BERLINALE 2025

Inhalt: Rose zieht nach einer Trennung zu ihrem Bruder. Die beiden Geschwister haben seit ihrer Kindheit eine enge Bindung. Doch dann soll Rose eine Aussage gegen ihren Bruder machen, der einer Vergewaltigung beschuldigt wurde. Rose befindet sich in einem inneren Konflikt zwischen ihrer Beziehung zu ihrem Bruder wieder und der moralischen Frage, was nun richtig und was falsch ist. Sie möchte die Frau kennenlernen, die ihren Bruder beschuldigt, um zu verstehen, was in jeder Nacht passiert ist, in der auch sie anwesend war.

FILM KRITIK

Sarah Miro Fischer stellt diese moralische Frage in einer Erzählung, die sich manchmal zu langsam aufbaut und deren Bilder manchmal an ein Märchen erinnern. Hänsel und Gretel im Wald, nur dass es zwischen ihnen ein unausgesprochenes, ernstes Problem gibt, das ihre ganze Verbindung in Frage stellt. Doch um zu dieser spannungsgeladenen Stimmung zu gelangen, braucht der Film viel Zeit, denn wir besuchen Rose bei unnötigen Aktmalkursen oder sehen ihr beim Reinigen der Geräte in der Praxis des Gynäkologen zu, in der sie als Assistentin arbeitet. Die Kamera ist oft mit ihr allein, und wir versuchen, im Gesicht der jungen Schauspielerin zu lesen, was vor sich geht.

Marie Bloching, die eher als die kühle und emotionslose Kassiererin aus den Discountern bekannt ist, gelingt es nicht immer, diese Rolle vollständig auszufüllen. Zu oft wirkt sie abwesend, unnahbar und nicht im Einklang mit ihrer Figur. Dabei ist der spannende Konflikt, mit dem Rose konfrontiert wird, ein Aspekt, bei dem die Entwicklung ihres Charakters einige interessante Facetten bieten könnte. Doch Rose bleibt die junge, vielleicht etwas naive Schwester, die sich treiben lässt. Eine Figur, die man leider oft in Debüt- oder Abschlussfilmen sieht. Charaktere auf der Suche nach sich selbst in endlos langen Kamerafahrten. Auch „Schwesterherz“ schafft es nicht, dieses Klischee zu durchbrechen. Doch eine Szene sticht besonders hervor und bricht das gesamte Konstrukt des Films auf.

Anton Weil, der Roses Bruder spielt, schafft das, was Bloching noch nicht ganz gelungen ist. Er gibt seiner Figur in der kurzen Spielzeit, die ihm zur Verfügung steht, Komplexität und Tiefe. Vor allem die Pause der Figur und einige Worte verleihen der Szene einen gelungenen Unterton, der länger nachhallt. Auch in anderen Sequenzen schafft es der Film, Interesse zu wecken, etwa in einem trockenen Polizeiverhör, das gerade durch die Einfachheit der Szene sehr nahbar und natürlich wirkt. Hier gelingt es Bloching auch, mehr mit ihrem Gesicht zu spielen.

Spannender Konflikt mit einer klischeebehafteten Figur

Es hätte mehr Szenen zwischen den Geschwistern geben können. Wir stolpern in eine Handlung hinein, ohne eine Verbindung zu den Charakteren zu haben und lernen sie leider nicht durch Rückblenden aus ihrer Kindheit besser kennen. Dieser Aspekt hätte später in der Handlung eine größere Rolle spielen können. Das hätte dem Konflikt noch mehr Tiefe und Glaubwürdigkeit verliehen. Ein paar heitere Rückblenden hätten auch die sonst eher träge und schwere Thematik aufgelockert. Stattdessen verwendet der Film leider immer wieder nichtssagende Bilder, die auch minutenlang stehen bleiben, ohne inhaltlich etwas beizutragen, wie etwa die Szene, in der Rose im Garten ihrer Mutter sitzt.

Gleichzeitig entscheidet sich Sarah Miro Fischer dafür, viele Gespräche mit einem harten Schnitt auf eine neue Szene zu beenden, was die Erzählung etwas flotter wirken lässt. Ein junger Film mit einem jungen Ensemble, der endlich einmal keine typischen Berliner Clubszenen enthält. Allerdings ruht er sich zu sehr auf langen Einstellungen aus und schöpft weder die Kraft der Geschichte noch das Potenzial der starken Jungschauspieler aus, die die Handlung noch ein wenig mehr hätten vorantreiben können.

Fazit: Auch die weniger notwendigen Szenen hätte man spannender gestalten können. Dennoch ist „Schwesterherz“ ein Film, der es schafft, die Beziehung zwischen zwei Menschen liebevoll darzustellen und eine wirklich spannende moralische Frage aufzuwerfen, die zum Weiterdenken anregt. Das Einzige, was hier fehlt, ist ein bisschen mehr Mut zu noch mehr Drastik in der Herangehensweise und visuellen Erzählweise. Film Bewertung 6 / 10

SCHWESTERHERZ
© Selma von Polheim Gravesen / dffb
© Selma von Polheim Gravesen