Inhalt: Elif ist Regiepraktikantin und bemüht sich stets, es allen recht zu machen. Das zeigt sich auch, als sie nach dem letzten Drehtag gebeten wird, die Filmkassetten mit dem Material des Tages in die Wohnung des Regieehepaar zu bringen. Auf dem Weg dorthin soll sie auch die Komparsen zurück ins Geflüchteten Heim fahren. Diese sind noch immer verärgert darüber, dass für den Film ein echter Koran verbrannt wurde, und geraten mit der erschöpften Elif in hitzige Diskussionen. Am Ende steht Elif vor einer verschlossenen Wohnungstür, ohne Schlüssel und mit dem Druck, keine Fehler machen zu dürfen. Doch genau dieser Druck führt zu einem Fehler, der eine noch größere Katastrophe nach sich zieht.

Film Kritik
„Hysteria“ beleuchtet eine Vielzahl an Themen. Im Mittelpunkt steht die Filmproduktion, dessen Thema die Vorurteile gegenüber Geflüchteten aufgreift und aufzeigt, dass ihnen in der Medienwelt oft nur die Rolle des Opfers oder Täters zugestanden wird. Gleichzeitig gelingt es dem Film, auch die Filmbranche selbst zu hinterfragen, mit ihren langen Arbeitstagen, fragwürdigen Strukturen und Jobbezeichnungen, dem Druck der Selbstständigkeit und den begrenzten Jobchancen.
Zudem bietet der Film Raum für Diskussionen über die künstlerische Freiheit und deren Grenzen. Auch wenn der Film auf den ersten Blick mit einer Vielzahl von Themen überfrachtet scheint, gelingt es dem Regisseur, ein packendes Sozialdrama zu erzählen, dass nicht nur in seinen Nuancen, sondern auch in seinen Bildern durchaus finstere Facetten bietet.
Sei es die Webcam, die aufzeichnet, wie jemand nachts die Schlafzimmertür von Elif öffnet, oder die ständige Angst, erwischt zu werden. Auch die Krimielemente, die an einen klassischen Miss-Marple-Roman erinnern, kommen nicht zu kurz. Man klebt förmlich an den Lippen der Figuren, um ja nichts zu verpassen.
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Faszinierende Figuren und echte Dialoge
Das Figurenkonstrukt das hier erschaffen wird, sorgt auch dafür das die Figuren selbst nicht wie herbeigeschriebene Charaktere wirken, sondern wie realistische Menschen mit wahren Worten aus denen Dialoge entstehen die nie erzwungen wirken sondern hier ein Gefühl erwecken, echten Personen zu lauschen.
Sei es der größenwahnsinnige Regisseur, Yigit, der von sich überzeugt ist, ein Meisterwerk erschaffen zu haben, und für den nichts wichtiger erscheint als sein eigener Film. Welcher sich nach außen hin für die ungerechte Behandlung von Geflüchteten einsetzen möchte, doch im entscheidenden Moment den Vorteil nutzt, diese vorschnell verurteilen zu können. Oder Elif, deren Figur besonders faszinierend gestaltet ist.
Mit kurzen, frechen Haaren und einer gleichzeitig schüchternen Ausstrahlung wächst Elif im Laufe des Films immer mehr über sich hinaus. Obwohl der Film sie anfangs als große Retterin darstellen möchte, wird zunehmend deutlich, dass sie vor allem ihr eigenes Gewissen beruhigen will. Elif verstrickt sich immer mehr in ein Netz aus Lügen, bis sich das Blatt am Ende gegen sie wendet.
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Erfrischend anders
„Es könnte doch jeder gewesen sein“, lautet ein Satz mitten im Film. Doch am Ende spiegelt der Film nicht nur seinen Charakteren ihr eigenes Handeln wider, gehen sie doch nur den Weg des geringsten Widerstandes und Verurteilen jene, die sowieso schon vorverurteilt sind.
Erfrischend anders gelingt es dem Film, nicht nur die Koranverbrennung oder begangene oder nicht begangene Verbrechen in den Mittelpunkt zu stellen, sondern das große Ganze. Es geht weniger um einzelne Fakten oder Ereignisse als vielmehr um das, was nicht gezeigt wird – und genau dies wirkt hier stärker als das Sichtbare.
Fazit: Der Film endet genauso, wie er begonnen hat: in großer Hysterie – jedoch ohne das erlösende Wort „Cut“.
Film Bewertung 8 / 10