Erscheinungsdatum: 12. Mai 2021 Auf Netflix | Regie: Alexandre Aja | Darsteller*innen: Melanie Laurent
Story: Eine Frau (Melanie Laurent) erwacht in einer futuristischen Kryokammer, ohne zu wissen, wo sie ist und wie sie dorthin gekommen ist. Sie kann sich nicht einmal daran erinnern, wer sie ist und trägt nur den Namen Omicron 267. Aber das eigentliche Problem ist, dass ihrer Kapsel die Sauerstoffversorgung rapide zur Neige geht.
Film Kritik:
von Ilija Glavas
Oxygen – oder Oxygene im französischen Original – wurde vor der Pandemie konzipiert und trifft perfekt die klaustrophobischen Ängste des Corona-Zeitalters. Ursprünglich sollte Anne Hathaway, die in ihrem eigenen Pandemie-Film Locked Down die Hauptrolle spielt – und später Noomi Rapace – die hier als ausführende Produzentin fungiert – die Hauptrolle übernehmen.
Alexandre Aja drehte den Film mit einer Minimalbesetzung. Für den Film wurde Melanie Laurent, bekannt aus Inglourious Basterds – verpflichtet – und eine Crew, die sich in einem geschlossenen Raum aufhielt, in dem die Synergie zwischen dem Thema und der Welt, die es umgibt, nicht besser hätte sein können. Aja, der schon früher mit Killerfischen (Piranha 3D) und Killeralligatoren (Crawl) für Angst und Schrecken gesorgt hat, wendet diesmal seine erstaunlichen technischen Fähigkeiten auf eine komplexere Studie über Isolation und Identität an.
In den Grundzügen klingt es wie eine Hightech-Version von Ryan Reynolds‘ – Gefangen-in-einem Sarg-Film – Buried. Aber in Wirklichkeit ist Oxygen, unterstützt von einer hervorragenden Laurent, so viel mehr.
Das Konzept ist der blanke Horror – nicht nur für Menschen mit Klaustrophobie
Das Konzept ist überragend. Eine Frau, die wir als Omicron 267 (Laurent) kennenlernen, in einem Kokon eingeschlossen und mit Gurten quer über der Brust fixiert, schnappt schlagartig nach Luft. Sie erkennt schnell, dass sie sich in einer modifizierten Kryokammer befindet, hat aber – ganz im Gegensatz zu Buried – keine Erinnerung daran, wo sie ist, wie sie dorthin gekommen ist und, was vielleicht noch schlimmer ist, wer sie ist.
Die Antworten kommen von MILO (Medical Interface Liaison Operator, gesprochen von Mathieu Amalric aus „Ein Quantum Trost“), einem Computersystem an Bord, das ihren Status überwachen soll. Abgesehen von der Amnesie ist Omicron 267s größtes Problem, dass ihr der Sauerstoff ausgeht. Der Sauerstoffgehalt liegt derzeit bei 35 Prozent und sinkt weiter, um dann bei drei Prozent das CEP, das Charitable Euthanasia Protocol, zu aktivieren.
Hier setzt der Nervenkitzel von „Oxygen“ ein, denn Omicron 267 beginnt, wütend mit MILO zu verhandeln, um zu versuchen, die Antworten zu bekommen, die die Lücken in ihrer Erinnerung füllen und sie befreien werden. Ein bissiger Kommentar zum modernen Leben ist das, was sie daran hindert herauszukommen: nämlich, dass sie sich nicht an das Administrator Passwort erinnern kann.
Verschiedene Blickwinkel und Lichtkompositionen, bringen Stimmung in die Kapsel
Es gibt flüchtigen Einblick an Fragmente möglicher Erinnerungen ( oder an evtl. Tagträume ?) : an das Meer, einen Ehemann, eine Krankenhausbahre und ein Gespräch mit der Polizei, die versucht, den Aufenthaltsort der Kapsel ausfindig zu machen. Und eine Begegnung mit einer Nadel in einem Arm, die Beruhigungsmittel oder palliative Dienste in Aussicht stellt. Dann, in einem Moment der Eingebung, bittet sie MILO, einen DNA-Test durchzuführen, der sich als Game Changer erweist.
Aja und Christie LeBlancs schlankes Drehbuch steigern die Spannung und die Beklemmung im ersten Abschnitt. Ihre Ratespiele mit MILO sind extrem fesselnd. Als Filmemacher findet Aja eine schwindelerregende Anzahl von verschiedenen Blickwinkeln und Lichtstimmungen, um zu verhindern, dass Laurent’s missliche Lage visuell langweilig wird.
Aber das eigentliche Ass im Ärmel ist Laurent, die abwechselnd stählern und verzweifelt ist. Sie macht Liz‘ Hirn Akrobatik unter Druck glaubhaft und verleiht dem Film mit ihren Reaktionen auf MILO auch eine ordentliche und dringend benötigte Portion trockenen Humors. Es ist vielleicht nicht überraschend, dass der Film nachlässt, wenn Aja anfangen muss, seine Karten auf den Tisch zu legen, und in die Exposition und die großen Themen abdriftet, die sich nicht mit dem kleinen Set-up vertragen.
Fazit: Das Ergebnis ist immer noch Ajas fesselndster, zufriedenstellender Film bis heute. Manchmal ist es gut, innerhalb der Box zu denken. Es ist zwar ein guter Film mit ordentlichen Spannungsbogen, der sich allerdings auch Leerlaufphasen erlaubt .
Im letzten Drittel verliert der Thriller an Tempo, da einige Fragen beantwortet werden und die zu große Ethik-Keule auspackt wird. Aber im Großen und Ganzen lässt Oxygen einen mit nach Luft schnappen. Und Melanie Laurent ist in praktisch jeder Einstellung grandios.
Wertung: 6.5 / 10