Von Georg Reinke
Laufzeit: 98 Minuten | Regie: John Hyams | Drehbuch: Mattias Olsson | Erscheinungsdatum: 25. März 2021 V. o. D
(Stand)Alone:
„Alone“ könnte kein besserer Titel sein, um sich im Urwald der Filmgeschichte zu verlaufen. Auf dem Bewertungsportal „IMDB“ werden über 200 gleichnamige Namen angezeigt. Die Low Budget 2020er Produktion von John Haymes, Schöpfer der durchwachsenen Serie „Black Summer“, versucht sich in einem Mischmasch aus Horror, Thriller, Mystery, Rape-Revenge und Drama.
Wie schon vorab beschlossen wird der Film die Kinoleinwand nur vereinzelt besuchen, Video on Demand ist Programm. Ob sich dieses Werk nichtsdestotrotz von seinen Namensgeschwistern abheben kann?
Story: Jessica Swanson (Jules Willcox) hat den Suizid ihres Mannes zu verarbeiten. Fernab ihrer Vergangenheit will sie einen Neuanfang beginnen, wofür sie durch das halbe Land inklusive ihres Mobiliars reist. Zu Beginn der Reise endet ein Überholversuch fast mit ihrem Tod, da der Fahre (Marc Menchaca) vor ihr den Weg blockiert.
Diesem Mann begegnet sie immer wieder, der sich nach einiger Zeit als ein Verfolger entpuppt. Durch einen platten Reifen gerät Jessica in seine Fänge undwacht in einem Keller wieder auf. Ein Fluchtversuch gelingt, doch nun ist sie mitten im endlosen Wald einer Verfolgungsjagd ausgeliefert.
Film Kritik:
Die Frage nach dem Warum?
Mit einer Laufzeit von knapp 90 Minuten ist „Alone“ relativ knapp bemessen. Trotzdem braucht der Film einigermaßen lange, um in Bewegung zu geraten. Einige Spannungsmomente sind im ersten Akt vorzufinden, welcher sich auch als der stärkste Part der gesamten Geschichte entpuppt. Doch bereits hier begegnet man einigen überdimensionierten Schwächen, die sich durch den Plot ziehen.
Für den dramaturgischen Kontext wird der stereotype „Jemand Nahestehendes ist gestorben, ich ziehe weg“ Handlungsstrang topografiert. Das Rad wird bei den meisten Horrorfilmen nicht neu erfunden, der Film vermeidet jedoch subtextuelle Gedankengänge und beträufelt den Zuschauer mit grausig verkrampftem Dialog.
Jessica eine reizvolle und empathische Backstory zu generieren misslingt, zudem fehlt eine intrinsische Auseinandersetzung. Was macht Jessica im Verlauf des Films, um etwas dazu zu lernen, sich selbst besser zu verstehen? Es wird kein Konflikt aufgebaut, den es für sie zu lösen gilt, um ihren Widersacher zu besiegen. Somit hat ihr persönlicher Hintergrund keinen Nutzen im weiteren Verlauf und wirkt dementsprechend klischeebehaftet und flach.
Final Girl vs. Mr. Incredible
Ab dem zweiten Akt, Jessicas Einkerkerung, wird der Film zu einer halben Katastrophe. Zunächst ist da der Antagonist, der Fahrer bzw. Stalker. Er strahlt kaum Gefahr aus, außerdem fehlt jegliche Motivation hinter seiner Entführung Jessicas. Es passiert einfach, weil er eben so ist. Jeder Poltergeist, jedes Alien, jeder Serienmörder hat in den Genrefilmen einen Hintergrund, der seine Taten hervorbringt (leidvolles Ableben, Hunger, Misshandlung).
Stattdessen wird der Antagonist hier mit fast schon ins lächerliche getriebenen „Superkräften“ ausgestattet ( vielleicht klopft bald das MCU an der Tür). Nicht nur, dass er Jessica kilometerweit ohne die geringsten Anhaltspunkte immer wieder im riesigen Wald findet, nein, er findet sie sogar versteckt in der Nacht bei Regen und Gewitter, obwohl sie Stunden Vorsprung hatte. Selbst als Jessica in einem tosenden Fluss etliche Kilometer weggetrieben wird, kann er ihr wieder Stunden später eine Falle stellen, indem er geräuschlos einen ganzen Baum(?) gefällt hat, um ihr und ihrem Retter den Weg zu versperren.
Begleitet wird diese Übermacht von absoluter Unversehrtheit gegenüber Messerstichen durch den kompletten Arm, als auch durch vermehrte Schläge gegen den Kopf mithilfe eines Schraubstocks. Außerdem bestimmen dummes Verhalten (schreiend davonlaufen, während man verfolgt wird) und Deus Ex Machina das Geschehen viel zu häufig
Wenig Positives
Leider belebt auch das rudimentäre Schauspiel den redundanten Handlungsverlauf nicht. Zugegeben, hier spielen wahrscheinlich auch die obsoleten Dialoge gegen die beiden Darsteller. Pluspunkte bleiben einzig für das adäquate Sounddesign und die Fotografie der fulminanten Landschaften.
Hätte sich „Alone“ mehr auf die anonymisierte Verfolgung konzentriert und den Stalker mit diabolischerem Antrieb ausgestattet, wäre viel gewonnen worden. Der Versuch, die Story in Kapiteltitel aufzudröseln, welche teils sogar indirekt spoilern, bändeln offensichtlich mit der Gestaltung von „The Shining“ an. Sehr hoch gepokert.
Fazit: Für einen Horror/Mystery Vertreter leider ein Schuss in den Ofen. Spannung kann sich in den ersten 30 Minuten phasenweise konsistent legitimieren, doch spätestens danach versinkt der Film in einem diffusen Gewirr aus schwacher Handlung, desolater (bzw. garkeiner) Charakterentwicklung und peinlich anmutenden Dialogen.
Die Generierung von Empathie wird auf affektierte Art und Weise versucht, misslingt jedoch gänzlich. Positiv anzumerken bleiben der (selten) vorkommende Score, das Setting und das Pacing der Handlung. Ansonsten bleibt man, wie der Titel schon verspricht, mit seinen Erwartungen meistens „Alone“.
Wertung: 3/10