Inhalt: Nach einem missglückten Drogendeal kämpft sich ein angeschlagener Polizist durch die kriminelle Unterwelt. Er muss den Sohn eines Politikers retten, der nichts von seinem Vater wissen will. Dabei entwirrt er ein kompliziertes Netz aus Korruption und Verschwörungen, das seine ganze Stadt umspinnt.
Ein Abstieg im flackernden Neonlicht
Gareth Evans ist ein Regisseur, der das Actionkino nicht nur versteht, sondern körperlich durchlebt. Seit The Raid 2012 mit seiner wahnwitzigen Präzision und ungebändigten Energie neue Maßstäbe gesetzt hat, steht sein Name für kompromisslose Brutalität mit moralischem Unterbau. HAVOC ist seine Rückkehr zum Spielfilm – ein wuchtiges Werk, das sich wie eine Weiterentwicklung seiner früheren Filme anfühlt, aber auch erste Ermüdungserscheinungen zeigt.
Tom Hardy spielt Walker, einen abgekämpften Cop, den wir an Heiligabend beim hilflosen Versuch erleben, ein Geschenk für seine Tochter aufzutreiben. Hinter dieser scheinbar banalen Szene liegt bereits die Tragik eines Mannes, der vom Leben durchgekaut wurde. In Rückblenden erfahren wir von einer gescheiterten Drogenrazzia, die Walker in eine Spirale aus Verrat, Gewalt und Korruption schleudert.
In der Gegenwart ist er auf der Suche nach Charlie (Justin Cornwell), dessen Verschwinden ihn mitten in das Netzwerk eines malaysischen Kartells unter der Kontrolle einer skrupellosen Bossin (Yeo Yann Yann) bringt. Sein Kollege Vincent (Timothy Olyphant) ist dabei mehr Hindernis als Hilfe – ein klassischer Cop-noir-Konflikt, den Evans geschickt einbettet.
Evans versucht, die narrative Tiefe und Komplexität von Gangs of London in die kompaktere Laufzeit eines Films zu pressen. Das gelingt nur bedingt: Die Vielzahl an Fraktionen, Intrigen und Schauplätzen wirken manchmal eher überladen als elegant verschachtelt. Figuren tauchen auf, verschwinden, wechseln ihre Loyalität – oft zu abrupt, um emotional wirklich zu greifen.
Wenn der Sturm losbricht
Doch dann kommt die Gewalt – und mit ihr das, was Evans am besten kann. In den letzten Jahren wurde das Actionkino von durchgestylten Kulissen dominiert, in denen kunstvoll gestaltete Aufnahmen das Chaos einfangen. Evans nimmt das Regelwerk auseinander, mit einer wilden, originellen und mitreißenden Choreografie, die den Eindruck erweckt, als würden seine Kameras an Wänden und Körpern abprallen.
Was folgt, ist pures Chaos, das sich anfühlt wie ein Fiebertraum aus Blut, Schweiß und zersplittertem Beton. Hardy kämpft sich durch Flure, Treppenhäuser und Lagerhallen, als wäre er selbst nur noch ein Stück Fleisch im Überlebensmodus. Er wird geschlagen, gewürgt, durch Wände geworfen – sein Körper ist Landkarte des Schmerzes. Besonders intensiv ist dabei Evans’ Art der Inszenierung: dicht, schmutzig, unmittelbar. Allerdings: So kraftvoll die Szenen auch sind – sie wirken manchmal zu vertraut.
Die kinetische Energie, die The Raid einst revolutionär machte, scheint hier an manchen Stellen mechanisch. Die Kameraarbeit, sonst ein ständiger Mitspieler, bleibt oft im Rahmen bekannter Dynamik. Überraschungseffekte fehlen weitgehend – was bleibt, ist technisch versierte, aber nicht immer kreative Gewalt.

Schweiß, Schuld und Schläge
Walker ist nicht nur ein Mann in Not, sondern ein Symbol für Evans’ Helden: gebrochen, rastlos, moralisch verunsichert. Hardy verkörpert das mit gewohnter Intensität – sein Blick ist mehr Monolog als Dialog. Quelin Sepulveda als Mia, die Partnerin des verschwundenen Charlie, bringt Frische ins Ensemble und darf in einer der intensivsten Szenen des Films mit Hackbeil und Wut brillieren.
Evans verzichtet darauf, Hardy als alleinigen Helden zu inszenieren – seine Figuren sind Teil eines Systems aus Schmerz, Schuld und gelegentlicher Hoffnung. Gerade diese Entscheidung, Brutalität nicht zum Selbstzweck zu machen, hebt HAVOC von vielen Genre Verwandten ab. Auch wenn die Story mitunter zu komplex für ihre eigene Laufzeit ist und einige Charaktere Momente unzureichend ausgeleuchtet bleiben, spürt man die Absicht, mehr zu erzählen als nur eine Aneinanderreihung von Kämpfen.
Fazit: Es überrascht nicht, dass HAVOC am besten ist, wenn wir in ein Gemetzel eintauchen, das die Wände zum Beben bringt. Es ist möglicherweise nichts für zarte Gemüter, aber in diesem fieberhaften Wahnsinn läuft Evans wieder zur Höchstform auf.
Film Bewertung 7,5 / 10