Wohl kaum ein Film wurde jemals derart mit Schimpf und Schande überzogen, wie „Star Wars: Die letzten Jedi“. Fans des Franchises fühlten sich geradezu betrogen und machten ihrer Wut in Foren und Kommentarspalten Luft. Zu Unrecht, denn das Werk von Rian Johnson ist vielleicht kein perfekter Film, aber doch einer der wenigen wirklich relevanten Star Wars Ableger, die die letzten Jahrzehnte hervorgebracht haben.

Die „Verkannten Perlen“ begeben sich diesmal ins Fegefeuer aller Online-Diskussionen. Denn Star Wars Fans gelten seit jeher als… naja, „besonders leidenschaftlich“, was den Meinungsaustausch zu ihrem Lieblings-Franchise angeht. Da passt es, dass wir ausgerechnet für das Hass-Objekt Nummer 1 eine Lanze brechen: Die häufig verfluchte und gnadenlos unterschätzte Episode 8: „Die letzten Jedi“.

Nennen wir es beim Namen: Dass es für die Sequel-Trilogie ganz offensichtlich niemals einen konsistenten Plan gab, sondern am Ende des Tages alles von Lust und Laune zweier Regisseure abhing – die letztlich sogar gegeneinander arbeiteten – ist eine Katastrophe. Immerhin reden wir hier nicht von irgendeiner dahergelaufenen Space-Baller-Billigproduktion, sondern von einem der größten Franchises der Kinogeschichte.

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Funkelnde Augen und stockender Atem – bei deinen Großeltern

Die Faszination für Star Wars wird mittlerweile längst vererbt und zehrt bis heute von der Wucht, die mit der Original-Trilogie ab 1977 ausgelöst wurde. Die heutige Eltern- (oder sogar Großeltern-)Generation bekam damals Dinge zu sehen, die das Vorstellbare übertrafen. Fantastische Bilder ließen die Augen funkeln und den Atem stocken.

Klassische Elemente einer Rittergeschichte in ein Raumfahrt-geprägtes Fantasy-Universum zu überführen, kombiniert mit einer eigenen Mythologie um „die Macht“ und daraus eine originelle Story mit wirklich liebenswerten Charakteren zu formen – das war die große Leistung, mit der George Lucas sein Vermächtnis geschaffen hat. Über die Prequel-Trilogie, die daraus trotz einiger spannender Ideen vor allem eine große, generische CGi-Kleckerei machte, hüllen wir an dieser Stelle lieber mal den Mantel des Schweigens. Die Sequel-Trilogie ab 2015 wurde daraufhin mit Spannung erwartet und sollte alles besser machen.

Verkannte Perlen #1: Masters of the Universe (1987)

Doch was bleibt nun eigentlich im Nachhinein von den drei Werken? Episode 7, „Das Erwachen der Macht“ (2015), ist eine gut gemeinte Hommage, die aber letztlich den ersten Kinofilm „Eine neue Hoffnung“ einfach nochmal erzählt. Frei nach der alten Skat-Parole „Was einmal, das auch zweimal“. Episode 9, „Der Aufstieg Skywalkers“ (2019), ist ein wirres Allerlei, dessen Imitat einer Story sich irgendwo zwischen „Ich überliste jede Fan-Theorie“ und „Fahr zur Hölle, Rian Johnson“ verliert.

Einzig Episode 8, „Die letzen Jedi“ (2017), zeigt frische Ideen, zeigt kreativen Esprit, zeigt eine gewisse Haltung. Und hat sich allein deshalb seinen Platz in der Kinogeschichte verdient. Auch, wenn freilich nicht jede Idee gut, nicht jede Szene perfekt ist.

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Wie rausfinden aus dem Star-Wars-Dilemma?

Ein Regisseur, der das volle Vertrauen von Disney genossen und einen kongruenten Plan über die gesamte Trilogie hinweg verfolgt hätte, wäre, wie erwähnt, wünschenswert gewesen. Doch er hätte es auch schwer gehabt. Auf der einen Seite hat ein Großteil der Star Wars Fans sehr genaue Vorstellungen davon, wie und was ein Star Wars Film zu sein hat. Das läuft oftmals darauf hinaus, dass Elemente der Original-Trilogie beibehalten werden sollen beziehungsweise nicht zu stark gebeugt werden dürfen.

Verkannte Perlen #2: Der Pate III

Auf der anderen Seite hörte ich einen passionierten Star Wars Fan einige Wochen nach Erscheinen von Episode 7 nicht unzufrieden aber doch ein wenig desillusioniert und mit einer gewissen Berechtigung orakeln: „Was soll da schon noch passieren? Es läuft auf einen finalen Kampf zwischen Kylo Ren und Rey hinaus, den Rey gewinnen wird“. Das gab zu denken. Wie schafft man es, den Erwartungen des Fan-Universums gerecht zu werden und gleichzeitig dieser Spirale der Belanglosigkeit zu entkommen? Wie kann sich Star Wars eigentlich noch von jeder x-beliebigen Science-Fiction oder Fantasy-Produktion absetzen?

Aliens und Raumschiffe holen heute keinen müden Hund mehr hinterm Ofen hervor. Warum sollte man heutzutage eigentlich noch für einen Star Wars Film ins Kino gehen, anstatt zu warten, bis er Mittwochabend im Privatfernsehen läuft?

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Abrams läuft vor lauter Fan-Service in die narrative Sackgasse

Auch narrativ ist die Gefahr der Sackgasse omnipräsent, in die J.J. Abrams mit „Das Erwachen der Macht“ hineinzulaufen begann. Klar, die Schablonen liegen doch so verführerisch auf dem Tisch, da kostet es viel Überwindung, lieber etwas Neues zu basteln. Aber wirklich emotionalisieren wird man mit Neuaufgüssen niemanden. Der einzige Ausweg aus diesem Dilemma kann es sein, Neues zu erzählen. Frische Ideen aber freilich stets basierend auf dem Foliensatz, den George Lucas anno dazumal geschaffen hat. Wenn dies gelingt, dann leuchten die Augen wieder, dann stehen Münder wieder offen.

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Das zeigt sich im Nachhinein in der Sequel-Trilogie vollends belegt: Alle drei Filme waren immer dann gut, wenn sie sichtbar die tonnenschwere Last der Erwartungshaltung und den unbedingten Willen zum Fan-Service abgestreift haben und einfach neue Gänsehaut-Szenen in dem uns bekannten Star-Wars-Universum produziert haben. Das kam in Episode 9 praktisch gar nicht vor.

Das war in Episode 7 unter anderem erreicht, wenn Pragmatiker Han Solo (Harrison Ford), der eigentlich nie etwas mit der Macht und den Jedi zu schaffen hatte, in einer Szene der Erkenntnis reflektiert: „Es ist alles wahr“. Oder wenn das alte Schmuggler-Duo Solo und Chewbacca in einem „Last Dance“ die Basis der Ersten Ordnung infiltrieren. Oder wenn der übergelaufene Sturmtruppler Finn – schon als solcher einer der interessantesten Charaktere – gegen den übermächtigen Kylo Ren zum Lichtschwert greift und rätselhafte Macht-Skills zum Vorschein kommen.

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Luke vs. Erste Ordnung: Ein Wallpaper muss her

Doch die meisten und intensivsten Gänsehaut-Szenen lieferte „Die letzten Jedi“. Die Macht-Unterweisung von Luke Skywalker an Rey unterscheidet sich komplett von der Yodas an ihn selbst in „Das Imperium schlägt zurück“. Die Kombination mit den Drohnen-Aufnahmen des beeindruckenden Drehortes Skellig Michael (Irland) ergibt eine großartige Gesamtkomposition.

Verkannte Perlen # 3: Die Nibelungen (1966/67)

In der Dopplung von Lukes Urteil „Erstaunlich – jedes deiner Worte war falsch“, sowohl bei Reys Ausbildung, als auch beim Trashtalk mit Kylo Ren, steckt textlich mehr Inspiration als in den gesamten Episoden 7 und 9 zusammen. Die letzte Begegnung von Mark Hamill als Luke und der schon vor Kinostart verstorbenen Carrie Fisher als Lukes Schwester Leia muss jedem Sympathisanten der Reihe mindestens einen tiefen Seufzer abringen.

Von Lukes Konfrontation mit der Delegation der ersten Ordnung hätte ich gern ein Poster in Übergröße. Wohl die epischste Kamera-Einstellung des gesamten Franchises. Die beeindruckend choreographierte Auseinandersetzung zwischen Kylo und Rey auf der einen sowie den Prätorianern auf der anderen Seite ist der beste Lichtschwert-Kampf seit dem Auftritt von Darth Maul.

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Star-Wars-Regisseure sollten nicht zum Publikum sprechen

All das sind großartige Momente, die Rian Johnson dem Publikum geschenkt hat. Sie erreichen eine Intensität, in die gewöhnliche Sci-Fi-, Abenteuer-, Action- oder Fantasy-Filme nur noch in den seltensten Fällen vorzudringen vermögen. In diese Haute Cuisine schafft es „Das Erwachen der Macht“ nur äußerst bedingt hinein, liefert ansonsten eher solide Hausmannskost.

„Der Aufstieg Skywalkers“ bleibt derweil komplett in der Pommesbude zurück und lässt sich die Pappschachtel von der ranzigen Mayonnaise durchtriefen. Aber natürlich wollen wir ehrlich sein und auch die schwächeren Szenen nicht verschweigen. Die komplette Casino-Episode, die Finn und Rose (und vor allem die Zuschauer) durchstehen müssen, wirkt künstlich in den Film hineingeschrieben, um bloß auch eine soziale Botschaft zu transportieren.

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Es schließt sich die ebenso überflüssige Kamel-Esel-Szene an, womit man dann auch die obligatorische Verfolgungsjagd abgehakt hat. Beides nimmt man auf sich, um „DJ“ zu finden, einen komplett überflüssigen Charakter, für den man sich extra einen profilierten Darsteller wie Benicio del Torro auf’s Schiff geholt hat. Was für eine Verschwendung. Allgemein ist die Sequel-Trilogie immer dann am schlechtesten, wenn der jeweilige Regisseur selbstreferentiell auf der Meta-Ebene zum Publikum zu sprechen gedenkt. Bei Rian Johnson lautet die Botschaft dabei meist: „Schaut her, ich breche jetzt mit Konventionen“.

J.J. Abrams hingegen scheint in Episode 9 immer wieder die aufgebrachten Fanboys mit seinem „gigantischen Mittelfinger in Richtung Rian Johnson“ versöhnen zu wollen. Beides ist extrem störend für Zuschauer, denen dieser rechthaberische Kampf um die Star-Wars-Deutungshoheit am Allerwertesten vorbeigeht und die einfach eine tolle, atmosphärische Space Opera erleben wollten.

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Der „Streich“ mit dem Lichtschwert… dumme Idee!

In diesem Kontext sind es in „Die letzten Jedi“ vor allem zwei Szenen, die sauer aufstoßen. Zum einen der erste Auftritt Luke Skywalkers, der das Lichtschwert achtlos hinter sich wirft, das Rey ihm zum Finale von Episode 7 feierlich überreicht hat. Falls Johnson damit erreichen wollte, dass durch jedes Kino bei der Premiere ein Raunen ging, so hat er das vermutlich geschafft. Aber irgendjemand hätte ihm doch sagen sollen, dass dieser kecke Streich es nicht wert ist, einen Großteil der Anhängerschaft gleich nach wenigen Minuten komplett zu verlieren.

Fast genauso ärgerlich ist der Reveal von Reys Identität. Im telepathischen Zweigespräch offenbart ihr Kylo nämlich: „Du bist… niemand!“. Damit ist übrigens gemeint, dass Rey in keinem Verwandtschaftsverhältnis zu einem der Traditions-Charaktere steht. Das macht diesen Dialog so unauthentisch, denn ohne Publikum würde er niemals stattfinden. Wieso ist man automatisch „niemand“, wenn man nicht von der Familie Skywalker abstammt? Und wieso ist das überhaupt Rens Beritt – hat er nicht eine Galaxis zu unterjochen?

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Diese berechtigten Kritikpunkte sollen den Enttäuschten zugestanden werden, da bricht den Befürwortern kein Zacken aus der Krone. Andere Steine des Anstoßes wirkten hingegen reichlich abstrus. So wurde es als klarer Fehler angesehen, dass die Backstory des Anführers Snoke nicht aufgedröselt wurde. Wirklich? Deswegen soll es ein schlechter Film sein? Aus irgendeinem finsteren Winkel wird er schon gekommen sein. Wo steht denn bitteschön, dass immer alles erklärt werden muss? Andere Kritiker betonten vermeintliche physikalische Defizite in Johnsons Drehbuch.

So könne es im Weltall weder Verfolgungsjagden noch herabfallende Bomben geben. Das mag auch durchaus sein, doch reden wir hier immer noch von einem Filmuniversum, in dem seit jeher tödliche Blasterschüsse mit Lichtschwertern pariert wurden. Derartige Diskussionen sollten nicht zu viel Beachtung bekommen und werden nur noch von der Diversity-Wut übertroffen, die hier gar nicht weiter ausgeführt wird.

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Halten wir lieber einige Wahrheiten zu Star Wars 8 fest:

  • Er hat mit Abstand die schönsten Szenen der Sequel-Trilogie.
  • Er ist kein Aufguss eines alten Star Wars Filmes, wie Episode 7.
  • Er verfügt im Gegensatz zu Episode 9 wenigstens über so etwas wie eine plausible Story.
  • Er ist der einzige, der einen Ausweg aus der kreativen Sackgasse wenigstens sucht.
  • Allen recht machen kann es sowieso kein Star Wars Film mehr.

Schon damit ist die Frage nach dem besten der drei Filme entschieden. Der Ansatz war der richtige. Rian Johnson war kurz davor, „Die letzten Jedi“ zum einem richtig, RICHTIG guten Film zu machen. Hätte er sich doch nur den Streich mit dem Lichtschwert verkniffen.