AVATAR: FIRE AND ASH

Inhalt: In Avatar: Fire and Ash führt James Cameron die Geschichte von Jake Sully (Sam Worthington) fort, der sich endgültig für das Leben als Na’vi entschieden hat und nun seine Familie in einer zunehmend bedrohlichen Welt schützen muss. An seiner Seite steht erneut Neytiri (Zoe Saldaña), während neue Herausforderungen den Zusammenhalt der Sullys auf eine harte Probe stellen.

©️ 20th Century Studios DE

Familienverlust, neue Feinde und eskalierende Mythenbildung

James Cameron hat sich über Jahrzehnte hinweg einen Ruf als Meister der Fortsetzung erarbeitet. Aliens und Terminator 2: Judgment Day gelten bis heute als Maßstab dafür, wie Sequels nicht nur größer, sondern auch erzählerisch reifer und emotional komplexer sein können. Und auch Avatar: The Way of Water aus dem Jahr 2022 machte deutlich, dass der Erfolg des ersten Avatar von 2009 kein einmaliger Glückstreffer war. Cameron erweiterte Pandora mit scheinbarer Leichtigkeit, führte neue Kulturen ein, vertiefte bestehende Konflikte und öffnete die Welt der Na’vi für neue thematische Ebenen.

Was es bislang jedoch nicht gab, war ein dritter Teil in Camerons Filmografie. Bis jetzt. Oder zumindest fast. Technisch betrachtet ist Avatar: Fire and Ash der dritte Film in der geplanten fünfteiligen Saga. Dramaturgisch wirkt er jedoch weniger wie ein klassischer dritter Akt, sondern vielmehr wie eine unmittelbare Verlängerung von The Way of Water, ein zweiter Teil des zweiten Teils, der nahezu nahtlos ansetzt und dessen emotionale und erzählerische Linien konsequent weiterführt. Der Verlust von Neteyam, dem ältesten Sohn der Familie Sully, liegt wie ein Schatten über dem gesamten Film.

Neytiri, erneut mit großer Intensität von Zoe Saldaña gespielt, ist tief in ihrer Trauer gefangen. Jake Sully hingegen reagiert mit Verdrängung und Härte, indem er sich in Pflichtgefühl und taktische Entscheidungen flüchtet. Die Kinder tragen die Last auf ihre eigene Weise: Lo’ak quält sich mit Schuldgefühlen, Tuk bleibt verletzlich, Kiri wirkt zunehmend abwesend, und Spider, als Mensch zwischen den Welten, leidet besonders unter seiner Entwurzelung. Die Familie steht einmal mehr im Zentrum von Camerons Erzählung. Die Emotionen sind dabei komplexer, düsterer und widersprüchlicher als zuvor. Cameron wagt es, die Figuren an schmerzhafte Orte zu führen, ohne sich in reinem Beziehungsdrama zu verlieren. Gleichzeitig bleibt Fire and Ash unverkennbar ein James-Cameron-Film: Persönliche Konflikte dienen als Katalysator für überwältigende Actionsequenzen.

Gewaltige Seeschiffe werden zerstört, Meereskreaturen stürzen sich in chaotischen Angriffen auf ihre Gegner, und die Lüfte Pandoras werden von fliegenden Wesen, Pfeilen und Explosionen durchzogen. Besonders eindrucksvoll ist der frühe Angriff auf die Wind Traders, einen neu eingeführten Clan, der auf gigantischen Luftquallen reist. Die finale Schlacht, die sich über Meer und Himmel zugleich erstreckt, zählt zu den größten und visuell ambitioniertesten Auseinandersetzungen, die Pandora bislang gesehen hat.

AVATAR: FIRE AND ASH
© 20th Century Studios DE

Technische Brillanz und erzählerische Überfrachtung im Spannungsfeld

Eine zentrale Rolle in dieser Eskalation spielt das wichtigste neue Element des Films: Varang, verkörpert von Oona Chaplin, Anführerin des Mangkwan-Clans. Erstmals führt Cameron eine Gruppe von Na’vi ein, die offen und kompromisslos antagonistisch agieren. Die Mangkwan lehnen Eywa ab, verachten spirituelle Verbundenheit und hinterlassen auf ihrem Weg Verwüstung. Varang selbst ist eine faszinierende, bedrohliche Figur, sinnlich, grausam und von unerschütterlicher Dominanz. In Kombination mit dem wiederkehrenden Quaritch, erneut gespielt von Stephen Lang, entsteht ein verstörendes Macht Duo, dessen Dynamik gleichermaßen abstoßend wie hypnotisch wirkt.

Trotz aller erzählerischen Ambitionen wirkt Avatar: Fire and Ash nicht durchgehend ausgewogen. Im Vergleich zur relativ klar strukturierten Dramaturgie von The Way of Water verliert sich der Mittelteil des Films spürbar. Eine entscheidende Entwicklung rund um Spider setzt eine langgezogene Verfolgungsjagd in Gang, bei der zu viele Figuren gleichzeitig bewegt werden. Mehrfach entsteht der Eindruck, bekannte Motive und Handlungselemente erneut zu durchlaufen. Mit einer Laufzeit von über drei Stunden macht sich diese narrative Überfrachtung bemerkbar. Eine straffere Erzählweise hätte vielen starken Momenten mehr Raum gegeben.

Nicht alle Figuren erhalten die Aufmerksamkeit, die sie verdienen: Lo’ak, trotz seiner Rolle als Erzähler, tritt überraschend in den Hintergrund, während Tuk erneut vor allem als Projektionsfläche für Gefahr dient. Besonders enttäuschend ist, dass Varang im letzten Akt weitgehend aus der Handlung verschwindet, wodurch sich größere, sagaweite Wendepunkte nur andeuten, aber nicht einlösen.

Mythos Pandora zwischen Eskalation und technischer Brillanz

Und dennoch bleibt Avatar: Fire and Ash ein aufwändiges Kinoerlebnis, was besonders im letzten Drittel deutlich wird, wenn sich auf der Leinwand ein unvergleichliches Action-Spektakel entfaltet. Die Bilder wirken derart real, dass die digitale Natur des Gezeigten nahezu vollständig in den Hintergrund tritt. Cameron erschafft erneut eine Mythologie von enormer Dichte, bevölkert von Weltraumwalen, spirituellen Netzwerken, politischen Machtspielen und Kindern, die nach Sinn und Zugehörigkeit suchen.

Fazit: Trotz erzählerischer Schwächen ist es ein Film, dessen Ambitionen unbestreitbar sind. Mit Avatar: Fire and Ash beweist James Cameron erneut sein Gespür für großes, bildgewaltiges Blockbuster-Kino. Der Film ist größer, lauter und emotional schwerer als sein Vorgänger, leidet jedoch unter Wiederholungen und einem überlangen Mittelteil. Episches Kino, das sich zugleich wie ein ausgedehnter Director’s Cut von The Way of Water anfühlt.

Film Bewertung 6.5 / 10