Inhalt: Sofie beginnt einen neuen Job als Betreuerin von pflegebedürftigen Menschen. Manche ihrer betreuungspflichtigen Personen sind noch mobil, andere an einen Rollstuhl gebunden oder sogar ans Bett. Sofie begegnet jedem auf Augenhöhe, versucht, sich die Zeit zu nehmen, zuzuhören oder sogar das Lieblingsessen zuzubereiten. Doch die Arbeit fordert ihren Tribut. Die Beziehung zu ihrer Tochter, die sie nur alle paar Wochen sieht, leidet unter dem immensen Arbeitsaufwand. Und während Sofie dafür kämpft, ihr Lächeln nicht zu verlieren, entdeckt sie auch die schönen Seiten ihres Berufs.
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FILM KRITIK
Das Gegenstück zu „“Heldin„“, das in der Rubrik „Special Gala“ zu sehen ist, beleuchtet Pflegekräfte in Dänemark, die unter ähnlich katastrophalen Bedingungen arbeiten wie Pflegekräfte in Deutschland oder in der Schweiz. Überall fehlt es an den notwendigen Fachkräften, was zu einem Mangel an Zeit und Kapazitäten führt, um die Bewohner über die knapp bemessenen Besuchstermine hinaus zu betreuen. Und gerade diese Bewohner brauchen nicht nur körperliche Hilfe, sondern auch jemanden, mit dem sie kommunizieren können.
Berlinale 2025 (Panorama): HYSTERIA
Während Heldin in rasantem Tempo voranprescht, lässt sich Frelle Petersen in seinem dokumentarisch angelegten Spielfilm bewusst Zeit. In dieser „Zeit“ lernen wir nach und nach die einzelnen Menschen in Sofies Obhut kennen – jeder mit seinen eigenen Bedürfnissen, Vorstellungen und oft einem anspruchsvollen Angehörigen. Während Sofie eine stille, zärtliche Verbindung zu diesen Menschen aufbaut, gelingt es Petersen, diese Verbindung auch auf den Zuschauer zu übertragen. Und so berührt uns der Schicksalsschlag eines der uns anvertrauten Menschen ebenso tief wie Sofie.
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Ein Tal an Emotionen
Petersen besetzt gezielt Personen für den Film, die noch nie vor einer Kamera standen, um eine realitätsnahe Geschichte zu erschaffen, die vor allem von ihren Figuren lebt. Aber man merkt keine Sekunde lang, dass hauptsächlich Laien vor der Kamera stehen. Das verleiht dem Film einen sehr dokumentarischen Stil, der ihm nur gut tut und die Tragödie, das Leid, aber auch die schönen Momente dieses Jobs zum Leben erweckt.
Im Mittelpunkt des Ganzen steht Sofie, die in all ihren zerbrechlichen Facetten grandios gespielt wird von Jette Søndergaard. Man spürt förmlich die Last auf den Schultern der Mutter, die zwei Jobs hat und versucht, den Spagat zwischen ihrer Tochter und ihren Betreuern zu schaffen. Während sie sich buchstäblich den „Arsch aufreißt“, wird ihr von einem Verwandten gesagt, sie sei „scheiße“ in ihrem Job.
Und so ist es nicht verwunderlich, dass Sophies Lächeln von Tag zu Tag schwächer wird und sie Mühe hat, es aufrecht zu erhalten. Doch die Menschen, die sie jeden Tag besucht, wissen ihre Arbeit zu schätzen. Andere hingegen scheinen sich nicht für das Leid dieser Menschen zu interessieren und führen ihre Aufgaben wie das „Windelwechseln“ einfach nicht aus.
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Ein Film der in jeglicher Hinsicht Mut macht
Petersens Film durchläuft ein Tal der Emotionen. Jede Bindung fühlt sich „echt“ an, der Zuschauer hat das Gefühl, die Menschen wirklich kennenzulernen, aber auch den Schmerz, wenn sie gehen. Und während Sofie in ihrem Job alles gibt, bekommt sie auch eine Menge zurück. Home Sweet Home“ braucht keine musikalische Untermalung, um beim Zuschauer Emotionen zu wecken.
Der Blick der Kamera, die mitten im Geschehen ist, und die kleinen, schönen Details, die Petersen mehr als alle Worte zu schaffen vermögen. Zum Beispiel die Zahnbürste von Sofies Tochter, die verlassen im Zahnputzbecher steht, oder eine der vielen Dosen eines Pflegebedürftigen, die am Ende auf Sofies Wohnzimmertisch steht. Man bekommt ein Gefühl dafür, wie es sein muss, alt zu werden, den Menschen ausgeliefert zu sein, die einen waschen, wickeln und füttern.
Fazit: Niemand möchte würdelos in seinen eigenen Exkrementen liegen, weil sich niemand die Mühe macht, sie zu beseitigen. Der Film ist ein harter Blick auf die Realität und beschönigt nichts in seiner völlig offenen Darstellung. Aber gerade hier ist er ein Geschenk, das in jeder Hinsicht Mut macht, durch all die Momente, in denen Sofie lächelt und ihr Gegenüber zurück lächelt.
Film Bewertung 10 / 10