Inhalt: The Lost Bus“ wurde vom Oscar-nominierten Regisseur Paul Greengrass inszeniert und beruht auf wahren Begebenheiten. Auf der waghalsigen Fahrt durch einen der tödlichsten Waldbrände der USA kämpfen ein eigensinniger Schulbusfahrer (Oscar-Preisträger Matthew McConaughey) und eine engagierte Lehrerin darum, 22 Kinder aus dem schrecklichen Inferno zu retten.
Der langsame Weg ins Inferno
Nach fünf Jahren kreativer Pause kehrt Paul Greengrass mit einem Thema zurück, das wie geschaffen für seinen unverkennbaren Film-Stil ist: realistisch, politisch aufgeladen, tief im Lebensalltag verwurzelt. The Lost Bus ist kein klassischer Katastrophenfilm, sondern ein eindringliches, psychologisch fundiertes Drama über das Überleben in einer Notsituation, das gleichzeitig eine Welt widerspiegelt, in der Heldentum nicht laut, sondern ziemlich leise ist.
Greengrass, der mit Filmen wie Flug 93, Captain Phillips und Neues aus der Welt das Doku-Suspense-Kino geprägt hat, verlässt auch diesmal nie ganz den Boden der Realität. Aber anders als in seinen bisherigen Werken liegt der Fokus hier mehr auf dem Innenleben der Charakter: Menschen ,die scheitern, zweifeln, hoffen und manchmal einfach nur durchhalten. The Lost Bus beginnt zunächst harmlos, fast altmodisch. Bedrohliche Aufnahmen von trockenem Unterholz, das leise Rauschen des Windes und die unheilverkündenden Töne von James Newton Howards Filmmusik kündigen bereits an, dass sich hier eine Katastrophe zusammenbraut. Der Anfang erinnert an klassische 1990er-Katastrophenfilme wie Volcano, doch Greengrass‘ Ansatz ist ernster, dokumentarischer und nicht allzu bombastisch.
Im Mittelpunkt des Films steht Kevin McKay (Matthew McConaughey), ein Schulbusfahrer, der vom Leben längst überrollt wurde. Seine Mutter ist krank (McConaughey echte Mutter), sein Sohn entfremdet (sein realer Sohn). So ist er unbeliebt, hat kaum Perspektiven und fühlt sich innerlich einfach leer. Zusammen mit Drehbuchautor Brad Ingelsby (Mare of Easttown) zeichnet Greengrass ein schonungsloses Porträt eines Mannes am Abgrund. Es ist fast schon zu überladen, etwas zu repetitiv. Denn bevor überhaupt was passiert, stapeln sich die Schicksalsschläge.
Als die Kleinstadt jedoch von einem verheerenden Waldbrand bedroht wird, verschiebt sich der Fokus. McKay steht vor der Aufgabe, 21 Kinder und ihre Lehrerin Mary Ludwig (America Ferrera) zu evakuieren. Eine Routinemission, die schnell zu einem Überlebenskampf wird: Der gesamte Straßenverkehr kommt zum Erliegen, die sich ausbreitenden Flammen kommen immer näher und der Bus wird zu einer rollenden Falle.

Überleben als leise Heldentat
Was folgt, ist kein Heldenspektakel, sondern eine reine, greifbare Spannung. Dabei bleibt Greengrass‘ Kamera nah an den Figuren und fängt sowohl das Zittern ihrer Hände als auch das Flackern des Feuers und die stickige Luft ein. Vor allem die Szenen im Bus gehören zu den intensivsten Momenten seiner Filmografie: klaustrophobisch, rau und bedrückend real. Der Regisseur verzichtet konsequent auf Pathos. Seine Helden sind keine makellosen Weltretter, sondern verwundbare Menschen, die improvisieren, straucheln und zweifeln. Das Feuer wird dabei weniger als Drohkulisse inszeniert, sondern vielmehr als Spiegel innerer Zerrissenheit. Es ist eher eine Naturgewalt, die keine Moral kennt.
Nebenfiguren wie der Feuerwehrchef (Yul Vazquez) und sein Krisenteam bleiben oberflächlich, bloße Funktionäre in einem übergeordneten Konstrukt. Doch genau das ist Greengrass‘ Ansatz, sich als Teil einer unübersichtlichen und chaotischen Realität zu fühlen, in der jeder einzelne Handlungsschritt zwischen Tapferkeit und Hoffnungslosigkeit schwankt. The Lost Bus lehnt die klassische Katastrophenfilm-Dramaturgie konsequent ab. Wo andere auf Bombast setzen, wählt Greengrass die Ruhe. Gerade diese stillen Momente im Qualm, im Dunkeln, zwischen Hoffnung und Resignation sind seine Stärken.
Hier gibt es keine aufgesetzten Helden-Posen, keine hochtrabenden Reden, kein Happy-End-Klamauk. Stattdessen zeigt der Film, wie Menschen reagieren, wenn sie mit so etwas Unfassbarem konfrontiert werden: nicht als Helden, sondern als Überlebende. Das verleiht dem Werk eine gewisse Würde, aber auch eine entsprechende emotionale Distanz. Stellenweise wirkt „The Lost Bus“ fast schon zu aufgeräumt, zu kontrolliert. Die emotionale Wirkung, die Greengrass in „Flug 93“ oder „Captain Phillips“ erzielte, ist hier gedämpft. Dabei ist es gerade diese Zurückhaltung, die den Film erst so ehrlich macht.
Fazit: The Lost Bus ist ein intensives, visuell überzeugendes Katastrophendrama, das sich bewusst vom Getöse seiner Genre-Vorgänger abhebt. Die Feuerszenen sind furchteinflößend und bleiben in Erinnerung als ein brennendes Symbol menschlicher Verwundbarkeit. Matthew McConaughey liefert eine seiner besten Darstellungen, America Ferrera überzeugt mit ihrer Ruhe und Tiefe. Und Paul Greengrass beweist einmal mehr sein Gespür für das menschliche Element im Chaos. Dennoch bleibt das Drama eher dokumentarisch als spannungsgeladen, ein Film, der respektiert werden will, nicht geliebt.
Film Bewertung 7 / 10 Punkten