Inhalt: „Heute ist der Tag!“, verkündet die ganz in Schwarz gekleidete Frau, die wie aus dem Nichts im Vorgarten der Familie aufgetaucht ist. Die gespenstische Erscheinung wirft Fragen auf: Woher kommt sie? Was will sie? Wann wird sie wieder gehen? Nur sie kennt die Antworten. Antworten, die man besser fürchten sollte.
Psychologische Tiefe statt Schockmomente
Nach seinen zahlreichen Actionfilmen kehrt Regisseur Jaume Collet-Serra jetzt mit einem sehr kontrollierten Familiendrama ins Horrorgenre zurück, das mit einem einzelnen Handlungsort und einer minimalen Besetzung für enorme Spannung sorgt. Er liefert mit The Woman in the Yard einen psychologischen Horrorfilm, der weit über bloße Schockeffekte hinausgeht. Statt auf Jumpscares und klassische Horrorklischees zu setzen, entfaltet sich hier ein düsteres Drama über Verlust, Schuld und psychische Abgründe.
Wer einen typischen Mainstream-Gruselfilm erwartet, könnte enttäuscht werden – aber für Liebhaber von tiefgründigen, atmosphärischen Geschichten ist dieser Film eine echte Überraschung. Die Handlung ist dabei nicht immer so überzeugend wie die Darsteller, aber es ist schön zu sehen, dass ein Horror in der prallen Sonne so viel Schrecken verbreiten kann. Die Geschichte dreht sich um Ramona (Danielle Deadwyler), die nach einem tragischen Unfall ihren Mann verliert und nun mit ihren Kindern allein auf einer abgelegenen Farm lebt. Doch die wahre Bedrohung scheint nicht von der Außenwelt zu kommen, sondern aus ihrem Inneren.
Als eine unheimliche, in schwarz verhüllte Frau im Vorgarten Platz nimmt und immer wieder die Worte „Heute ist der Tag“ wiederholt, beginnt eine surreale Reise zwischen Realität und Einbildung. Ramona muss herausfinden, wie sie ihre Familie vor dieser seltsamen und unheimlichen Präsenz schützen kann. Collet-Serra erschafft eine bedrückende Atmosphäre, die von Anfang an spürbar ist. Die ländliche Isolation verstärkt das Gefühl der Einsamkeit und Hilflosigkeit, während subtile Horror-Elemente Stück für Stück die Grenze zwischen dem Übernatürlichen und Ramonas mentalem Zustand verschwimmen lassen.
Symbolik ersetzt Theatralik
Darüber hinaus greift der Film auf visuelle und narrative Elemente zurück, wie sie typisch für den japanischen Horror sind: das Spiel mit Licht und Schatten, die Isolation des Schauplatzes und die langsame Eskalation der Bedrohung. Diese Verweise verleihen dem Film eine tiefere Dimension und machen ihn zu einer Hommage an das Genre, ohne dabei seine eigene Identität zu verlieren. Diese tiefgründige Auseinandersetzung mit Trauer und psychologischen Abgründen erinnert an Filme wie The Babadook oder Hereditary, die sich mehr auf emotionale Wucht als auf schnelle Schreckmomente verlassen.
Aber das erklärt nicht ganz die unheimliche Besucherin. Ist sie eine Ausgeburt von Ramonas Fantasie? Ein Geist? Eine Verkörperung von Verlust? Ein Engel des Todes? Okpokwasili ist ein markantes, sehr elegantes Wesen, deren Augen unter dem Spitzenschleier hervorblitzen, dass sie selbst dann Gänsehaut auslöst, wenn abgesehen von einer Überdosis Lens Flare und extremen Kamera-Blickwinkeln scheinbar nichts Übernatürliches passiert. Okwui Okpokwasili agiert wortkarg, aber sehr eindringlich – ihre bloße Präsenz reicht aus, um Unbehagen zu erzeugen.
Die Kameraarbeit von Ari Asters Stammkameramann Pawel Pogorzelski und der Soundtrack von Lorne Balfe unterstützen die beklemmende Stimmung. Es gibt keine lauten Musikausbrüche oder übertrieben inszenierte Horror-Momente – stattdessen wird Spannung langsam aufgebaut, oft durch lange, ruhige Einstellungen, die den Zuschauer im Unklaren lassen, ergänzt durch interessante Blickwinkel und Details. Die Bedrohung kommt schleichend, was den Horror dadurch wirkungsvoller macht.
Für wen ist dieser Film geeignet?
The Woman in the Yard ist ein unkonventioneller Horrorfilm, der mehr auf psychologische Spannung als auf klassische Horrormotive setzt. Die komplexe Symbolik, die herausragende Hauptdarstellerin und die düstere Atmosphäre machen ihn zu einem herausfordernden Seh-Erlebnis. Allerdings wirkt die Erzählung im letzten Akt etwas überhastet, da die übergeordneten Themen ohne weitere Erklärung und verwirrend eingeführt werden, wodurch die eigentliche Botschaft etwas an Wirkung verliert.
Fazit: Die Inszenierung des Films ist durchaus gelungen und Collet-Serra versteht es, einen gut getimten Schrecken zu erzeugen. Und wer sich auf die emotionale und psychologische Komponente einlässt, wird mit einem Film belohnt, der dank seiner visuellen Umsetzung zum Nachdenken anregt. The Woman in the Yard ist der richtige Film für Fans von Grusel-Filmen, die mehr erwarten als nur ein paar handelsübliche Schock-Momente. Film Bewertung 7 / 10
