Genre: Action / Abenteuer | Produktion: USA 2021 | Laufzeit: ca. 140 Minuten | Regie: Robert Eggers
Mit: Alexander Skarsgård, Ethan Hawke, Björk, Anya Taylor-Joy, Bill Skarsgård, Willem Dafoe, Claes Bang u.a
Inhalt: Zu Beginn des zehnten Jahrhunderts sucht ein nordischer Prinz, der zum brutalen Krieger namens Amleth (Alexander Skarsgård) geworden ist, blutige Rache an dem Mann, der für die Ermordung seines Vaters (Ethan Hawke) verantwortlich ist. Er erhält auf seinem Weg übernatürliche Unterstützung.
In den letzten 20 Jahren hat kein Filmemacher das Thema Volksmärchen und Sagen so gut umgesetzt wie Robert Eggers. The Witch und Der Leuchtturm zeigten seine Fähigkeit, die alten Geschichten in Zelluloidform zu übertragen, ohne dabei die historische, mystische und kulturelle Glaubwürdigkeit ihrer Ursprünge zu verlieren.
Und beide Filme waren ein schräges und abgedrehtes Geschenk, das sich sehen lassen konnte. Allerdings sind diese intimen Porträts nordamerikanischer Mythen etwas ganz anderes als die Wikingerlegende in Eggers‘ neuestem Projekt. Zu sagen, dass er einen Zahn zugelegt hat, wäre eine Untertreibung – der Mann hat es richtig krachen lassen.
Die ambitionierte Erkundung der nordischen Mythologie führt zur Anbetung unterschiedlicher Götter. Jeder, der mit Marvels Thor-Franchise vertraut ist, wird Namen wie Odin oder Freyja wiedererkennen, aber dies ist vor allem die brutale Geschichte eines Mannes. Eines Mannes im Besonderen: Prinz Amleth, ein brutaler Krieger, der von Alexander Skarsgård mit unbändiger Intensität gespielt wird.
Shakespeare, Blut und Fabel
Mit nach vorn gebeugten Schultern schleicht er über die Leinwand und trägt das Gewicht aller Morde, die er begangen hat, seitdem er als Junge von zu Hause fliehen musste, nachdem er Zeuge der Ermordung seines Vaters, König Aurvandil (Ethan Hawke), durch seinen Onkel Fjölnir (Claes Bang) geworden war, um das Königreich im Norden zu übernehmen.
Wenn sich diese Geschichte ähnlich wie Hamlet anfühlt, liegt das daran, dass Eggers und sein Co-Autor, der isländische Dichter Sjón, sich von derselben dänischen Geschichte aus dem 12. Jahrhundert inspirieren ließen wie Shakespeare. Aber die beiden haben die mystischen Stränge der isländischen Fabel gekonnt zu fünf vielschichtigen Kapiteln eines bombastischen Dramas verknüpft, das in so viele familiäre Konflikte, skurrile Romanzen und blutrünstige Gewalt verwickelt ist, dass Körper, Geist und Seele nach zweieinhalb Stunden ein Eisbad brauchen, um sich zu erholen.
Die einzelnen Actionsequenzen werden von Kameramann Jarin Blaschke mit einer derartigen Präzision und Tiefe in Szene gesetzt, dass keine Performance verschenkt wird. In einer Sequenz begleitet die Kamera Amleth, wie er in die Schlacht stürmt, auf ein Lager zu sprintet, während Speere und Pfeile an seinem nackten Körper vorbeipeitschen, bevor er sich über die hohe, hölzerne Mauer stürzt, sich darüber schleppt und mit einer Axt die Köpfe, Hälse und Rücken mehrerer Gegner trifft.
Später, als er durch das Dorf streift und aus dem Bild verschwindet, werden wir Zeuge der unerbittlich grausamen Gewalt, die er wehrlosen Frauen und Kindern entgegen bringt, um anschließend auf die gleiche grausame Weise ins Bild zurückzukehren.
In Skarsgård brennt unbändiges, altnordisches Feuer
Solche langen Einstellungen, begleitet von der pulsierenden Musik der Komponisten Robin Carolan und Sebastian Gainsborough, die mit Trommelschlägen und tiefen Tönen unterlegt ist, unterstreichen das wilde Spektakel und die unbarmherzige Härte dieser Zeit. Sie unterstreichen aber auch die beeindruckende Körperlichkeit von Skarsgård.
Der schwedische Schauspieler wollte schon lange einen Wikinger spielen, und Eggers hat die perfekte Umgebung geschaffen, um den Berserker in ihm zum Vorschein zu bringen. Egal ob im natürlichen Licht vor Wäldern, Bergen, Meeren und Flüssen oder auf der schwarz-weißen Ebene der Götter, toten Könige und Walküren in einem Schleier. Skarsgård scheint vom altnordischen Feuer besessen zu sein und zeigt sowohl Melancholie als auch einen ausgeprägten Blutdurst. Es ist ganz anders als alles, was er bisher gemacht hat.
Bei einem so wilden historischen Epos ist jeder Schauspieler bereit, sich dem Wahnsinn hinzugeben. Anya Taylor-Joy überzeugt als weiße Hexe Olga des Birkenwalds, die eine ebenso schillernde wie einfallsreiche Figur mit stiller Zuversicht und emotionaler Härte ist.
Bis nach Valhalla
Hawke und Willem Dafoe – als Heimir der Narr – sind in einer frühen Ritualszene geradezu urzeitlich. Björks Seherin ist pure Magie, und Bang verleiht seinem Hauptantagonisten Würde und glaubhafte Grausamkeit. Nicole Kidman hingegen ist als Amleths Königinmutter ausgesprochen faszinierend und stellt mit ihrer Rolle die gesamte Weltanschauung ihres Sohnes in Frage.
Das ist das Schöne an dieser Geschichte von Helden und Schurken, Gut und Böse: Es geht um die Perspektive. Und Eggers‘ Vision der Alten Welt ist eine, die sich den Irrtümern von Männern nähert, die bereit sind, um des Erbes, der Ehre und der der Tradition willen zu töten und zu sterben.
„Red Rocket“ zeigt ein moralisches, inszenatorisches und narratives Spiegelkabinett
Er nimmt uns mit auf eine blutige, erbarmungslose Reise über das Meer, das Land und andere Welten, die ihren Höhepunkt in einer kathartischen Schlacht im dritten Akt findet, welche in feurigem Spektakel endet. „Bis nach Valhalla!“, in der Tat.
Fazit: Es ist eine intime, kulturell reichhaltige Geschichte von brutal epischem Ausmaß. Skarsgård ist in seinem Element, unterstützt von einer sensationellen Besetzung, die sich kopfüber in Eggers‘ und Sjóns faszinierende Vision stürzt. Eine filmische Saga, die der Vorfahren würdig ist.
Film Bewertung 9 / 10
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