THUDERBOLTS*

Inhalt: In THUNDERBOLTS* stellt Marvel Studios ein unkonventionelles Team von Antihelden zusammen – Yelena Belova, Bucky Barnes, Red Guardian, Ghost, Taskmaster und John Walker. Nachdem sie in eine von Valentina Allegra de Fontaine gestellte Todesfalle geraten sind, müssen sich die hoffnungslosen Außenseiter auf eine gefährliche Mission begeben, die sie zwingt, sich den dunkelsten Ecken ihrer Vergangenheit zu stellen. Wird diese dysfunktionale Gruppe sich gegenseitig zerfleischen oder Erlösung finden und sich zu etwas viel Größerem zusammenschließen, bevor es zu spät ist?

© Marvel Deutschland

Superkräfte im Selbstbaukasten

Wenn die Avengers das A-Team des Marvel-Universums sind, dann fühlen sich die Thunderbolts eher wie das B-Team an. In den Comics ursprünglich eine Truppe aus Antihelden, die die Lücke nach dem Tod der Avengers füllte, sind sie im Marvel Cinematic Universe eine wilde, widersprüchliche Ansammlung von Söldnern und verlorenen Seelen. Rekrutiert von der mysteriösen Valentina Allegra de Fontaine – gespielt von Julia Louis-Dreyfus als zynische „Evil Veep“ – entsteht hier eine Art improvisiertes Superhelden-Konglomerat, das sich im besten Sinne selbst zusammenbaut: uneinheitlich, wackelig, aber mit überraschender Dynamik.

Das Team ist absichtlich zerstückelt – wie ein unvollständiger IKEA-Bausatz. Einzelgänger, Außenseiter und moralisch Fragwürdige sind hier gezwungen, zusammenzuarbeiten, um menschliche und übermenschliche Bedrohungen zu bekämpfen. Dazu gehören John Walker alias U.S. Agent (Wyatt Russell), der als gescheiterte Captain-America-Kopie auftritt, Ava Starr alias Ghost (Hannah John-Kamen), die zuletzt in Ant-Man and the Wasp zu sehen war, und Alexei Shostakov alias Red Guardian (David Harbour), der nun als selbst ironischer Chauffeur mit Hang zur Übertreibung für Stimmung sorgt.

Die Hauptrollen nehmen jedoch Sebastian Stan als Bucky Barnes – ein moralisch zerrissener MCU-Veteran – und Florence Pugh als Yelena Belova ein. Letztere spielt eine begabte, aber orientierungslose Killerin mit einem der ausdrucksstärksten Gesichter des gegenwärtigen Kinos. Pugh pendelt gekonnt zwischen abgeklärtem Sarkasmus („Keiner von uns kann fliegen – wir schlagen und schießen alle nur“) und einem subtil gespielten inneren Schmerz. Und dann ist da noch Bob (Lewis Pullman) – eine Figur, deren Natur zu komplex ist, um sie in wenigen Worten zu erklären, aber die definitiv eine Überraschung bereithält.

Zwischen Trauma, Teamdynamik und schwarzem Humor

Regisseur Jake Schreier (Robot & Frank) inszeniert keine klassische Heldenreise. Stattdessen richtet er seinen Fokus auf die Zwischentöne – und erlaubt seinem chaotischen Ensemble, zwischen Super-Serum-Marken und Schrotflinten-Typen auch mal über tiefere Themen zu reden. Das Ergebnis ist stellenweise rau und ungeschliffen, aber gerade deshalb erfrischend. Wie bei den Guardians of the Galaxy geht es letztlich um eine bunt zusammengewürfelte Familie – nur eben mit deutlich weniger Glanz und mehr Abgrund.

In den letzten Jahren wurde das Actionkino von stilvollen Kulissen beherrscht, in denen kunstvoll gestaltete Aufnahmen das Chaos optisch aufwerten. Thunderbolts* verfolgt einen anderen Ansatz. Allerdings fehlt es dem Film an visueller Leuchtkraft – im wahrsten Sinne des Wortes. Die Farbpalette ist blass, die Bildsprache zurückhaltend, die Bedrohung in der zweiten Hälfte des Films versickert zunehmend in generischem CGI-Nebel. Thematisch ist Thunderbolts* deutlich düsterer als viele seiner Vorgänger. Von Anfang an – wie der monochrome Vorspann andeutet – behandelt der Film schwere Themen: Selbstmord, manisch-depressive Episoden, häusliche Gewalt, sogar moderne Sklaverei.

Was nach DC klingt, wird hier mit überraschender Emotionalität verknüpft. Auch wenn psychische Instabilität nicht immer differenziert dargestellt wird, ist der Versuch spürbar, dem Film Substanz zu verleihen. Die finale Auflösung wirkt deshalb auch unerwartet persönlich und berührend – weniger Spektakel, mehr Seelenspiegel.

Fazit: Mut zur Lücke

Thunderbolts* ist kein makelloser Marvel-Blockbuster. Aber er ist ein Experiment – sowohl in inhaltlicher als auch in erzählerischer Hinsicht. Vom Titel (dessen Sternchen übrigens erklärt wird) bis zur melancholischen Teamdynamik versucht der Film, der etwas formelhaften MCU-Maschinerie neuen Schwung zu verleihen. Manchmal gelingt ihm das, manchmal nicht. Aber genau das ist sein Reiz: Er wagt es, anders zu sein. Und schafft so Raum für Figuren, die sonst keinen hätten. Das B-Team hat sich seinen Platz verdient. Film Bewertung 7 / 10