Genre: Biopic | Produktion: Schweden 2021 | Laufzeit: ca. 100 Minuten | Regie: Jens Sjögren
Mit: Granit Rushiti, Cedomir Glišović, Andersson Bajraktari, Emmanuele Aita, Merima Dizdarević, Linda Haziri, Selma Mešanović, Håkan Bengtsson, Gjis Naber u.a
Inhalt: I AM ZLATAN erzählt die Anfänge des Zlatan Ibrahimović, der in einer aus dem Balkan eingewanderten Familie in einem schwedischen Armenviertel aufwuchs. Der Film gibt einen bewegenden Einblick in Zlatans Privatleben und in seine Beziehung zu Rosengård, dem Problemviertel von Malmö, das er immer sein Zuhause nennen wird.
Gegenüber seinem Umfeld verhält sich Zlatan stets nach dem Motto „Listen, but don’t listen“: gute Ratschläge annehmen, aber sich niemals verbiegen lassen. Sein fußballerisches Talent und seine Unabhängigkeit führten ihn gegen alle Widrigkeiten zu internationalen Topteams wie Ajax Amsterdam, Juventus Turin, Inter Mailand, FC Barcelona, Paris Saint-Germain, Manchester United – und aktuell im stolzen Alter von 40 Jahren erneut zum AC Mailand.
Nun also Fußball. Der Erfolg von „Bohemian Rhapsody“ 2018 hat einen Biopic-Hype losgetreten und diverse Filmemacher inspiriert, binnen weniger Jahre sämtliche Rock- und Popstars zu biografisieren, deren Karriere ein einigermaßen dramatisches Drehbuch hergibt – von Elton John über Aretha Franklin bis hin zu Elvis Presley. Langsam wird es dünn im Musiker-Regal, und was macht ähnlich viel Spaß wie Musik? Natürlich Fußball.
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Der Pop- und Rockstar des Fußballs heißt Zlatan Ibrahimvoic. Der Schwede mit bosnisch- herzegowinischen Wurzeln ist ein Phänomen. Mit seinen spektakulären Toren aber auch mit seinem
augenzwinkernden Proletentum begeistert er weltweit die Fans des runden Leders seit mehr als 20
Jahren.
Milieu-Studie statt Glamour-Safari
Ibrahimovic ist einzigartig, was seine Spielweise aber auch seinen Status in der Welt des Fußballs angeht. Obwohl seine Szenen regelmäßig viral gehen und er diverse Klubs zu nationalen Meisterschaften geführt hat, läuft er irgendwie außer Konkurrenz und die jährliche Panik um die Weltfußballer-Wahl, die meist die Kollegen Ronaldo und Messi unter sich ausmachen, scheint ihn nicht die Bohne zu interessieren.
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Stattdessen klopft Zlatan lieber feixend Angebersprüche, zieht durch die internationalen Top-Klubs und liefert Anekdoten am Fließband.
Aus der Sicht eines Filmemachers also bestens geeignet für einen Karrierefilm voller dramatischer
Stadion-Action, spektakulärer Bilder und schillerndem Luxus-Lifestyle, richtig? Falsch. „I am Zlatan“ ist keine Safari durch die illustre Profi-Laufbahn des Schweden, sondern vielmehr eine Milieu-Studie über seine nicht unproblematische Jugend als Migrantenkind in einem Problem-Bezirk von Malmö.
Und diese initiale Entscheidung ist bereits eine der besten, die im Zusammenhang mit diesem Film getroffen wurden. Grundlage ist die gleichnamige Quasi-Biographie, die der Fußballstar vom schwedischen Stieg-Larsson-Erben David Lagercrantz schreiben ließ. Sowohl der Fußballer als auch der Romancier halfen Jakob Beckmann übrigens beim Drehbuch, das Regisseur Jens Sjögren umsetzte.
Der Film hat im Vergleich zum Buch schon mal den offensichtlichen Vorteil, dass er auf den allzu bemüht wirkenden Gossen-Slang verzichten kann, mit dem Lagercrantz die Gangster-Attitüde zu betonen versuchte, mit der Zlatan (für Bewunderer wie Berichterstatter wird ist der Mann meist zum imaginären Duz-Freund) sich heutzutage selbstironisch aber früher wahrscheinlich ernsthaft schmückt(e).
Darsteller überzeugen durch die Bank
Schließlich braucht ein Film keine verbale Erzähl-Instanz. Dafür aber überzeugende Darsteller und hier kommen Dominic Andersson Bajraktati als elfjähriger und Granit Rushiti als volljähriger Zlatan ins Spiel. Insbesondere Andersson Bajraktati kauft man das „Poblem-Child“ komplett ab.
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Zlatan wuchs in dem Bewusstsein auf, dass die Welt nichts von ihm halte, die meisten Menschen ihm mit
Vorurteilen gegenübertreten würden und er sich das meiste, was das Leben für ihn bereithalten könnte, irgendwie ergaunern müsste. Ein notorischer Unruhestifter bei dessen Betrachtung dem wohlsituierten Mittelständler die Fantasie fehlt, wie dieser Kerl jemals seinen Platz im Leben finden soll.
Er klaute Fahrräder, beschimpfte Mitmenschen jedes Alters und sein Zeitvertreib bestand häufig darin, mit anderen Jugendlichen Feuerwerkskörper in Gärten zu zünden. Im Unterricht störte er und wenn er Konsequenzen erhalten sollte, rebellierte er. „Natürlich werde wieder nur ich bestraft“.
Je härter der Protest, desto mehr waren Lehrer – oder Trainer – zur Konsequenz gezwungen. Ein Teufelskreis. Hier und da fühlt man sich an Nora Fingscheidts „Systemsprenger“ erinnert. Auch seine Eltern Sefik (Cedomir Glisovic) und Jurka (Merima Dizdarevic) sind ihm keine große Hilfe auf dem Weg von der Straße, kämpfen sie doch beide darum, irgendwie die Kontrolle für das eigene Leben zu erlangen.
Ganz anders der leicht verschlagene – und leider verstorbene – Spieleragent Mino Raiola (Emmanuele Aita), dessen Verhandlungstaktiken bei Vereinsbossen auf der ganzen Welt gefürchtet sind. Raiola spricht eine Sprache, die bei Zlatan ankommt („du warst heute scheiße“).
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Mit der Direktheit des Vermittlers kann der mürrische Jungprofi Ibrahimovic dann endlich umgehen und erkennt, dass nur er selbst den Schlüssel in der Hand hält, um sein einzigartiges Talent freizuschalten. Schaut man sich den Mann an, der aus dem Rabauken geworden ist, so kann man nicht bestreiten, dass die Pointe tatsächlich berührend ist.
Alle genannten Darsteller machen einen hervorragenden Job. Wie bei vielen Nicht-Hollywood- Produktionen fällt die komplette Optik weniger kinematisch aus, dafür deutlich realistischer. Und „I am Zlatan“ ist genau der Film, dem dieser Look hervorragend steht. Schließlich profitiert der echte Zlatan noch heute von seiner Kindheit auf dem harten Pflaster von Malmö.
Fazit: Statt einer schillernden Karriere-Beschau ist „I am Zlatan“ eine inspirierende Coming-of-Age- Geschichte geworden. Das war die bestmögliche Entscheidung des kreativen Teams hinter der schwedischen Produktion. Aus einem Kind ohne erkennbare Perspektive wurde einer der populärsten Sportler aller Zeiten. Keine Tür bleibt verschlossen, wenn man alles dafür tut, sie zu öffnen. Dass das alles auf wahren Begebenheiten beruht und das Ergebnis heute noch zur Primetime auf den Sportkanälen dieser Welt angeschaut werden kann, setzt dem noch die Krone auf.
Film Bewertung 9 / 10
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