Regie: Lisa Joy | Darsteller: Hugh Jackman, Rebecca Ferguson, Thandiwe Newton u.v.a.
Drehbuch: Lisa Joy | Produktion: Lisa Joy, Jonathan Nolan, Michael De Luca und Aaron Ryde
Inhalt: Reminiscence spielt in einer Welt, in der der steigende Meeresspiegel Konflikte und Wirtschaftskrisen ausgelöst hat und die Bevölkerung lieber in der Vergangenheit lebt. Da die Gegenwart und vor allem die Zukunft düster ausschaut, leben die Menschen lieber in ihren Erinnerungen.
Mit einer neuartigen Technologie versetzen sie sich virtuell in frühere Lebensabschnitte zurück, die man dann so erlebt als wären sie real. Da man die eigenen Erinnerungen hören, spüren, riechen und schmecken kann, ist die Flucht aus der eigenen Realität für die meisten Menschen zu einer Sucht geworden.
Als Mitgestalterin der Fernsehserie Westworld ist Lisa Joy sehr versiert darin, schöne, wendungsreiche und konzeptreiche Science-Fiction zu schreiben. Der Film „Reminiscence“ hat viele Eigenschaften dieser Serie, sowohl gute als auch schlechte. Es gibt Augenblicke kreativer Brillanz und ebenso viele frustrierend lose Erzählungen.
Ähnlich wie Westworld hat auch Reminiscence ein schön durchdachtes Setting. Die Handlung spielt irgendwann in der Zukunft, in Miami. Durch den Klimawandel steht die Stadt größtenteils unter Wasser und die Tagestemperaturen sind so hoch, dass die Menschen ihr Leben nachts verbringen. Das ist eine sehr clevere Idee für einen Film Noir.
Jeder lebt im Schatten, und die Stadt bröckelt kunstvoll vor sich hin, was die Bühne für die Unterwelt bereitet. In dieser Welt lebt Nick (Hugh Jackman). Nick bietet einen speziellen Service: seine Kunden werden narkotisiert, liegen in einem Tech-Bad und Nick flüstert ihnen sanft zu, während er ihre Erinnerungen auf einem großen, schicken Hologramm Projektor anschaut. Wenn sich jemand an etwas erinnern kann, kann Nick es abrufen. Unterstützt wird er von seiner herzlich- mürrischen und langjährigen Freundin, Watts (Thandiwe Newton).
Eines Abends taucht Mae (Rebecca Ferguson) auf, eine Showsängerin im Jessica-Rabbit-Kleid und ohne Hintergrundgeschichte. Nick verliebt sich in sie, sie verschwindet. Nick beschließt, herauszufinden, was mit ihr passiert ist, und hat nur ein paar Erinnerungen als Anhaltspunkte. Es handelt sich um einen altbekannten Noir-Plot: die Jagd eines gestandenen Mannes nach einer Frau mit Geheimnissen – aber der zusätzliche Trick mit den Erinnerungen reicht nicht aus, um dem Ganzen etwas Neues zu geben.
Es braucht mehr Wendungen auf dem Weg zur Lösung, oder die Idee mit dem Gedächtnis hätte weiter ausgearbeitet werden sollen (es wird tatsächlich zu einer abgekürzten Verhörtechnik). Ein Geheimnis wird besser mit ein paar Ablenkungsmanövern, die uns verwirren, aber Joy gibt uns die wichtigsten Hinweise zur Lösung des Rätsels früh an die Hand. Dadurch wird es zu einfach, das meiste zusammenzufügen, ehe sie überhaupt die ganze Auflösung verraten kann.
Die Geschichte hätte besser funktionieren können, wenn sie sich selbst ein bisschen weniger ernst genommen hätte. Ein Großteil der Dialoge (der Film besteht zu 80% aus Dialogen) ist stark überdreht, aber es ist nie klar, ob es Joy bewusst ist. Der Film beginnt mit den Zeilen: „Die Vergangenheit kann einen Menschen verfolgen, sagt man. Und die Vergangenheit ist eine Reihe von Momenten, von denen jeder einzelne perfekt ist. Wie eine Perle an der Halskette der Zeit.“
Damit kann man durchkommen, wenn man es mit einem Augenzwinkern vorträgt, mit der Andeutung, dass man sich über das Genre lustig macht, aber bei Joy ist es purer ernst. In diesem Rahmen klingt es einfach nur wie billiges Geschreibsel. Das gute Produktionsdesign, technische Spielereien – alles ist gut zu bewerten – doch es mangelt an Zuschauer Bindung.
Es gibt aber auch viel Gutes, was uns (an-) geboten wird. Der Film ist außergewöhnlich gut besetzt. Kaum jemand kann eine heldenhafte Wut so gut spielen wie Jackman, und Ferguson hat so viel Charisma, dass sie Mae, die eher ein konzeptioneller Charakter als eine Figur ist, das nötige Gewicht verleiht.
Die Welt fühlt sich an, als gäbe es viele Geschichten, die entdeckt werden wollen. Es gibt so viel Potenzial, aber es kommt nicht richtig zusammen. Mit ein wenig mehr Fokus auf den Plot als auf den Sci-Fi-Schnickschnack, hätte dieser Film etwas sein können, an das man sich noch lange erinnert.
Fazit: Trotz seines schönen Looks, der inspirierenden Momente und der großartigen Besetzung erinnert Reminiszenz vor allem an andere Filme – Minority Report, Blade Runner – die eine ähnliche Vision von Future Noir viel, viel besser umgesetzt haben, die bis heute in Erinnerung geblieben sind. Wertung: 5 / 10