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Filmplakat zu einem Film von Chloe Zhao. Der Film heisst Songs my brother taught ne.

Erscheinungsdatum: 2. März 2016 (Vereinigte Staaten) Regie: Chloé Zhao | Drehbuch: Chloé Zhao

Kamera: Joshua James Richards | Produzenten: Chloé Zhao, Mollye Asher, Angela C. Lee, Nina Yang Bongiovi, Forest Whitaker


Story: Jashaun (Jashuan St. John) lebt mit ihren älteren Brüder in einem Reservat im US-Bundesstaat South Dakota, wo sie versuchen das moderne Leben und ihren traditionellen Lebensstil miteinander zu vereinen. Die emotionale Bindung zwischen Jashaun und ihrem Bruder Johnny (John Reddy) wird auf die Probe gestellt, als ihr entfremdeter Vater stirbt. Johnny will nun unbedingt seiner Freundin nach Los Angeles folgen, während Jashaun von Johnnys Idee wenig begeistert ist.

©Kino Lorber

Film Kritik:

von Ilija Glavas

Das Debüt von Chloe Zhao aus dem Jahr 2015 ist eindeutig aus demselben Holz geschnitzt, wie The Rider und Nomadland, wenn auch nicht ganz so formvollendet.

Songs My Brothers Taught Me ist ein sich langsam entwickelndes Porträt des Lakota-Pine-Ridge Dakota Reservats, das, wie Zhaos spätere Arbeiten, durch eine feine Mischung aus nicht-fiktionalem Naturalismus (die Darsteller sind allesamt Laien Darsteller) und poetischer Lyrik erzählt wird. Wenn ihm auch die ergreifenden Qualitäten der späteren Werke (vor allem Nomadland) fehlen, so bietet er doch fantastische Momente und handwerklich ansprechende Bilder und vermittelt einen selten authentischen, einfühlsamen Einblick, in eine bisher unterrepräsentierte Gemeinschaft.

Wenn Nomadland ein Roadtrip quer durch Amerika ist, geht es in Songs My Brothers Taught Me um Charaktere, die resolut an einem Ort festsitzen. Das Herzstück der Geschichte ist die rührend dargestellte Beziehung zwischen dem Highschool-Schüler Johnny (John Reddy) und seiner 12-jährigen Schwester Jashaun (Jashaun St. John). Ihre Verbundenheit ist bedroht, als Johnny plant, mit seiner Freundin Aurelia (Taysha Fuller) nach Kalifornien zu gehen, die in Los Angeles aufs College geht.

©Kino Lorber

Von Alkohol Missbrauch und Rodeo Träumen: toll bebildert und Lebhaft dargestellt

Um diesen Kern der Handlung herum webt Zhao (ausgesprochen „Jow“) Ausschnitte aus dem Leben im Reservat – oder „Rezz Life“, wie es auf einem selbstgemachten T-Shirt steht, wie Johnnys Missgeschicke beim Verkauf von illegalem, selbst gebrannten Schnaps und Jashauns Beziehung zu einem gestörten Tätowierer (Travis Lone Hill), um dann bei einem Rodeo ihren Halbbruder (Kevin Hunter) kennenzulernen.

Die Regisseurin lebte vier Jahre lang im Reservat, bevor sie eine einzige Einstellung drehte. Und dieses Maß an Recherche und Eintauchen in die Materie zieht sich durch jedes Bild. Es gibt Einblicke in den Schul-Alltag, wo Schüler ihre Zukunftspläne diskutieren, während sie mit Schlangen und Spinnen hantieren. Des weiteren zeigt uns Zhao eine Beerdigung und indianische Gesangs- und Tanzzeremonien, die allesamt Realismus und Textur hinzufügen, aber wenig zur Weiterentwicklung der Geschichte beitragen.

Es ist nicht so, dass „Songs“ Ereignislos wäre, denn es gibt Sexszenen, Schlägereien, Rodeos und sogar ein explodierendes Auto. Aber Zhao gibt ihnen keine erzählerische Bedeutung oder mehr Gewicht als den kleineren Momenten aus dem Leben.

Es ist eine kluge, menschliche Herangehensweise und die überzeugenden Darbietungen von Reddy und St. John, tragen dazu bei, was das scheinbar ohne Drehbuch entstandene Gefühl noch verstärkt – obwohl Johnnys Voice-Over nervt. Der Kameramann Joshua James Richards, der mittlerweile zu den Stammpersonal von Zhao gehört, findet Bilder der Melancholie und Einsamkeit, sei es in intimen Räumen oder in den weiten Weiten der Badlands von Dakota.

©Kino Lorber

Fazit: Der Film ist rauer und weniger fesselnd als die nachfolgenden Filme, aber er hat Momente von trauriger Schönheit und bietet einen faszinierenden ersten Vorgeschmack auf eine neue Kreativ-Stimme, die es zu schätzen gilt. Ein beeindruckendes Debüt eines schillernden Talents. Was hier an erzählerischen Schwung fehlt, macht Zhaos Erstling durch schöne Bilder, natürliche Darstellungen und eine ganz eigene Weltsicht wieder wett.

Wertung 7 / 10

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