Regie: Ilya Naishuller | Besetzung: Bob Odenkirk, Connie Nielsen, RZA, Aleksey Serebryakov und Christopher Lloyd
Produktion: Kelly McCormick, David Leitch, Braden Aftergood, Bob Odenkirk, Marc Provissiero
Drehbuch: Derek Kolstad | Laufzeit: ca. 91 Minuten
Story: Hutch Mansell ist ein typischer Niemand, den keiner so richtig wahrnimmt. Wortlos erträgt der Ehemann und Vater die Demütigungen seines Alltags, ohne sich dagegen zu wehren. Selbst als eines Nachts zwei Unbekannte in sein Vorstadtzuhause einbrechen, weigert er sich, seine Familie zu verteidigen, um eine Eskalation zu verhindern. Davon ist sein jugendlicher Sohn Blake (Gage Munroe) schwer enttäuscht, und auch seine Frau Becca (Connie Nielsen) entfernt sich in der Folge nur noch mehr von ihm.
Doch tatsächlich ist dieser Vorfall der Tropfen, der das Fass mit Hutchs lange brütender Wut zum Überlaufen bringt – dunkle Geheimnisse kommen zum Vorschein und wecken seine tödlichen Instinkte. Plötzlich begibt sich der unscheinbare Hutch auf einen brutalen Feldzug, um seine Familie vor einem gefährlichen Gegenspieler zu retten (Aleksey Serebryakov) – unterschätze niemals einen NOBODY.
Film Kritik:
von Ilija Glavas
Ein ultra-innovatives Highlight des neuen (Film-) Jahres
Seit Liam Neeson im Jahr 2008 das Schauspielern gegen das Schlagen eintauschte, versuchten Kevin Costner, Sean Penn, John Travolta, Pierce Brosnan und Guy Pearce dasselbe zu tun. Aber das Publikum hielt sich wohlweislich von ihren minderwertigen Schießereien fern und die Verantwortlichen mussten erkennen, dass es der Star ist und nicht das Sub Genre, das die Leute magnetisch anzieht.
Keanu Reeves fand 2014 mit John Wick einen ähnlichen Sweet Spot und gab mit einer Taken-ähnlichen Kombination aus einfachem Action-Plot und beliebtem Schauspieler den Startschuss für eine enorm profitable neue Reihe. Mit dem brennenden Wunsch etwas von diesem Wick-Erfolg einzufahren (die drei Filme haben insgesamt über 550 Millionen Dollar weltweit eingespielt, ein Spin-Off und eine TV-Serie sind ebenfalls geplant) hat sich Universal mit dem Autor des Films, Derek Kolstad, zusammengetan, um ein neues Low-Budget-Action-Universum mit hohem Profit zu starten.
Die Wahl des Hauptdarstellers, Bob Odenkirk von Better Call Saul, als unscheinbarer Vorstadtvater, der eine dunkle Vergangenheit verbirgt, basiert mehr auf unkonventioneller Beständigkeit, als auf konventionellen Begehrlichkeiten.
Bob Odenkirk als Hauptdarsteller ist eine perfekte Wahl
Es ist ein rasant unterhaltsamer Thriller, der weitaus effektiver funktioniert als jeder von Keanus Ausflügen und ein bisschen mehr Charaktertiefe bietet, um die vielen gebrochenen Knochen abzufedern. Die ungewöhnliche Karriere von Odenkirk, der in seinen 50ern eine unwahrscheinliche Verwandlung vom „ach so tollen“ Charakterdarsteller zum Emmy-nominierten Hauptdarsteller einer Hit-Serie erlebt hat, macht ihn zu einem überzeugenden Action-Helden.
Einen, der selbstbewusst genug ist, um zu kommandieren, und dennoch über Fähigkeiten verfügt, die umfangreicher und vielseitiger sind als nur reine Körperlichkeit. Er spielt Hutch Mansell, einen biederen Jedermann, dessen Alltag so ermüdend geworden ist wie seine abgekühlte Ehe. Als sein Haus von ein paar minderbemittelten Dieben heimgesucht wird, begibt er sich auf eine Mission, um Unrecht wiedergutzumachen- und offenbart dabei eine Vorliebe für Gewalt, die er bisher von seiner Familie ferngehalten hat.
Es ist ein Film, der aus einigen allzu vertrauten Zutaten zusammengebraut wurde. Neben Blut und Kugeln gibt es auch herausgeforderte Männlichkeit, die russische Mafia, ein niedliches Haustier, einen Film Noir-Ansatz usw. Doch Kolstad findet zusammen mit Regisseur Ilya Naishuller, einen Weg, das alles auf seltsame Weise lebendig wirken zu lassen.
Genre typische Fallen werden mit Leichtigkeit umgangen
Es hat einen einfachen, speziellen Charme, Hutch dabei zu beobachten, wie er seine besonderen Fähigkeiten wiederentdeckt. Alles eingeleitet durch eine fantastisch gestaltete Bus-Sequenz, in der er es mit einer Gruppe unausstehlicher jüngerer Männer aufnimmt.
Er ist ein unvollkommener, aber unverwüstlicher Kämpfer, der glaubhaft durch sein Alter limitiert wird, was ihn zu einer Figur macht, die weitaus spannender zu beobachten ist als einer von Neesons Superhelden ohne Einsatz. Die darauf folgende Eskalation, die eine gute Tat zu einem wilden Kampf und daraus etwas weit Größerem werden lässt, hilft Nobody dabei ein „Storytelling-nach-Schema F“ zu vermeiden. Viele Rachefilme tappen oft in diese Falle, indem sie ein Videospiel nachahmen, wo sich der Held von einem Endgegner zum nächsten ballert.
Die Kampfszenen sind ebenfalls sehr effektiv, ein Ausbruch brutaler Gewalt, der mit einer Genauigkeit eingefangen wird, die es uns erlaubt, mit jedem Schlag und Tritt Schritt zu halten – eine Grundkompetenz, die so viele Actionfilme nicht beherrschen. Aber das größte Ass des Films, ist sein relativer Mangel an Selbstgefälligkeit.
Das Drehbuch vermeidet unnötige Albernheiten
Kolstads Skript rast zügig voran, ohne Zeit zu verschwenden, um sich genüsslich zurückzulehnen und zu merken, wie klug und ironisch das alles ist. Witzeleien werden auf ein Minimum beschränkt, was für andere Action-Drehbuchautoren eine Lektion darstellt, wie man effizient und ohne Tam Tam, eine Geschichte erzählen kann.
Odenkirk ist ein überraschend physisch versierter Anker, der uns mit auf seine Reise nimmt. Obwohl die unterschwellige Aussage, dass ein Mann, der nur dann wirklich ein Mann ist, wenn er seine gewalttätige Seite freudig in Empfang nimmt, nicht großartig ist, versucht er sein Bestes, um die rückschrittliche Natur des Genres zu umgehen. Er schafft es, Hutch in einen Mann verwandelt, der irgendwie ernsthaft versucht, die richtige Balance zwischen Alpha und Beta zu finden.
Für Connie Nielsen als seine verwirrte Ehefrau gibt es dabei wenig zu tun. Aber Christopher Lloyd darf sich als sein bewaffneter Vater köstlich amüsieren und zusammen mit RZA -als sein ebenso bewaffneter Buddy- gibt es eine faszinierende kleine Familiendynamik, die wahrscheinlich in der unvermeidlichen Fortsetzung (Nobodies, vielleicht?) erforscht werden könnte.
Fazit: Es ist alles schon mal da gewesen. Und doch gibt es etwas unendlich Angenehmes an einem Film, der sehr wenig macht, dass aber sehr gut macht. Ein Film, der genau weiß, wie hoch er zielen muss, ohne über das Ziel hinaus zu schießen, und der genau weiß, was er sich erlauben kann und was nicht.
In knappen 91 Minuten, ohne jegliche Aufblähung, gibt uns Nobody genau das, was wir wollen: eine gute Zeit im Kino mit einem ultra-innovativen Highlight des neuen (Film-) Jahres. Wertung 8.5 / 10
Die ersten 30 Minuten des Films erschaffen ein gutes Potential für viele Möglichkeiten. Am Ende bleibt eine John Wick Parodie übrig.
Mit einem geradezu groteskem Finale.
4/10.