Genre: Action / Thriller | Produktion: USA 2022 | Laufzeit: ca. 126 Minuten| Regie: David Leitch | Mit: Brad Pitt, Aaron Taylor-Johnson, Brian Tyree Henry, Logan Lerman, Joey King, Michael Shannon, Sandra Bullock, Zoe Beetz, Hiroyuki Sanada, Bad Bunny u.a
Inhalt: Der Auftragskiller „Ladybug“ (Brad Pitt) wird von seiner Auftraggeberin (Sandra Bullock) auf eine scheinbar einfache Mission geschickt: Er soll einen japanischen Hochgeschwindigkeitszug (Shinkansen) besteigen, einen Aktenkoffer finden und an der nächsten Haltestelle wieder aussteigen. Allerdings ist der Zug voll mit anderen Attentätern – darunter „Tangerine“ (Aaron Taylor-Johnson), „Lemon“ (Henry), „The Wolf“ (Bad Bunny) und „Hornet“ (Zoe Beetz) – die alle in ein Netz aus Rachsucht und Gewalt verstrickt sind.
Wenn sich der Co-Regisseur von John Wick an Bord eines Films über einen Hochgeschwindigkeitszug voller Attentäter begibt, werden bestimmte Dinge erwartet. Krachende Prügeleien? Abgehakt. Kreativ choreografierte Szenen, die mit Präzision und Klarheit gedreht wurden? Richtig. Das Action-Comeback eines charismatischen Starschauspielers? Check.
Aber wenn der Aufbau von Bullet Train wie „John Wick auf Schienen“ klingt, dann ist David Leitchs neuester Film überraschenderweise anders – er setzt vielmehr den Weg fort, den er nach „Wick“ eingeschlagen hat, nämlich in ein noch größeres, noch spritzigeres, mehr Comic-artiges Gebiet.
Nach „Deadpool 2“ und „Fast & Furious: Hobbs & Shaw“ hat sich Leitch nicht lumpen lassen und einen abgedrehten Sommer-Blockbuster mit Samurai-Schwertern und Psychokillern gedreht – also eine äußerst gewalttätige Angelegenheit.
Ein stylisches Zug-Ambiente, viele Killer und einige Zufälle
Genau wie sein namensgebender Zug ist Bullet Train schnell, schnittig und elegant. Aber es geht weniger darum, direkt von A nach B zu kommen, als vielmehr darum, sich in einem Knoten aus Zufällen und Intrigen zu verheddern, während eine Reihe von Auftragskillern in den Waggons aufeinander prallen.
Man denke an Kill Bill Vol. 1, geprägt vom jungen Guy Ritchie, und zwar im positiven wie im negativen Sinne.
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In diesen lockeren, unaufgeregten Rhythmus fügt sich Brad Pitt als „Ladybug“ ein, ein Auftragskiller, der versucht, sich in Achtsamkeit zu üben und dabei am Leben zu bleiben. Eröffnet wird der Film mit einer japanischen Coverversion des Bee Gees-Songs „Stayin´ Alive“.
Doch sein vermeintlich einfacher Job – an Bord gehen, einen silbernen Aktenkoffer nehmen und abhauen – ist gar nicht so unkompliziert. Schon bald wird er von anderen Auftragskillern mit ihren eigenen, sich überschneidenden Plänen konfrontiert.
Zusammenhängende Konflikte und viele Leichen
Unter ihnen befinden sich das Londoner Duo Lemon (Brian Tyree Henry und Tangarine (Aaron Taylor-Johnson, äußerst unterhaltsam), die in ihrem Geplänkel eine echte Verbundenheit erkennen lassen.
Dazu gesellen sich Joey Kings The Prince, die ihr jugendliches Aussehen als Waffe einsetzt (neben weiteren echten Waffen), Bad Bunnys The Wolf, der verzweifelt auf Rache sinnt- und Andrew Kojis Yuichi, der in Aktion treten muss, als das Leben seines Sohnes bedroht ist.
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Der Schwerpunkt von Bullet Train liegt darauf, sie auf kreuz und quer verlaufende Gleise zu schicken, um die Geschichte ihrer zusammenhängenden Konflikte zu erzählen, während sich gleichzeitig die Leichen stapeln.
Daraus ergibt sich ein oft amüsanter Film, vor allem, wenn man Pitt auf der Leinwand sieht – wie er sich mit einer ausgefeilten japanischen Toilette die Haare föhnt, seine Therapie-Mantras wiederholt (“ Verletzte Menschen verletzen Menschen“) und sich mit Lemon im Ruheabteil geräuscharm prügelt. Auch seine Kommunikation mit Sandra Bullocks Kontaktperson, die weitgehend im Hintergrund bleibt, ist charmant.
Bullet Train bewegt sich auf einer simplen Ebene
Was der Film allerdings nicht ist, ist tiefgründig. Es scheint, als ginge es hier mehr um den Stil als um die Substanz, und der Stil selbst ist beeindruckend. Doch Bullet Train bewegt sich immer nur auf einer eher simplen Ebene. Die Auseinandersetzung des Drehbuchs mit der Frage, ob man sich dem Schicksal ergibt oder versucht, die Kontrolle zu erlangen, wirkt bestenfalls oberflächlich.
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Die Verwendung der japanischen Kultur fühlt sich zudem etwas alibihaft an. Der Film schwelgt in ostasiatischer Symbolik, während er sich mit einer Vielzahl von nicht-asiatischen Schauspielern schmückt, Karen Fukuhara und Masi Oka in Nebenrollen verschwendet und Legenden wie Hiroyuki Sanada (der, sobald er im Film auftaucht, in „Weiser alter Mann“- Manier spricht) links liegen lässt.
Man sollte jedoch eine rasante Fahrt mit dem Zug erwarten, und Bullet Train erfüllt diese Erwartung im Großen und Ganzen.
Seine Exzesse sind manchmal süffisant ( eine Engelbert-Humperdinck-Mord-Montage ist übertrieben), manchmal grandios (eine Flasche Wasser und eine Giftschlange bekommen ihre eigene Intro-Montage). Es lohnt sich, ein Ticket für die Hinfahrt zu lösen, vielleicht sogar für die Rückfahrt.
Fazit: Die Action ist erstklassig, und Brad Pitt und Aaron Taylor-Johnson haben eine Menge Spaß. Doch bei all dem hyperaktiven Stil und der comichaften Gewalt wird man spätestens am Ende des Films wieder von Bord gehen wollen. Film Bewertung: 7,5 / 10
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