Like A Complete Unknown

Inhalt: New York, Anfang der 1960er Jahre. Die Musikszene pulsiert und alles ist geprägt von einer immensen kulturellen Aufbruchstimmung. Ein geheimnisvoller 19-jähriger aus Minnesota kommt mit seiner Gitarre und seinem außergewöhnlichen Talent ins West Village – und wird den Lauf der Geschichte amerikanischer Musik grundlegend verändern. Während er auf seinem Weg zum Ruhm engste Freundschaften und Beziehungen aufbaut, ändert er auch seine Einstellung zur Folk-Bewegung, von der er sich nicht vereinnahmen lassen will. Er trifft eine provokante Entscheidung, die einen kulturellen Nachhall in der ganzen Welt auslöst.

© 20th Century Studios DE

Musikalische Darbietungen und die Dylan-Hommage

Das filmische Universum von Bob Dylan ist in Bewegung. Es gibt bereits zahlreiche Filme über den legendären Singer-Songwriter – darunter zwei Dokumentarfilme von Martin Scorsese, sowie das experimentelle Drama „I’m Not There“ von Todd Haynes aus dem Jahr 2007 (in dem nicht weniger als sechs Schauspieler Dylans berühmte Art zu sprechen nachahmten).

Dazu zählt auch das bizarre Drama „Masked And Anonymous“ aus dem Jahr 2003, in dem Dylan eine Version seiner selbst spielte und als Co- Autor fungierte und dabei unter dem Pseudonym „Sergei Petrov“ arbeitete. Es gab schon unzählige filmische Balladen über diesen dünnen Mann. Das neueste Werk kommt von James Mangold, dem Filmemacher, dessen Johnny-Cash-Film Walk The Line (2005) die Musik-Biopic-Parodie Walk Hard: The Dewey Cox Story inspirierte, also den Standard, an dem sich nun alle Musik-Biopics messen lassen müssen.

Doch Like A Complete Unknown vermeidet geschickt derartige Klischees. (Hier gibt es keine Zeile wie „Damals lernte ich, dass Quaaludes und Wasserski nicht zusammenpassen“.) Es ist vielmehr ein geradliniges, klares Musik-Drama. Es beginnt 1961 – in Anlehnung an das Dylan-nahe Inside Llewyn Davis der Coen-Brüder – mit dem jungen Bob Dylan (Timothée Chalamet), der seinem im Krankenhaus liegenden Folksänger-Helden Woody Guthrie (Scoot McNairy) Tribut zollen will.

Timothée Chalamet in Like A Complete Unknown
© 20th Century Studios DE

Die künstlerischen Verbindungen: Joan Baez, Johnny Cash und mehr

Schnell wird er von Folk-Veteran Pete Seeger (Edward Norton) unter seine Fittiche genommen und findet kreative und/oder romantische Verbindungen zu Joan Baez (Monica Barbaro), Sylvie Russo (Elle Fanning) und Johnny Cash (Boyd Holbrook).

Die Darstellungen sind die Stärke des Films. Chalamet ist großartig, er vermeidet einen Cartoon haften Auftritt und wirkt stattdessen natürlich und oft jugendlich arrogant. Edward Norton ist liebenswert, eine freundliche und sanfte Seele, die sich schließlich von seinem Schützling überholt fühlt. Fanning und Barbaro bieten dienen als menschliche Gegensätze.

Und wenn man auf der Suche nach einer Best-of-Dylan-Hommage ist, wird man hier fündig. Chalamets musikalisches Talent ist unbestritten, seine Interpretationen werden von vielen ehrfurchtsvollen Gesichtern bestaunt, und Mangold lässt den Film quasi wie ein gekonnt inszeniertes Jukebox-Musical ablaufen – Mamma Mia! für Väter, wenn man so will.

A Complete Unknown Timothée Chalamet als Bob Dylan in New York
A Complete Unknown – Bob Dylan Biopic mit Timothée Chalamet © Searchlight Pictures

Like A Complete Unknown: Ein geradliniges Musik-Drama über Bob Dylan

Aber so klar und gut inszeniert er auch ist, Like A Complete Unknown geht auf Nummer sicher. Der Film, basierend auf dem Buch „Dylan Goes Electric!“ von Elijah Wald, hat ein gewisses Flair von Unvermeidbarkeit: Natürlich mündet das Ganze ins Newport Folk Festival (1965). Und jeder, der sich auch nur ansatzweise mit der Geschichte von Bob Dylan auskennt, wird hier kaum noch Überraschungen entdecken.

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Leider ist es für eine Geschichte über ein Poesie-Genie auch etwas enttäuschend, dass es kaum etwas Neues zu sagen gibt. Es gibt Interessantes über den Druck, den Talent mit sich bringt:Dylan neigt während seiner außerordentlich produktiven Schaffensperiode zu nächtlichen, fieberhaften Anfällen in Sachen Lieder schreiben, was oft auf Kosten von persönlichen Beziehungen oder menschlicher Interaktion passiert.. („Du bist ein ziemliches Arschloch, Bob“, bemerkt Joan Baez zu Recht.)

Aber 1965 versteckt er sich fast immer hinter einer Sonnenbrille, sein Mysterium ist erstarrt, ein „mysteriöser Minnesänger“, wie Sylvie ihn nennt. Der Film beansprucht nicht, Dylan zu begreifen, und deutet an, dass Dylan vielleicht auch sich selbst nicht verstehen kann. Der Titel ist anscheinend wörtlich zu nehmen.

A Complete Unknown - Bob Dylan Biopic mit Timothée Chalamet
A Complete Unknown – Bob Dylan Biopic mit Timothée Chalamet © Searchlight Pictures

Fazit: Ein gut gemachtes Musikdrama ohne Überraschungen

Wer ein Enthüllungs-Porträt einer Künstler-Ikone erwartet, wird vielleicht ein wenig enttäuscht sein. Aber so konventionell der Film auch ist, so ist er doch ein erstaunlich gut gemachtes Musikdrama mit hervorragenden Darstellern. Wie Dylan einst in seinem Lied „The Times They Are A -Changing“ sang: ..“kritisiere nicht, was du nicht verstehst“.  Film Bewertung 7 / 10