Berlinale: Sektion Berlinale Special Gala – Internationale Premiere
Inhalt: Die eigentlich als Theaterregisseurin arbeitende Jeanine übernimmt die Wiederaufführung der berühmten Oper „Salome“, die ihr ehemaliger Mentor und Liebhaber inszeniert hatte. Während sie immer wieder von Darstellern und anderen Opernmitarbeitern zu den von ihr gewünschten Veränderungen befragt wird, erkennt sie mehr und mehr, welche Parallelen zwischen ihr und der Hauptfigur der Oper bestehen.
Zudem muss sie sich mit aufkommenden Eheproblemen und den Dämonen der Vergangenheit auseinandersetzen, die immer bedrohlicher zu werden scheinen, je näher die Aufführung der Oper rückt.
Film Kritik
Die recht spannende Idee der Oper, die auf einem Theaterstück von Oscar Wilde basiert, wird zum Zentrum der Geschichte von Egoyans Werk. Es ist die Geschichte von Johannes dem Täufer und wie er aufgrund der wahnsinnigen Liebe einer Frau zu ihm seinen Kopf verliert. Gerade die Versatzstücke der Oper sind der Garant dafür, dass der Film eine spannende Energie entwickelt.
Die Gesangseinlagen der Operndarsteller verleihen dem Film eine Dynamik, die vielleicht auch den ganzen Film rettet, da der Rest der Geschichte leider nicht immer stringent erzählt wird. Der Film springt oft zwischen verschiedenen Szenen hin und her. Besonders bei einer Podcast-Aufnahme, in der Jeanine vorgestellt wird und sich ein spannendes Drama zwischen den beiden Figuren zu entwickeln beginnt, wird die Handlung immer wieder durch harte Schnitte aus dem Geschehen gerissen.
Berlinale 2024 „My New Friends“
Das führt dazu, dass der Betrachter die Orientierung verliert. Erst wenn wir uns in der Vergangenheit wiederfinden, macht eine alte Handkamera und ihr flackerndes Bild deutlich, wo wir uns befinden.
Oft unverständliche Dialoge schließen sich wirrem Kameraspiel an
Leider bleibt die Kameraführung im Rest des Films sehr schlicht und einfallslos. Man bekommt auch das Gefühl, dass der Kameramann nicht wirklich zu wissen scheint, welche Figuren im Mittelpunkt des Geschehens stehen und worauf der Kamerablickwinkel gerichtet werden soll. Die Bilder springen zwischen dem spannenden Geschehen auf der Bühne der Oper, dem Publikum und der Zweitbesetzung der Operndarsteller hin und her.
Warum gelegentlich unwichtige Personen im Zentrum des Bildes landen, wird nicht klar. Die oft poetisch unverständlichen Dialoge knüpfen leider an die konfuse Kameraführung an. Ob es Jeanines Voice-over-Fragmente sind, die sich wie ein „Gesicht“ über das Geschehen legen, oder das Geplänkel zwischen verschiedenen Figuren, das uns Zuschauern unwichtig erscheint.
Berlinale 2024 „The Stranger`s Case“
Gerade deshalb ist es spannend zu sehen, wie sich trotz dieser Unzulänglichkeiten nach und nach ein spannendes Stück entwickelt, dem das Publikum mit zunehmender Faszination folgt. Dass die Oper in deutscher Sprache gesungen wird, bedeutet auch, dass hier deutsche Opernsänger zum Einsatz kommen. Egoyan scheint großen Wert darauf gelegt zu haben, echte Einblicke in eine Oper zu geben. Dadurch fällt leider vor allem der Darsteller von Johannes der Täufer auf.
Die Tatsache, dass er neben seiner Opernrolle auch eine wichtige Rolle im Film spielt, ist schwierig, denn schauspielerisches Talent sucht man leider vergebens. Das lässt eine Szene, in der es um sexuelle Belästigung geht, noch absurder erscheinen, als der Film es vielleicht darstellen wollte.
Die verschiedenen Ebenen des Filmes greifen fantastisch ineinander
Im Grunde geht es um Männer, die Frauen belästigen und dabei spielt auch das Thema Vergewaltigung eine große Rolle und der Umgang mit diesem Thema. Amanda Seyfried als Jeanine spielt eine erfrischend andere Rolle, als man von ihr erwarten würde, und schafft es, die verschiedenen Ebenen des Films zu verbinden.
Insbesondere dann, wenn Egoyan beschließt, das Thema nie offen anzusprechen, sondern den Zuschauer darüber im Unklaren zu lassen, schafft es Seyfried durch ihr Spiel, den Zuschauer immer mehr in ihre Abgründe blicken zu lassen. Andere Schauspieler fallen leider noch weiter aus dem Raster. Ob es die stark inszenierten Bilder aus der Vergangenheit sind oder die unterschiedlichen Beziehungen mancher Mitarbeiter der Oper.
Es ist auffallend, wie fantastisch die verschiedenen Ebenen, das Opernstück, die Figur und die Handlung des Films ineinandergreifen. Das mag nicht nur am grandiosen Bühnenbild liegen, sondern auch an den Details der Kostüme, die dazu beitragen, die verschiedenen Ebenen miteinander zu verweben.
So trägt der Requisiteur der Oper anfangs recht offene und leichte Kleidung und versteckt sich nach einem Zwischenfall mehr und mehr hinter Rollkragenpullovern und dunklen Cardigans.
Oscar Wilde, ein spannendes Setting und der Blick hinter die Kulissen
Auch die verschiedenen Ebenen des Films sind oft im Bild sichtbar: durch eine Projektion, Jeanines Monolog, das Geschehen auf der Bühne und Bilder aus der Vergangenheit, die zum Teil gleichzeitig abgespielt werden.
Hier schafft es die ansonsten unaufgeregte Kamera in Kombination mit Bühnenbild, Ton, Licht und Kostümen dennoch, ein spannendes Gesamtbild zu erzeugen. Leider lassen einige Schwächen das ansonsten möglicherweise bessere Werk von Egoyan nicht ganz so hell erstrahlen, wie es dies verdient. Einige der Handlungsstränge sind zu verwirrend.
Berlinale 2024 „Love Lies Bleeding“
Fazit: Während die Oper wie ein düsterer Thriller anmutet, wird die Geschichte von Jeanine dagegen leider nicht intensiv genug erzählt. Nichtsdestotrotz bleibt „Seven Veils“ ein sehenswertes Drama aufgrund seines spannenden Settings, das einen Blick hinter die Kulissen der Opernproduktion gewährt, die weitreichenden Entscheidungen einer Regisseurin illustriert und Oscar Wildes spannendes Werk aufgreift und um eine neue Metaebene erweitert.
Film Bewertung 7 / 10