Besetzung: Ron und Russell Mael
Regie & Drehbuch: Edgar Wright | Produktion: Edgar Wright, George Hencken, Nira Park, Laura Richardson
Laufzeit: ca. 140 Minuten | Kinostart: 07. Oktober 2021
Inhalt: Die erste Dokumentation von Edgar Wright versucht, den Vorhang über eine der phantasievollsten, eigenwilligsten und verrücktesten Bands zu lüften, die es je gab: Sparks. Anhand von mehr als 80 Interviews, umfangreichem Archivmaterial und Animationen zeichnet er ihre 50-jährige Karriere im Bereich Art-Pop und Rock nach. Kann der bekennende Fan ihre Geschichte erzählen, ohne das Rätselhafte zu zerstören?
Wie kann eine Rockband erfolgreich, enorm einflussreich und gleichzeitig total unterschätzt sein – und das alles auf einmal? Edgar Wright ist Zeit seines Lebens Fan der Sparks und nähert sich dem enigmatischen Brüderpaar Ron und Russell Mael mit spürbarer Begeisterung und einem Füllhorn an visuellen Einfällen, die dem mitreißenden musikalischen Schaffen der Band gerecht werden.
Film Kritik
von Ilija Glavas
Der „Fanboy“ über seine geheimnisvollen Helden
Dass Edgar Wright die Sparks – alias Ron und Russell Mael – als Thema für seinen ersten Dokumentarfilm gewählt hat, ist in vielerlei Hinsicht nicht überraschend. Der Filmemacher und seine Protagonisten haben vieles gemeinsam: Eine Musik-Besessenheit, die nur noch von der Begeisterung für das Kino übertroffen wird, sowie einen schrägen Humor. Er selbst war schnell von ihnen begeistert, als er sie im Alter von fünf Jahren bei Top Of The Pops gesehen hatte.
Entschlossen, keine gewöhnliche Dokumentation von einer Band zu machen, die eigentlich alles andere als das ist, durchbricht Wright die lineare Erzählweise, die die Basis des Films bildet. Fast 100 Stunden an Interviews mit Größen wie Vince Clarke, Björk, Beck, Flea, Patton Oswalt und den Brüdern selbst hatte der Regisseur am Ende auf dem Tisch. Außerdem gibt es eine Sektion mit „visuellen Wortspielen“, Stop-Motion aus Pappmache und eine FAQ-Eröffnung mit den Fragen „Seid ihr eine echte Band?“, „Seid ihr eineiige Zwillinge?“ und „Was ist eure sexuelle Neigung?“.
Der Film selbst erklärt, dass dies ein „Fenster in die Psyche“ der Brüder Mael sein soll. Es sind zwei Künstler, über die der Großteil der Welt nur sehr wenig weiß, deren Triebfeder Phantasie und Kreativität ist und nicht die Profitgier. Sie schaffen „Kunst um der Kunst willen“ und nicht wegen des schnöden Geldes oder des wärmenden Gefühls des Erfolgs. Bei denen man sich angesichts der hochgezogenen Augenbrauen, des „Hitler“-Schnurrbarts und der absurden Texte oft fragt: Verarschen die uns nur?
Dadurch wird die traditionelle Erzählung vom Aufstieg und Fall (und in der Regel dem Wiederaufstieg) unweigerlich zunichte gemacht. Stattdessen gibt es eine sorgfältige Annäherung von Album zu Album und die oft verwirrende, manchmal frustrierende, oft lustige Geschichte einer Band, die – da sie sich weigert, nach klassischen Werten oder Maßstäben beurteilt zu werden – nie wirklich als Erfolg oder Misserfolg gelten kann. Die aber gleichzeitig schrecklich unterschätzt wird und einen enormen Einfluss hat.
Das Geheimnisvolle ist Teil ihrer Magie
Wer Momente großer Enthüllungen oder Selbstbetrachtung im Stil von VH1 Storytellers oder MTVs Behind The Music erwartet, wird enttäuscht sein (es gibt so gut wie keine persönlichen Details), aber zwischen all dem Wahnsinn gibt es auch ergreifende Momente: die Trauer über den Tod ihres Vaters, als sie beide noch kleine Jungen waren oder die schmerzliche Enttäuschung darüber, dass sie sechs (vergeudete) Jahre mit Tim Burtons gescheitertem Film Mai, The Psychic Girl verbrachten.
Sorgsam und mit viel Fingerspitzengefühl dringt Wright gerade tief genug in die Psyche und Mythologie der Sparks ein, um den Zuschauer zufrieden zu stellen und gleichzeitig zu erkennen, dass ihr Geheimnis Teil ihrer Magie ist. Und der Zauber sollte nicht mit übermäßiger Härte gebrochen werden.
Es gibt eine Menge abzudecken – fünf Jahrzehnte, 25 Alben, unzählige Genres, Besetzungen und Wiedergeburten – so dass der Film mit 141 Minuten fast zu lang wird. Doch neben der verblüffenden Faszination für die Gebrüder Mael fesseln Wrights Begeisterung und Leidenschaft den Zuschauer über die gesamte Laufzeit hinweg. Sogar sich selbst stellt er als Interviewpartner vor die Kamera (mit der Überschrift „Fanboy“). Was dabei herauskommt, ist weniger ein Liebesbeweis als vielmehr die Offenheit des Regisseurs, der sein Sparks-lastiges Herz der Welt zur Schau stellt.
Fazit: „The Sparks Brothers“ ist ein Fan-Service der allerbesten Art. Edgar Wright, der einen Dokumentarfilm von besonderer Detailgenauigkeit und Tiefe geschaffen hat, zeigt die Sparks in ihrer ganzen glorreichen, nicht aufzuhaltenden Absurdität – ohne dabei die Aura des Geheimnisvollen zu entmystifizieren. Wertung: 8 / 10
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