Genre: Drama / Thriller | Produktion: Deutschland 2023 | Laufzeit: ca. 94 Minuten | Regie: İlker Çatak
Mit: Leonie Benesch, Leonard Stettnisch, Eva Löbau, Michael Klammer, Anne-Kathrin Gummich
Läuft in der Sektion Panorama der Berlinale (Weltpremiere 18.02.23) : Das Panorama zeigt Filme, die aufwühlen und aufrütteln sollen und das Publikum in seinen Sehgewohnheiten und im Denken herausfordern wollen. Die Filmauswahl ist gleichzeitig Angebot und Aufforderung, Kino anders zu betrachten.
Inhalt: Als einer ihrer Schüler des Diebstahls verdächtigt wird, beschließt die Lehrerin Carla Nowak, der Sache persönlich auf den Grund zu gehen. Aufgerieben zwischen ihren Idealen und dem System Schule droht sie an den Konsequenzen ihres Handelns zu zerbrechen.
„Das Lehrerzimmer“ ist fast schon ein Psychothriller, welcher sich die Schule als Schauplatz ausgesucht hat. Regisseur İlker Çatak bleibt mit seinem Film die gesamte Laufzeit über im Schulgebäude – und verlässt zu keiner Zeit die begrenzten Räumlichkeiten, in denen sich die Handlung entfaltet. Dadurch wird das Ganze zu einer Art Kammerspiel.
Dazu passend hat Catak vom ersten Bild an, ein Format gewählt, welches dem Film einen gewissen „Gefängnis Aspekt“ verleiht, durch das man sich sichtlich unwohl fühlt. Das Spielfeld Schule eröffnet in İlker Çataks Film ganz neue Perspektiven. Ganz bewusst nimmt „Das Lehrerzimmer“ nicht nur eine einzelne Sichtweise ein, sondern versucht objektiv, sowohl aus Schüler und Lehrersicht, sich dem Thema zu nähern.
Berlinale 2022 Film Kritik: „Shabu“
Dabei entwickelt sich ein wahnsinnig spannendes Spiel, über die gesamte Laufzeit, zwischen der Lehrerin Carla und dem Schüler Oskar. Beide Darsteller liefern sich nicht nur ein Duell in Form ihrer Film-Charaktere, sondern auch in ihrem Schauspielansatz. Schüler Oskar, welcher nur durch Blicke mit Carla kommuniziert, beweist ein unglaubliches Gespür für dezente und starke Momente.
Leonie Bensch, als Lehrkraft Carla, schafft es sowohl die toughe Lehrerin vor ihren Schülern zu verkörpern, als auch die zerbrechliche- und sensiblen Frau, welche beim Elternabend in eine Panikattacke verfällt.
Das Haupt Thema des Films ist Vielschichtigkeit
Und damit widmet sich der Film noch einem weiteren wichtigen Thema: Das Lehrkräfte sich nicht nur gegen ihre Schüler behaupten müssen, sondern, fast noch drastischer und nervenaufreibender, auch gegen deren Eltern. Das Lehrkräfte als Menschen betrachtet werden, welche Fehler machen können, wird viel zu selten beleuchtet und erst recht nicht akzeptiert.
Berlinale 2022 Film Kritik: „AEIOU – das schnelle Alphabet der Liebe“
Viel menschlicher, als Leonie Benesch ihre Carla darstellt, kann man eine Lehrkraft (fast) nicht auf die Leinwand bringen. Das leichte Zittern, wenn sie sich bedrängt fühlt und nicht weiter weiß, oder die Stimme die fast versagt, wenn sie sich wiederholen muss. Aufstehen, und die vermeintliche Wahrheit sagen ist selten einfach. Wenn man danach noch in Frage gestellt wird, wirft dies ein ganz anderes Licht auf das eigene Handeln.
Denn, wer sagt eigentlich die Wahrheit und wer lügt? Genau mit dieser Frage versucht der Film, in einer immer weiter ins Chaos führenden Abwärtsspirale, dem Zuschauer deutlich zu machen, dass zwischen Wahrheit und Lüge manchmal oft nur ein schmaler Grad liegt – und, dass das „Richtige“ zu tun, auch nur Ansichtssache ist.
Zwischen Wahrheit und Lüge
Die klassische Musik, welche das immer chaotischer werdende Bild begleitet, wirkt auf eine gewisse Art und Weise skurril. Damit verhilft man dem Film, nicht als (zu-) ernstes Drama wahrgenommen zu werden, verleiht dem Ganzen damit einen Theater-haften Anstrich und bietet gleichzeitig Momente, die aus einem Thriller von Scorsese stammen könnten. So vielschichtig war ein deutsches Drama selten.
Leonie Benesch welche die Handlung über versucht eigentlich nur das „Richtige“ zu tun, provoziert
immer neues Chaos hervor und beginnt zusammen mit dem Zuschauer an ihrem eigenen Handeln zu
zweifeln bis sie eigentlich selbst am Pranger steht. Nicht zu Unrecht wird Leonie Benesch im Rahmen der Berlinale 2023 auch als Shootingstar ausgezeichnet.
Eröffnungsfilm der Berlinale 2023: „She Came To Me“ – Film Kritik
Ihre facettenreiche Carla wirkt mal gefasst, mal verunsichert, mal verärgert und mal tatendurstig. Carla ist ein Mensch, eine Lehrerin, eine junge Frau, die ihren Platz im Leben noch sucht und lernen muss für sich einzustehen.
Fazit: Vielleicht kann der Film dabei helfen einmal den Blickwinkel einer jungen Lehrerin und Frau einzunehmen um das eigene Handeln einmal zu beleuchten. Grandioser Schachzug von İlker Çatak und sicherlich einer der stärkeren Berlinale Filme 2023.
Film Bewertung : 9 / 10
Trackbacks/Pingbacks