CAUGHT STEALING

Inhalt: Hank Thomas (Austin Butler) war in der Highschool ein Baseball-Wunderkind. Jetzt kann er zwar nicht mehr spielen, aber sonst läuft sein Leben okay. Er hat eine tolle Freundin (Zoë Kravitz), ist Barkeeper in einer New Yorker Kneipe und sein Lieblingsteam kämpft als Außenseiter um den Titel.

© Sony Pictures Germany

Zwischen Schmerz, Suff und Sehnsucht: Aronofskys düsterste Adrenalintherapie seit Black Swan

Darren Aronofsky, Regisseur existenzieller Grenzgänge wie Requiem for a Dream, The Wrestler oder The Whale, zeigt sich in seinem neuen Film Caught Stealing überraschend verspielt – zumindest auf den ersten Blick. Die Adaption des gleichnamigen Romans von Charlie Huston entpuppt sich als fiebriger, krawalliger Großstadtthriller, der stilistisch zwischen Uncut Gems, Die Zeit nach Mitternacht und einem urbanen Albtraum pulsiert. Austin Butler, zuletzt gefeiert für Elvis, wirft sich mit Haut und Haar in die Rolle des gescheiterten Ex-Baseballspielers und jetzigen Barkeeper Hank Thompson – ein Mann, der dem Elend näher steht als dem nächsten Tag.

Dabei beginnt alles beinahe harmlos: Hank wird von seinem Nachbarn gebeten, während dessen Abwesenheit auf dessen Katze aufzupassen. Eine scheinbar banale Bitte, die sich als Startschuss für eine Eskalation erweist, die selbst Kafka zu düster gewesen wäre. Kurz nach Übernahme der Katzensitter-Rolle verwandelt sich Hanks Wohnung zu einem Schlachtfeld zwischen einem vollen Katzenklo und russischen Mafiosi. Es gibt gebrochene Knochen, Blut und Schreie – und keine Zeit mehr, das Leben zu ordnen.

Zwischen „After Hours“ und „Idles“: Ein fiebriges New York voller Abgründe

Aronofsky greift tief in die Trickkiste seines bisherigen Schaffens und nutzt sie diesmal für einen ungleich zugänglicheren Film als zuletzt. Caught Stealing ist kein intimes Kammerspiel wie The Whale, sondern eine urbane Tour de Force, inszeniert mit flackerndem Neonlicht, dröhnenden Gitarrenriffs und einer schleichenden Hoffnungslosigkeit, die sich dennoch nie ganz durchsetzt.

Mitten in diesem Sumpf: Austin Butlers Hank, ein verlorener, innerlich ausgebrannter Mann, dessen Vergangenheit als vielversprechender Sportler hinter eine, Schutzwall aus Alkohol, Selbstekel und verdrängtem Trauma verschwunden ist. Jeden Morgen wacht er schreiend auf. Seine Beweggründe sind träge, sein Wille brüchig, seine Verzweiflung greifbar. Und dennoch begleitet ihn Zoë Kravitz als Yvonne, eine Sanitäterin mit Rückgrat und Herz, die in seiner Welt der einzige Lichtblick ist – ein Kontrapunkt zur Düsternis.

Die Kameraarbeit von Aronofskys Stammkameramann Matthew Libatique (Black Swan, Pi) hüllt New York in dampfenden Asphalt, grelles Kunstlicht und klaustrophobische Flure. Jeder Gang durch die Stadt wirkt wie ein Schritt tiefer in den Sumpf. Getragen wird diese visuelle Wucht vom treibenden Soundtrack der britischen Band Idles, eiine klangliche Abrissbirne, die perfekt zu den mentalen und physischen Stürzen des Protagonisten passt.

Zoë Kravitz und Austin Butler in Caught Stealing
© Sony Pictures Germany

Filmische Selbstverweise und düstere Gastauftritte

Aronofsky wäre nicht Aronofsky, wenn er nicht auch in einem vermeintlich „kommerzielleren“ Film wie diesem seinen düsteren Stempel hinterließe. Schmerz ist nicht nur Motivation, sondern Dauerzustand – jeder Knochenbruch ein Ausdruck innerer Gebrochenheit. Hank kriecht geprügelt zurück zu seinen Dämonen, doch durch seine tiefe emotionale Leere wird der Schmerz irgendwann fast schon zum Normalzustand. Der Alkohol ist Betäubung, das Trauma lässt sich nicht ertränken, denn bekanntlich schwimmen die Sorgen immer oben.

Und der Zuschauer ist stets mittendrin in diesem Elendsstrudel, in dem kein Moment Erleichterung ohne einen neuen Haken auskommt. Besonders clever wirkt dabei ein kleines, aber bedeutendes Detail: Griffin Dunne, der Hauptdarsteller von Scorseses Die Zeit nach Mitternacht, übernimmt eine Gastrolle – als Referenz an die eigene cineastische Ahnenreihe, aber auch als ironisches Intermezzo. Sein Film, der einst eine kafkaeske Odyssee durch New York lieferte, findet hier sein dunkleres Echo.

Doch dann … ein Schritt zu viel?

Was Caught Stealing letztlich von einem Meisterwerk trennt, ist seine eigene Hybris im Drehbuch. Denn gerade als sich das Tempo verdichtet, als der Wahnsinn seinen hypnotischen Sog entfaltet, kippt die Story – und zwar gewaltig. Eine Wendung gegen Ende des ersten Aktes verschiebt die emotionale Tonlage so massiv, dass ein Großteil der bis dahin aufgebauten Sympathie für Hank ins Leere läuft. Das erzählerische Erdbeben ist dabei zwar mutig, aber riskant – und lässt einen Teil des Publikums ratlos oder evtl. sogar leicht verwirrt zurück.

Doch auch das ist ein Teil von Aronofskys Handschrift: Selbst im „Spaßmodus“ bleibt der Abgrund in Trittweite. Die Frage, ob das noch kalkuliertes Chaos oder bereits erzählerischer Kontrollverlust ist, bleibt offen – und genau das macht den Reiz dieses Films aus. Caught Stealing ist Aronofsky auf Adrenalin – ein neongetränkter, brutaler, zugleich ironischer und schmerzerfüllter Film über gescheiterte Männlichkeit, verdrängte Traumata und die Monster, die aus dem Alltag erwachsen.

Fazit: Wir wurden alle getäuscht: Austin Butler ist eigentlich ein Punker und kein Rock n Roller. Er brilliert in einer Rolle, die ihm alles abverlangt. Die Kamera packt New York beim Dreck, der Soundtrack fräst sich durch den Kinosaal. Trotz einer waghalsigen Plot Wendung, die vielleicht nicht alle überzeugen wird, bleibt Caught Stealing ein auf Krawall gebürstetes, energiegeladenes Kinoerlebnis.

Film Bewertung: 8 / 10