Inhalt: Wer ist Chuck? Die Welt geht unter, Kalifornien versinkt im Meer, das Internet bricht zusammen – doch in einer amerikanischen Kleinstadt herrscht vor allem Dankbarkeit gegenüber Charles „Chuck“ Krantz (Tom Hiddleston), einem gewöhnlichen Buchhalter, dessen Gesicht allen freundlich von Plakatwänden und aus dem Fernsehen zulächelt. Wer ist dieser Mann, den niemand wirklich zu kennen scheint? Ein Rätsel, das weit zurückreicht, bis in dessen Kindheit bei seiner Großmutter (Mia Sara), die ihre unendliche Liebe fürs Tanzen an ihn weitergab, und seinem Großvater (Mark Hamill), der ihn in die Geheimnisse der Buchhaltung einweihte und unbedingt vor der verschlossenen Dachkammer bewahren wollte. Ein Rätsel, das vor allem eine Frage aufwirft: Kann das Schicksal eines Einzelnen die ganze Welt beeinflussen?
Zwischen Weltuntergang und Kindertanz: Stephen Kings zartester Filmmoment
Es ist eine allseits akzeptierte Wahrheit: Wenn Stephen King sich nicht für den Horror-Bereich entscheidet, ist er richtig gut. Dafür stehen Filmklassiker wie „Die Verurteilten“, „Stand By Me“ – und jetzt „The Life Of Chuck“. Mike Flanagan (taucht kurz im Film auf), bisher eher für Horror in finsteren Korridoren zuständig, inszeniert hier einen erstaunlich „lichtdurchfluteten“ Film. Sein brandneuer Film ist kein Schocker, sondern ein warmherziger, ab und zu tänzerischer Blick auf das Leben selbst – und das eigene unausweichliche Ende.
Die Geschichte beginnt inmitten von Weltuntergangs-Stimmung: Der Lehrer Marty Anderson (Chiwetel Ejiofor) versucht, so gut es ihm ergeht, einen Funken Sinn zu vermitteln, während mysteriöse Werbetafeln einen gewissen Charles Krantz (Tom Hiddleston) in den wohlverdienten Ruhestand verabschieden. Doch wer ist dieser Mann, der scheinbar mit dem Untergang der Welt verbunden ist? Was folgt, ist kein klassischer Dreiakter, sondern ein zerstückelter Lebensrückblick – eine Collage aus Erinnerungen, Gefühlen und Erlebnissen. Flanagan nimmt sich die Freiheit, Kings Novelle liebevoll anzunehmen, anstatt sie zu sezieren. Und das gelingt ihm erstaunlich gut.
Die Versatzstücke wirken zunächst zusammenhangslos, fügen sich dann aber zu einem großen Gesamtbild zusammen, welches eine kraftvolle emotionale Wirkung hervorruft. Insbesondere Benjamin Pajak übernimmt als elfjähriger Chuck das Ruder: Mit seiner frühreifen Präsenz, seiner verspielten Leichtigkeit und Chucks fragilen Natur verleiht er dem Film genau den Zauber, den man in vielen King-Adaptionen vergeblich sucht.
Wenn das Leben tanzt – und der Tod nur leise applaudiert
In „The Life of Chuck“ wird viel getanzt – nicht aus Albernheit, sondern aus purer Lebensfreude. Jede Bewegung wirkt wie ein Gegenmittel gegen die Melancholie, die dennoch allgegenwärtig bleibt. Denn obwohl dieser Film durch Menschlichkeit glänzt, ist er nie zu kitschig. Es gibt immer einen nicht fassbaren Schatten, ein Gefühl des Verlustes. Genau diese Balance ist es, die die Geschichte so besonders macht. Mike Flanagan zeigt, dass er nicht nur zu erschrecken weiß, sondern auch Mut machen kann. Er umarmt den Zuschauer – nicht auf schleimige Art und Weise, sondern durch eine ehrliche, empathische Herangehensweise.
Tom Hiddleston, der in der Film-Promotion viel präsenter ist als im eigentlichen Film, nutzt seine wenigen Szenen sinnvoll: ohne Loki-Zynismus, mit viel innerer Ruhe. Der Film spielt nicht mit seiner Starpower, sondern brillirt durch leise Töne. Es geht nicht um das, was auf der Leinwand passiert – sondern um das, was im Gefühl mitschwingt. Man kann dem Film vorwerfen, er sei zu manipulativ emotional, zu subtil oder zu weich gezeichnet. Doch wenn man sich darauf einlässt, bekommt man etwas Seltenes: einen Film, der die Essenz der menschlichen Existenz zelebriert – mit all ihrer Komplexität, ihren Emotionen, ihrem Abschiedsschmerz.
Fazit: Die Geschichte rund um Chuck, in all ihrer lebensbejahenden, leicht verwirrenden Pracht, ist nichts weniger als das filmische Äquivalent einer festen Umarmung eines geliebten Menschen.
Film Bewertung 9 / 10