Genre: Drama | Produktion: USA, GB 2022 | Laufzeit: ca. 101 Minuten | Regie: Charlotte Wells
Mit: Paul Mescal, Frankie Corio, Celia Rowlson-Hall, Brooklyn Toulson u.a.
Inhalt: In den späten 1990er Jahren unternimmt der 30-jährige alleinerziehende Vater Calum (Paul Mescal) mit seiner 11-jährigen Tochter Sophie (Frankie Corio) einen der seltenen gemeinsamen Ausflüge an einen türkischen Ferienort. Jahre später rekonstruiert die erwachsene Sophie (Celia Rowlson-Hall) die Erinnerungen an die gemeinsame Zeit mit dem mittlerweile nicht mehr anwesenden Vater.
Nur selten ist ein Film in der Lage, so viel Ergriffenheit hervorzurufen: ein Gefühl, das weit über die letzten, ergreifenden Momente des Films auf der Leinwand hinaus anhält. Dass es sich bei Aftersun um das Debüt der britischen Filmemacherin Charlotte Wells handelt, verstärkt diese Besonderheit noch.
Die meiste Zeit bewegt sich dieses zweigeteilte Drama entlang einer linearen, gemächlichen Zeitlinie: Calum (Paul Mescal) steht kurz vor seinem 31. Geburtstag und ist fest entschlossen, seiner Tochter Sophie (Frankie Corio) mit dem wenigen Geld, das er hat, die bestmögliche Lebensfreude zu bieten.
Ihr Alltag ist voller müßiger Beschäftigungen und vertrauter Rituale, wie das sorgfältige Eincremen der Gesichter am Ende eines langen und irgendwie anstrengenden Tages. Wells schafft es meisterhaft, mit immer wiederkehrenden Motiven – Drachenflieger, die über den Himmel schweben, nackte Gliedmaßen am Pool – einen fesselnden Rhythmus zu erzeugen, der den Zuschauer in ihre Welt voller blecherner 90er-Jahre-Charts-Musik und knalliger Erfrischungsgetränke zieht.
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Auch die elfjährige Sophie bemerkt die Hormone, die in der Luft liegen, und die Art und Weise, wie sich die älteren Kinder gegenseitig behandeln. Abgesehen von seiner spürbaren Liebe zu seiner Tochter, hält Calum seine Gefühle unter Verschluss. Stattdessen entsteht aus einer Reihe kleiner Gefühlsregungen langsam das Profil eines jungen Mannes, der sein Selbstwertgefühl verloren hat, und das zu einer Zeit, als der gesellschaftliche Umgang mit psychischer Gesundheit noch wenig ausgeprägt war.
Berauschende Innigkeit
Seine erste Hauptrolle spielte Mescal erst zwei Jahre vor Aftersun in Normal People, doch schon jetzt erweist er sich als einzigartige und vielschichtige Leinwandpräsenz mit eigenwilligem Charisma und einem Talent dafür, Figuren zu spielen, die nicht so sind, wie sie zu sein scheinen.
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Als Calum liefert er eine gefühlvolle Performance ab, die sich im Laufe der Ferien nach und nach und auf herzzerreißende Weise entfaltet. Corio hingegen ist eine Offenbarung, denn sie verleiht Sophie eine gewisse Kratzbürstigkeit und Zuneigung, die nie aufgesetzt wirkt. Zusammen zaubern die beiden eine bisweilen geradezu berauschende Innigkeit; in einer Szene fährt Mescal mit seinem Finger über Corios Augenbraue, bis Sophie schließlich in einen sanften Schlaf fällt.
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Ihre gemeinsame Geschichte existiert als Erinnerung der erwachsenen Sophie (Celia Rowlson-Hall), die an ihrem 30. Geburtstag an diesen Urlaub zurückdenken muss. Anstelle einer konventionellen Rückblende lässt Wells Calum und die ältere Sophie unter Stroboskoplicht einer überfüllten, energiegeladenen Tanzfläche zusammenkommen und sich so kraftvoll zur der Musik zu bewegen, wie es Worte nicht ausdrücken könnten.
Ein Triumph des neuen britischen Kinos
Der letzte Akt ist zwar kein besonders großer Schlag in die Magengrube, aber er hat das emotionale Gewicht eines solchen. Das Ende des Urlaubs von Calum und Sophie war unvermeidlich, wenn auch nicht ohne ein paar letzte gemeinsame kostbare Augenblicke voller Lebensfreude.
Menschliche Dinge schafft es leider nicht seine Ideen vollständig auszubauen
Aftersun ist eine gekonnt inszenierte, einfühlsame und ehrliche Charakterstudie. Sie ist wunderschön gespielt und von Wells mit viel Liebe und Ideenreichtum eingefangen, welche sich nicht scheut, mit Bildausschnitten und Stil zu experimentieren (der Urlaub wird zum Teil mit einem wackeligen Camcorder gefilmt), um ihre Erzählung zu verstärken. Aufregender kann ein Durchbruch im Filmgeschäft nicht sein.
Fazit: Man möchte am liebsten mit den beiden faszinierenden Hauptdarstellern viel länger in der sonnigen Umgebung verweilen, als es die Laufzeit zulässt. Ein triumphaler Erfolg des neuen britischen Kinos.
Film Bewertung: 8 / 10
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