern, statt Figuren zu formen. Die Neonlichter leuchten, aber sie erhellen wenig. Colin Farrell spielt Doyle, einen Mann, der alles verspielt hat: Geld, Stolz und Selbstachtung. Nun taumelt er durch Macau, getrieben vom Traum eines letzten großen Gewinns. Farrell stemmt die Rolle mit sichtbarer Hingabe, zwischen existenzieller Müdigkeit und animalischem Überlebensinstinkt. In einer eindringlichen, fast grotesken Szene stopft er sich hemmungslos Essen in den Mund. Ein verzweifelter Versuch, die Leere in seinem Inneren zu füllen. Doch das Drehbuch von Rowan Joffé, adaptiert nach dem Roman von Lawrence Osborne, lässt ihn im Stich.

Die Vorlage erzählt eine Geschichte voller Selbsttäuschung und kolonialer Nachwehen, in der sich der moralische Verfall des Westens im Spiegel einer fremden Welt offenbart. Im Buch ist Doyle kein Spieler im klassischen Sinn, sondern ein Gestrandeter, ein Mann, der in seiner eigenen Dekadenz ertrinkt. Im Film bleibt davon kaum etwas. Berger und Joffé reduzieren die innere Zerrissenheit auf Andeutungen, die nie nachhallen. Statt kontemplativer Verlorenheit herrscht hektische Symbolik. Die existenzielle Schwere des Romans, diese leise, selbst ironische Traurigkeit, wird durch grelle Bilder ersetzt.

Optisch ist Ballad of a Small Player gelungen. Kameramann James Friend, Bergers vertrauter Partner seit Im Westen nichts Neues, fängt Macau als flirrende Fata Morgana ein. Die Stadt wird so zur Bühne eines moralischen Fiebers mit grellen Casinohallen, glitzernde Wasserreflexen, einsamen Hotelzimmern, in denen selbst die Schatten zu leuchten scheinen.

BALLAD OF A SMALL PLAYER
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Der Roman erfasste, was der Film vergisst

Die Filmmusik von Volker Bertelmann ist treibend, melancholisch, oft hypnotisch. Er verleiht Szenen emotionale Tiefe, wo das Drehbuch versagt. Und doch bleibt das Gefühl, dass der Film seine eigene Oberfläche nicht durchdringen will. Selbst Tilda Swinton, die als geheimnisvolle Begleiterin auftritt, bleibt seltsam ungreifbar, mehr Konzept als Figur. Eine Figur, die im Buch eine ambivalente, fast spirituelle Funktion hat, wird hier zur blassen Randerscheinung. Lawrence Osbornes Ballad of a Small Player ist kein klassischer Glücksspielroman, sondern ein elegisches Werk über Schuld, kulturelle Entfremdung und Selbstbestrafung.

Die Sprache ist poetisch, die Beobachtung präzise, der Schmerz schleichend. Berger hingegen interessiert sich mehr für Stil als für Seelenzustände. Wo Osborne mit feinem Skalpell arbeitet, schwingt Berger einen leuchtenden Pinsel. Die Folge: Der Film sieht großartig aus, aber er fühlt sich leer an. Der innere Monolog des Buches, diese schleichende Selbstzerstörung, die sich in jeder Zeile verdichtet, findet auf der Leinwand kaum Resonanz. So bleibt von der Vorlage nur ein ästhetisches Fragment, eine schöne Hülle, der die Melancholie abhandengekommen ist.

Fazit: Ballad of a Small Player ist ein prachtvoll inszenierter, aber erzählerisch überladener Film. Colin Farrell glänzt in einem dürftigen Drehbuch, und die Regie verliert sich Überinszenierung. Bergers Film wird zu einem hochstilisierten Glücksspiel, bei dem er zwar die Einsätze erhöht, um sich am Ende als Bluff zu offenbaren.

Film-Bewertung 5 / 10